Rüebli

Agrarpolitik einfach erklärt

11.02.2019

Auf einen Blick

Die Schweizer Landwirtschaftspolitik ist häufig Gegenstand emotionaler politischer Debatten. Die nüchternen Fakten geraten darob nicht selten unter die Räder. Anhand von zehn Fragen gibt das vorliegende Dossier einen Überblick über alle relevanten Eckpunkte: die Struktur des ersten Sektors, Direktzahlungen und Subventionen, Agrarzölle und andere Grenzschutzmassnahmen sowie den Vergleich mit dem Ausland.

Das Wichtigste in Kürze

Über die Schweizer Landwirtschaftspolitik wird immer wieder hitzig debattiert. Der Bund hat im November 2018 die Vernehmlassung zur Agrarpolitik, die ab 2022 gelten soll (AP 22+) eröffnet. Deshalb möchte dieses dossierpolitik genauer hinschauen, wie die Schweizer Agrarpolitik heute grundsätzlich funktioniert.

In dieser komplexen Thematik ist es manchmal schwierig, vor lauter Bäumen den Wald noch zu sehen. Im Dschungel der vielen Instrumente zum Schutz und zur Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, der komplizierten Finanzierungssysteme, der vielen Gesetze, Verordnungen und bürokratischen Prozesse geht der Überblick schnell verloren. Dieses Dossier versucht eine verständliche Übersicht über die aktuelle Agrarpolitik zu geben.

Position economiesuisse

economiesuisse ist an einer offenen und transparenten Debatte über die künftige Agrarpolitik interessiert. Der erste Sektor hat die Schweiz stark geprägt und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Rahmenbedingungen aber verändern sich – deshalb ist es wichtig, im Kontext der AP 22+ eine vertiefte Diskussion über Ziele und Mittel der Schweizer Agrarpolitik zu führen. Dieses Dossier soll helfen, die heutige Agrarpolitik in der Schweiz besser zu verstehen.

Rüebli

Einleitung

Über die Schweizer Landwirtschaftspolitik wird immer wieder hitzig debattiert: Soll der Grenzschutz des Agrarsektors reduziert, abgeschafft oder gar erhöht werden? Ist das Agrarbudget des Bundes zu hoch oder zu niedrig? Wofür sollen Subventionen bezahlt werden? Welche Produkte sollen Schweizer Bauern auf welche Art produzieren? Doch vor lauter Bäumen ist es schwierig, den Wald noch zu sehen. Im Dschungel der vielen Instrumente zum Schutz und zur Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, der komplizierten Finanzierungssysteme, der vielen Gesetze, Verordnungen und bürokratischen Prozesse geht der Überblick schnell verloren. Dieses Dossier soll eine verständliche Übersicht über die aktuelle Agrarpolitik geben. Es wird dabei versucht, die Fakten möglichst wertungsfrei darzustellen. Eine Wertung soll im politischen Prozess erfolgen und wird von economiesuisse in anderen Dokumenten vorgenommen.

Anhand von zehn Fragen soll die Schweizer Agrarpolitik erklärt werden. Wie lautet der Auftrag des Bundes an die Schweizer Landwirtschaft? Wie funktionieren und wirken Grenzschutz und Subventionen? Wie stark wird die Schweiz im internationalen Vergleich gestützt? Welche weiteren Privilegien geniessen die hiesigen Landwirtschaftsbetriebe? Diese und weitere Fragen werden beantwortet, ohne zu stark ins Detail zu gehen, sodass der Leser sich am Ende ein grobes, aber ganzheitliches Bild der Schweizer Landwirtschaftspolitik machen kann. Wer mehr ins Detail gehen möchte, findet in der Onlineversion dieses Dossiers entsprechende Links.

Rüebli

Wie lautet der Auftrag des Bundes an die Landwirtschaft?

Der Auftrag der Schweizer Landwirtschaft ist in der schweizerischen Bundesverfassung (BV) in Artikel 104 festgeschrieben. Die Details werden im Landwirtschaftsgesetz und in einer Reihe von Verordnungen geregelt. Das Ziel der Agrarpolitik ist die Förderung einer Landwirtschaft, die nachhaltig und auf den Markt ausgerichtet produziert. Zudem werden von der Landwirtschaft gemeinwirtschaftliche Leistungen erwartet: Sie soll gemäss Artikel 104 BV einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit, zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft sowie zur dezentralen Besiedlung des Landes leisten. Zusätzlich wird im Landwirtschaftsgesetz (LwG) festgehalten, dass das Tierwohl gewährleistet sein muss. Da die Landwirtschaft mehrere, unterschiedliche Ziele erfüllen muss, wird oft von der multifunktionalen Landwirtschaft gesprochen.

Für die Förderung dieser Aufgaben werden dem Bundesrat in der Verfassung eine Reihe von Befugnissen und Aufgaben gegeben. So kann er die bäuerlichen Einkommen durch Direktzahlungen ergänzen, finanzielle Anreize zur Förderung von besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktion setzen oder die Umwelt vor Beeinträchtigungen durch überhöhten Einsatz von Düngemitteln, Chemikalien und anderen Hilfsstoffen schützen.

Der 2017 eingeführte Verfassungsartikel 104a zur Ernährungssicherheit ändert grundsätzlich nichts an den Zielen der Agrarpolitik. Er präzisiert einzig, dass auch die gesamte ernährungswirtschaftliche Wertschöpfungskette, ein nachhaltig ausgerichteter, grenzüberschreitender Handel und ein ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln seitens der Konsumenten zur Ernährungssicherheit beitragen.

Rüebli

Wie ist die Schweizer Landwirtschaft aufgestellt?

2017 existierten in der Schweiz 51’620 landwirtschaftliche Betriebe. Sie bewirtschaften insgesamt eine Fläche von 1’046’109 Hektaren. Pro Betrieb entspricht dies einer Fläche von rund 20 Hektaren, wobei knapp 15’000 Betriebe weniger als 10 Hektaren und 2750 Betriebe mehr als 50 Hektaren aufweisen. Rund 47 Prozent aller Betriebe liegen in der Talregion, rund 26 Prozent in der Hügel- und rund 27 Prozent in der Bergregion. Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird grösstenteils als Grünfläche in Form von Wiesen und Weiden bewirtschaftet. Sie machen 70 Prozent der Fläche aus. 26 Prozent sind Ackerflächen, wovon etwas mehr als die Hälfte für den Getreidebau verwendet wird. Schweizer Landwirte halten je rund 1,5 Millionen Rindvieh und Schweine und etwa 11,5 Millionen Nutzhühner.

Der Anteil der Landwirtschaft an der Schweizer Bruttowertschöpfung betrug 2017 0,7 Prozent. Dabei ist die tierische Produktion mit rund 5 Milliarden Franken bedeutender als die pflanzliche Produktion mit rund . . Diese erwirtschaften 0,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Dieses Ungleichgewicht schlägt sich in einer vergleichsweisen niedrigen Arbeitsproduktivität nieder. Diese beläuft sich auf rund 45’000 Franken (2016) pro Vollzeitstelle – das entspricht etwa einem Drittel der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität der Gesamtwirtschaft.

Von der Landwirtschaft profitieren diverse Betriebe in vor- und nachgelagerten Branchen, die aber statistisch nicht der Landwirtschaft zugeordnet werden. Fiele die Landwirtschaft ganz aus, so bräuchte es zum Beispiel den Grossviehtierarzt auch nicht mehr. Dementsprechend schätzt das Bundesamt für Statistik, dass elf Prozent der Beschäftigten in der Schweiz innerhalb der Lebensmittelkette beschäftigt sind. Allerdings gilt die gleiche Argumentation auch für alle anderen Branchen, und es würden nicht alle Jobs verschwinden, wenn es keine Landwirtschaft mehr gäbe. Restaurants und Detailhändler würde es beispielsweise auch weiterhin geben.

Der Selbstversorgungsgrad betrug 2016 netto . Das heisst: Die einheimische Agrarproduktion kann gut die Hälfte des inländischen Bedarfs abdecken. Die höchste Selbstversorgungsquote weisen mit 114 Prozent die Milchprodukte auf. Der niedrigste Selbstversorgungsgrad liegt mit 21 Prozent bei den pflanzlichen Fetten und Ölen und mit 42 Prozent beim Schaffleisch.

Abbildung 1

Kennzahlen der Schweizer Landwirtschaft

Eigene Darstellung, Quelle BFS
Rüebli

Wie hat sich die Landwirtschaft in den letzten 100 Jahren entwickelt?

Die Landwirtschaft hat in den letzten 100 Jahren einen grossen strukturellen Wandel . Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten rund 35 Prozent aller Erwerbstätigen im ersten Sektor, heute sind es noch drei Prozent. In derselben Periode nahm der Anteil der Landwirtschaft an der gesamten realen Wertschöpfung der Schweiz von rund 30 Prozent auf unter ein Prozent ab. Dieser Wandel zeigt sich nicht nur in der Schweiz: Weltweit hat der Anteil des ersten Sektors an der Bruttowertschöpfung abgenommen.

Abbildung 2

Anteile der Landwirtschaft an der realen Bruttowertschöpfung und der Beschäftigung im 20. Jahrhundert

Anteile der Landwirtschaft an der realen Bruttowertschöpfung und der Beschäftigung im 20. Jahrhundert

Trotz dieses Rückgangs ist die landwirtschaftliche Produktion von 1890 bis 1990 sowohl wert- als auch volumenmässig dank starker technologischer Fortschritte stetig gestiegen (siehe Abbildung 3). Die Arbeitsproduktivität hat sich zwischen 1960 und 1990 verdreifacht, während sie in der Gesamtwirtschaft im gleichen Zeitraum nur um 70 Prozent gestiegen ist. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich das Bild jedoch gekehrt: Die Arbeitsproduktivität stieg in der Gesamtwirtschaft seit 1997 um rund 27 Prozent, in der Landwirtschaft hingegen um lediglich etwa 19 Prozent.

Abbildung 3

Produktionswert der Landwirtschaft in Millionen Franken zu laufenden Preisen

Produktionswert der Landwirtschaft

Die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe hat sich seit 1985 fast halbiert. Der Rückgang war insbesondere rund um die Jahrtausendwende ziemlich stark (siehe Abbildung 4). Danach verlangsamt sich die Entwicklung wieder. 2017 stellten 1,2 Prozent aller Höfe ihren Betrieb ein. Dabei handelt es sich hauptsächlich um kleine und mittlere Bauernhöfe, während die Anzahl Betriebe mit einer Grösse ab 30 Hektaren zunimmt.

Abbildung 4

Entwicklung der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe

Rückgang der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe
Rüebli

Wie wird die Landwirtschaft in der Schweiz subventioniert?

Das Landwirtschaftsbudget des Bundes betrug 2017 rund 3,7 Milliarden Franken. Seine Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung sind seit der Jahrtausendwende praktisch stabil geblieben. In der Schweizer Landwirtschaft gibt es drei Kategorien von Subventionen:

  1. Direktzahlungen
  2. Produktions- und Absatzförderung
  3. Förderung der Strukturverbesserung und soziale Massnahmen.

Direktzahlungen

Den mit Abstand grössten Anteil des Budgets machen die Direktzahlungen aus. Rund 2,8 Milliarden Franken oder 75 Prozent des gesamten Agrarbudgets standen 2017 dafür zur Verfügung. Betriebe, die Direktzahlungen erhalten möchten, müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Direktzahlungsberechtigt sind grundsätzlich nur Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter von bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben. Die Bäuerin oder der Bauer darf grundsätzlich nicht über 65-jährig sein und muss eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert haben. Eine weitere Voraussetzung ist, dass ein Betrieb mindestens 0,2 Standardarbeitskräfte (SAK) aufweist. Pro SAK werden maximal 70’000 Franken Direktzahlungen entrichtet. Zusätzlich müssen mindestens 50 Prozent der auf dem Betrieb anfallenden Arbeiten durch betriebseigene Arbeitskräfte ausgeführt werden. Hinzu kommen spezifische ökologische Auflagen, die unter den Begriff «Ökologischer Leistungsnachweis» (ÖLN) fallen.  

Die Direktzahlungen sind in sieben Beitragskategorien aufgeteilt:

  1. Kulturlandschaftsbeiträge
  2. Versorgungssicherheitsbeiträge
  3. Biodiversitätsbeiträge
  4. Landschaftsqualitätsbeiträge
  5. Produktionssystembeiträge
  6. Ressourceneffizienzbeiträge
  7. Übergangsbeiträge

Abbildung 5

Direktzahlungen 2017, nach Beitragsart, in Millionen Franken

Direktzahlungen 2017

Versorgungssicherheitsbeiträge machten 2017 mit knapp 40 Prozent den grössten Anteil der Direktzahlungen aus (Abbildung 6). Etwas weniger als 20 Prozent kamen Kulturlandschaftsbeiträgen zugute, rund 15 Prozent wurden für Produktionssystembeiträge ausgegeben, für Biodiversitätsbeiträge 15 Prozent, für Landschaftsqualitätsbeiträge fünf Prozent, für Übergangsbeiträge fünf Prozent und für Ressourceneffizienzbeiträge (inkl. Gewässerschutz- und Ressourcenprogramme) zwei Prozent. Die einzelnen Beiträge werden im Folgenden kurz erläutert.

Mit Kulturlandschaftsbeiträgen wird die Offenhaltung der Kulturlandschaft gefördert und eine möglichst flächendeckende Bewirtschaftung der land- und alpwirtschaftlichen Flächen sichergestellt. Ziel ist es insbesondere, die zunehmende Verwaldung von Alpwiesen aufzuhalten. Kulturlandschaftsbeiträge lassen sich unterteilen in Offenhaltungsbeiträge (27 Prozent), Sömmerungsbeiträge (24 Prozent), Alpungsbeiträge (21 Prozent), Hangbeiträge (24 Prozent), Hangbeiträge für Rebflächen (zwei Prozent) und Steillagenbeiträge (zwei Prozent).

Mit Versorgungssicherheitsbeiträgen soll die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichergestellt werden. Sie bestehen aus drei Teilen und werden pro Hektare ausbezahlt:

  • Mit dem Basisbeitrag von 900 Franken pro Hektare soll die Grundversorgung gesichert werden, indem die Produktionskapazitäten in der Talzone erhalten bleiben und die Intensität der Bewirtschaftung optimiert wird. Dabei muss bei Dauergrünflächen ein Mindesttierbesatz erreicht werden, ansonsten wird der Beitrag gekürzt. Für Biodiversitätsförderflächen auf Grünland werden nur 450 Franken pro Hektare entrichtet und bei Betrieben mit mehr als 60 Hektaren wird der Betrag gekürzt. -
  • Offene Ackerflächen und Dauerkulturen (wie zum Beispiel Reben oder Obst) werden mit zusätzlichen 400 Franken pro Hektare stärker gefördert. -
  • Zusätzlich werden über den Produktionserschwernisbeitrag auch die erschwerten Produktionsbedingungen in der Berg- und Hügelregion ausgeglichen (je nach Region zwischen 240 und 360 Franken pro Hektare).

Drei Viertel der gesamten Versorgungssicherheitsbeiträge machen die Basisbeiträge aus. 15 Prozent entfallen auf die Produktionserschwernisbeiträge und der Rest auf die Beiträge für offene Ackerflächen und Dauerkulturen.

Mit den Biodiversitätsbeiträgen sollen der Erhalt und die Förderung der natürlichen Arten- und Lebensraumvielfalt sowie die Vernetzung von Biodiversitätsförderflächen gefördert werden. Die Biodiversitätsbeiträge lassen sich einerseits in Qualitätsbeiträge (Qualitätsstufe I und II) und andererseits in Vernetzungsbeiträge unterscheiden.

Mit den Landschaftsqualitätsbeiträgen soll die landschaftliche Vielfalt der Schweiz gefördert werden. Das Ziel ist insbesondere die Erhaltung, Förderung und Weiterentwicklung attraktiver Landschaften, die auch als Naherholungsgebiete für die Bevölkerung und aus touristischer Sicht eine grosse Bedeutung haben. Die Gelder werden hierzu auf Projektbasis ausgesprochen. Die Kantone erarbeiten in Zusammenarbeit mit dem Bund Massnahmenkonzepte und berücksichtigen dabei regionale Bedürfnisse. 90 Prozent der Beiträge werden vom Bund übernommen.

Mit Produktionssystembeiträgen werden gewisse Formen der Produktion unterstützt. Einerseits wird auf gesamtbetrieblicher Ebene die Bioproduktion unterstützt. Ein biologisch ausgerichteter Betrieb erhielt 2016 durchschnittlich 7225 Franken. Zu den vier auf teilbetrieblicher Ebene unterstützten Produktionsformen gehören die extensive Produktion von Getreide, Sonnenblumen, Eiweisserbsen, Ackerbohnen und Raps (Extenso), die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF) und die Beiträge für das Tierwohl (Stallsysteme und Auslauf). Letzteres wird zusätzlich unterteilt in Beiträge für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS) und den regelmässigen Auslauf im Freien (RAUS).

Die Ressourceneffizienzbeiträge bezwecken die Verbesserung der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Steigerung der Effizienz beim Einsatz von Produktionsmitteln. Mit diesem Beitrag werden Techniken mit ausgewiesener Wirkung gefördert. Ziel ist, dass möglichst viele Landwirte ressourceneffizient arbeiten. Dazu wurden spezifische Massnahmen definiert, die unterstützt werden. Die Beiträge sind befristet und die ersten laufen 2019 aus. Es werden aber laufend neue förderungswürdige Massnahmen aufgenommen.

Mit den Übergangsbeiträgen soll der Übergang in die Agrarpolitik der Jahre 2014 bis 2017 (AP 14–17) sozialverträglich gestaltet werden. Sie dienen dazu, die Lücke zu decken, die am Anfang entstand, weil gewisse Direktzahlungen neu an die Beteiligung an Programmen, wie zum Beispiel dem RAUS-Programm, gekoppelt sind. Dementsprechend fielen die Direktzahlungen mit der Einführung der AP 14–17 ohne betriebliche Gegenmassnahmen auf den Bauernhöfen tiefer aus. Je mehr Betriebe sich nun an den freiwilligen Programmen beteiligen und damit wieder mehr Direktzahlungen erhalten, desto kleiner wird der Übergangsbeitrag. Ab 2021 soll dieser ganz wegfallen.

Produktions- und Absatzförderung

Zusätzlich zu den Direktzahlungen unterstützt der Bund die Produktion und den Absatz landwirtschaftlicher Produkte mit Finanzhilfen und er leistet befristete Unterstützung an Exportinitiativen, die der Marktabklärung oder der Erschliessung neuer Märkte im Ausland dienen. Diese Aufwände betragen insgesamt rund 434 Millionen Franken jährlich.

Ein Beispiel für Produktionsförderung ist die sogenannte Verkäsungszulage. 2017 zahlte der Bund 15 Rappen pro Kilogramm verkäste Milch und eine Zulage für die Fütterung ohne Silage von drei Rappen pro Kilogramm Milch. Insgesamt wurden so 293 Millionen Franken entrichtet. Weitere 2,5 Millionen Franken setzte der Bund für die Administration der Milchdaten und die Informatikmittel ein.

93 Millionen Franken wurden für Massnahmen in der Viehwirtschaft ausgegeben. Diese beinhalten Entsorgungsbeiträge für tierische Nebenprodukte, Tierzuchtförderung, Inlandbeihilfen für Schlachttiere und Fleisch, Infrastrukturbeiträge für Berggebiete, Beiträge für Schafwolle und einen Beitrag für die Leistungsvereinbarung mit Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Ebenso wird die inländische Eierproduktion von den Auswirkungen der zyklischen Nachfrage durch Beiträge des Bundes entlastet.

Für den Pflanzenbau wurden im selben Jahr rund 65 Millionen Franken ausgerichtet. Mit 95 Prozent ging der grösste Anteil an die Förderung von Einzelkulturen. Der Rest verteilte sich auf die Verwertung und Verarbeitung von Obst (vier Prozent) und auf Fördermassnahmen für den Weinbau.

Rund 63 Millionen Franken wurden schliesslich für die Qualitäts- und Absatzförderung eingesetzt. Allein die Hälfte davon wurde für Milchprodukte verwendet und knapp zehn Prozent für Fleisch. In der Absatzförderung kann der Bund Marketing- und Kommunikationsmassnahmen mit bis zu 50 Prozent der anrechenbaren Kosten unterstützen.

Strukturverbesserung und soziale Massnahmen

Schliesslich wird die Landwirtschaft durch Beiträge zur Strukturverbesserung und für soziale Massnahmen unterstützt. 2017 wurden für Bodenverbesserungen und landwirtschaftliche Hochbauten Beiträge im Umfang etwa 80 Millionen Franken ausbezahlt.

Zudem gewährten die Kantone Investitionskredite im Umfang von 280 Millionen Franken. Der Grossteil davon entfiel auf einzelbetriebliche Massnahmen wie Starthilfe, Diversifizierung und den Neu- oder Umbau von landwirtschaftlichen Wohn- und Ökonomiegebäuden.

Die sozialen Massnahmen betreffen einerseits Betriebshilfedarlehen und andererseits Umschulungsbeihilfen. Für Letztere wurden 2017 lediglich 41’200 Franken bezahlt. Betriebsdarlehen zur Überbrückung einer vorübergehenden, unverschuldeten finanziellen Notsituation wurden 2017 im Umfang von 23 Millionen Franken gesprochen.

Abschaffung «Schoggi-Gesetz» und dessen Umwandlung

Mit dem «Schoggi-Gesetz» entschädigt der Bund Nahrungsmittelexporteure dafür, dass sie Rohstoffe wie Milch und Weizen im geschützten Schweizer Agrarmarkt zu deutlich überhöhten Preisen beziehen müssen. Gemäss Beschluss der WTO-Ministerkonferenz in Nairobi müssen Exportsubventionen für verarbeitete Agrarprodukte bis Ende 2020 abgeschafft werden. Betroffen von diesem Verbot sind auch die Schweizer Ausfuhrbeiträge nach dem Bundesgesetz über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten. Die Exportsubventionen werden per 1. Januar 2019 abgeschafft. Ersetzt werden sie mit einer WTO-konformen Lösung: Neu entrichtet der Bund ab diesem Jahr rund 95 Millionen Franken direkt an Milchproduzenten und Getreidebauern in Form einer Zulage. Im Fall von Milch sind es 4,5 Rappen pro Kilogramm. Die Zulage wird dann von der Milchgeld-Abrechnung abgezogen, den die Produzenten den Verarbeitern zahlen. So kommt das Geld zum grössten Teil den Schokoladenproduzenten zugute. 

Rüebli

Wie funktioniert der Grenzschutz?

Der Grenzschutz im Agrarbereich basiert auf zwei Pfeilern: Zölle und Kontingente. Zölle müssen an der Grenze bezahlt werden. Damit erhöht sich der Preis der eingeführten Ware. Kontingente hingegen sind eine quantitative Beschränkung: Es wird nur eine gewisse Importmenge zugelassen. Innerhalb dieses Kontingents muss der Importeur keinen oder nur einen tieferen Zollsatz bezahlen. Ausserhalb des Kontingents gelten dann deutlich höhere Zollsätze. Kontingente und Zölle bezwecken beide, dass inländische Produkte vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden.

Zollsätze

Der Einfuhrzoll auf Agrarprodukte betrug im Jahr 2017 durchschnittlich 35,2 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich ein sehr hoher Zollsatz; nur Ägypten, Südkorea, die Türkei, Bhutan und Norwegen erheben höhere Zölle auf Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. In der EU liegt der durchschnittliche Zollsatz für Agrarprodukte bei 10,8 und in den USA bei 5,3 Prozent.

Abbildung 6

Durchschnittliche Zölle auf den Import von Agrarprodukten, 2017

Durchschnittliche Zölle auf den Import von Agrarprodukten, 2017

Die höchsten durchschnittlichen effektiv angewandten Zölle werden mit 154,4 Prozent auf Milchprodukte erhoben, gefolgt von tierischen Produkten mit 113,5 Prozent (). Die Maximalansätze sind teilweise extrem hoch. So liegt der maximale Zoll für gewisse tierische Produkte bei über 1800 Prozent. Die Absicht solch hoher Zölle ist es, Importe komplett zu verhindern. Dementsprechend kommen sie gar nie zur Anwendung. Deshalb zeigt der durchschnittliche Zolltarif in Tabelle 1 und in Abbildung 5 jeweils nicht das gesamte Ausmass des Grenzschutzes, da dort nur die Zolltarife von Gütern miteinberechnet werden, die auch tatsächlich importiert werden.

Die Höhe der Zolltarife hängt in der Schweiz davon ab, ob das importierte Produkt inländische Produkte konkurrenziert. Ist das der Fall, dann gelten hohe Zölle, während Importe, die nicht oder kaum in der Schweiz produziert werden, meistens nur sehr niedrige Zolltarife haben. Daher weisen Produkte wie Baumwolle, Fisch und Fischprodukte Zolltarife von unter einem Prozent aus.

Tabelle 1

Durchschnittlicher Zolltarif (MFN applied AVG), Anteil zollfrei und Maximalsätze

Durchschnittlicher Zolltarif (MFN applied AVG), Anteil zollfrei und Maximalsätze

Zollkategorien

Die in der Schweiz angewandten Zölle lassen sich in drei Unterkategorien aufteilen: anpassungsfähige Zölle, saisonale Zölle und Zölle auf verarbeitete .

Anpassungsfähige Zölle dienen dazu, den Preis eines importierten Gutes zu fixieren. Fällt der Preis des Importprodukts, dann erhöht sich der Zollsatz, damit das Produkt im Inland gleich teuer bleibt. Damit anpassungsfähige Zölle auf Importprodukte berechnet werden können, wird zunächst ein Importrichtpreis ermittelt. Dieser Richtpreis entspricht jenem Preis, der das importierte Produkt letztlich kosten soll. Der anpassungsfähige Zoll wird dann so hoch angesetzt, dass der angestrebte Preis erreicht wird, das heisst, er entspricht der Differenz zwischen Richtpreis und . Der Zolltarif wird in der Regel monatlich überprüft und angepasst.

Saisonale Tarife werden bei Agrarprodukten folgender Kategorien angewendet: frische Früchte, Gemüse und Schnittblumen. Sie kommen in Kombination mit Kontingenten zur Anwendung. Es gibt zwei Zollsätze: den Innerkontingenttarif und den Ausserkontingenttarif. Im ersten Fall finden die Importe innerhalb der festgelegten Kontingentierung statt und es kommt ein reduzierter Zolltarif zur Anwendung. Sind die Kontingente jedoch ausgeschöpft, werden den Importen zumeist prohibitiv hohe Ausserkontingenttarife auferlegt. So beträgt zum Beispiel der durchschnittliche Innerkontingenttarif für Milchprodukte 10,2 Prozent, der durchschnittliche Ausserkontingenttarif hingegen weit über 100 Prozent. Die genauen Tarife hängen von den einzelnen Subprodukten und deren Kontingentierung ab.

Die unterschiedlichen Zolltarife und Kontingente werden in Abhängigkeit von der aktuellen Marktsituation angewendet:

  • Ausserhalb der Erntesaison werden keine Kontingentsbeschränkungen angewendet. Der Import kann in dieser Zeit unbeschränkt zum reduzierten Innerkontingenttarif stattfinden.
  • Während der Saison werden keine Kontingente zugelassen, solange die inländische Ernte die Nachfrage in der Schweiz decken kann. Importe sind in dieser Phase nur zum höheren Ausserkontingenttarif möglich.
  • Falls während der Saison die inländische Produktion die Nachfrage nicht decken kann, werden Kontingente freigegeben. Die Ware innerhalb dieser Kontingente kann zum tieferen Innerkontingenttarif importiert werden.

Ein Spezialfall betrifft Händler, welche die Ware ausserhalb der Saison importiert und gelagert haben und nun während der Saison auf den Markt bringen. Sie müssen die Zolldifferenz nachbezahlen oder die Ware ihren Kontingenten anrechnen lassen.

Auch Importe von verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten werden durch Zölle verteuert. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits soll verhindert werden, dass der Grenzschutz für Agrarrohstoffe durch den verstärkten Import von verarbeiteten Agrarprodukten unterlaufen wird (Agrarschutzelement). Andererseits soll das agrarpolitisch bedingte Rohstoffpreishandicap der Schweizer Lebensmittelindustrie im Inlandmarkt ausgeglichen werden (Industrieschutzelement). Dieser Zoll schützt daher auch die Verarbeitung in der Schweiz. Er setzt sich aus zwei Elementen zusammen: einem variablen und einem fixen Teilbetrag. Das variable Element ist das sogenannte Agrarschutzelement und schützt die Landwirtschaft, indem es die Preisunterschiede der Grundstoffe zwischen der Schweiz und der EU bzw. der übrigen Welt berücksichtigt. Fix ist hingegen das sogenannte Industrieschutzelement – das heisst, es schützt die einheimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz. So kann zum Beispiel ungerösteter Kaffee zollfrei in die Schweiz importiert werden, während gerösteter Kaffee meistens mit einem Zoll belegt wird. Damit ist es für einen Agrarrohstoffproduzenten im Ausland unattraktiv, den Rohstoff selbst zu verarbeiten. Beim Import von Schokolade oder von Biskuits aus EU-Staaten kommt hingegen ausschliesslich das Agrarschutzelement zum Tragen, während kein Industrieschutz besteht. Gegenüber Drittstaaten, mit denen kein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde, macht bei den verarbeiteten Lebensmitteln das Agrarschutzelement ein Vielfaches des noch bestehenden Industrieschutzelements aus.

Erleichterungen für die Lebensmittelindustrie beim Warenverkehr

Wird eine Ware in einem anderen Land veredelt und passiert dann erneut die Grenze, spricht man von passiver bzw. aktiver Veredelung. Hier gelten andere Zollansätze im Vergleich zum reinen Export oder Import.

Beim passiven Veredelungsverkehr werden Produkte zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung vorübergehend ins Ausland ausgeführt und dann wieder eingeführt. In diesem Fall kann das veredelte Produkt unter Bewilligung zollfrei oder zollermässigt wiedereingeführt werden. Beim aktiven Veredelungsverkehr werden Produkte vorübergehend zur Bearbeitung, Veredelung oder Ausbesserung in die Schweiz eingeführt, um dann wieder ins Ausland ausgeführt zu werden. Die Waren können zollbefreit oder mit Anrecht auf Zollrückerstattung vorübergehend eingeführt werden. Auch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ist möglich. Diese Erleichterungen dienen unter anderem als Ausgleich zum Grenzschutz bei Agrarrohstoffen.

Rüebli

Wer profitiert vom Grenzschutz? Und wer verliert?

Die OECD zeigt in ihrer Analyse zur Agrarpolitik in der Schweiz, dass der Grenzschutz den Bauern kaum hilft. Durch den Grenzschutz entsteht eine Produzentenrente von durchschnittlich 3,3 Milliarden Franken pro Jahr. Dass heisst, die Konsumenten in der Schweiz zahlen diesen Aufpreis im Vergleich zu den ausländischen Preisen. Jedoch profitieren die Bauern nur im Umfang von rund einem Viertel von diesem «Gewinn». Der Rest geht in Form von Renten an vor- und nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette, wie zum Beispiel den Handel. Folglich ist der Grenzschutz fürdie Unterstützung der Bauern ein hoch ineffektives Instrument mit letztlich sehr hohen Streuverlusten

Wie die OECD-Studie weiter zeigt, verursacht der Grenzschutz hohe Kosten. Sichtbarste Auswirkung der abschottenden Landwirtschaftspolitik sind die hohen Konsumenten- und Produzentenpreise. Insbesondere bei stark geschützten Produkten ist die Preisdifferenz zwischen In- und Ausland sehr gross. So müssen Schweizer Konsumenten für Fleisch 2,5-mal so viel berappen wie EU-Bürger. Mehrere Studien sowie auch Berechnungen des Bundesrats zeigen auf, dass bei einer Liberalisierung die Gewinne der Konsumenten deutlich höher sind als die Verluste der Produzenten. Wie Chavaz & Pidoux nachweisen, führt der Grenzschutz nicht nur bei Produkten, die in der Schweiz produziert werden, zu höheren Preisen. Denn auch auf 300 exotische und tropische Produkte werden Zölle erhoben, was bei den Schweizer Konsumenten mit bis zu

Die OECD-Studie zeigt zudem auf, dass diverse Branchen entlang der Wertschöpfungskette von einer Liberalisierung profitieren würden. Denn das heutige Regime führt zu hohen Preisen bei Vorleistungen und Zwischenprodukten. Von einer Senkung der Produzentenpreise würde beispielsweise die Lebensmittelindustrie profitieren, die dank günstigeren Vorleistungen konkurrenzfähiger würde.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass sich die Schweizer Lebensmittelindustrie vor allem dort wettbewerbsfähig zeigt, wo sie die Vorleistungen zu Weltmarktpreisen aus dem Ausland beziehen kann, wie zum Beispiel bei Schokolade und Kaffee. 72 Prozent aller Lebensmittelexporte fallen in die Kategorie «andere Lebensmittel und Getränke». In übermässig geschützten Bereichen ist die Schweiz hingegen kaum wettbewerbsfähig. Auch die Tourismusbranche würde bei einer Öffnung der Agrarmärkte wieder wettbewerbsfähiger werden

Der Agrarprotektionismus führt gemäss OECD zum Erhalt überholter Strukturen. Andere Branchen wie zum Beispiel die Maschinenindustrie agieren im weltweiten Wettbewerb und müssen wegen der internationalen Konkurrenz laufend ihre Ressourcen optimieren, Strukturen anpassen und innovativ sein. Demgegenüber wird der Agrarsektor stark vor ausländischer Konkurrenz abgeschirmt. Dies bremst die Innovationsfähigkeit des ganzen ersten Sektors und bindet Ressourcen in eher unproduktiven Bereichen, die ohne Grenzschutz nicht überlebensfähig wären.

Simulationen der OECD zeigen auf, dass es bei einer vollkommenen Liberalisierung im Landwirtschaftssektor Gewinner und . So würde der Sektor in den heute stark geschützten Bereichen weniger produzieren. Doch dafür würde sich die Produktion in die heute wenig geschützten Bereiche verlagern, und es würde in einigen Bereichen sogar mehr produziert. Es gäbe eine generelle Verschiebung der Ressourcen von den Bereichen, die weniger wettbewerbsfähig sind, in jene Bereiche, die eher einen komparativen Vorteil aufweisen. Die OECD-Studie zeigt beispielsweise auch auf, dass die Schweiz bei Milch und bei einer allfälligen Liberalisierung mit der EU konkurrenzieren könnte und exportorientierter produzieren würde. Von einer Liberalisierung würden demnach auch die Milchproduzenten profitieren.

Das einzige Ziel der Agrarpolitik, das mit dem Grenzschutz erreicht wird, ist die Erhaltung des heutigen Produktionsniveaus. Eine kürzlich vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Auftrag gegebene kommt zum Schluss, dass bei einer vollständigen Liberalisierung die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz um 8 bis 15 Prozent zurückgehen würde, je nachdem wie stark die Konsumenten Schweizer Produkte bevorzugen würden, wenn sie die freie Wahl hätten. Demnach sichern Zölle und Kontingente eine etwas höhere inländische Produktion. Doch die Schweizer Bauern würden bei einer Abschaffung des Grenzschutzes immer noch 85 bis 92 Prozent ihrer Produktion aufrechterhalten. Auch eine Studie von kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Rüebli

Gibt es erfolgreiche Beispiele für Grenzöffnungen?

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Liberalisierung in der Schweiz ist der Käsemarkt. Seit 2007 ist dieser zwischen der Schweiz und der Europäischen Union vollständig liberalisiert. Vorher hatten die Milchproduzenten eine fünfjährige Übergangszeit, in der sie nötige Anpassungen durchführen konnten. Wider Erwarten der Skeptiker kam es nicht zu einer drastischen Reduktion der Käseproduktion in der Schweiz. Ganz im Gegenteil: Zwischen 2007 und 2017 stieg diese um sieben Prozent. Im selben Zeitraum konnten die Exporte einen Anstieg von 21 Prozent verbuchen, während die Importe um 62 Prozent .

Seit der Einführung des Käsefreihandels mit der EU exportiert die Schweiz tendenziell teureren Käse in die EU und importiert wiederum eher günstigere Produkte. Zweifelsohne führte die Liberalisierung auch zu einer Strukturbereinigung. Wie eine Untersuchung von BAK Basel (2012) aufzeigte, wurden die Schweizer Käser durch die Liberalisierung wettbewerbsfähiger. Die Konsumenten profitieren von einer gestiegenen Auswahl und tendenziell sinkenden Preisen, und die Produzenten profitieren dank dem Export von teurem Käse und gestiegener Konkurrenzfähigkeit. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass der Käsekonsum in der Schweiz pro Kopf seit 2007 tendenziell zugenommen . Auch der in der Schweiz seit 2001 liberalisierte Weinmarkt beweist, dass eine Marktöffnung zu wesentlichen Qualitätsverbesserungen führt und die Produzenten stark profitieren.

Das Beispiel Österreich zeigt, dass eine Öffnung des Agrarsektors die Strukturen nicht vollständig umkrempelt. Vor der Liberalisierung galt der Agrarmarkt in Österreich als kaum wettbewerbsfähig. Die Strukturen waren überholt und die Preise wegen fehlendem Konkurrenzdruck aus dem Ausland hoch. Wie heute in der Schweiz waren in Österreich die Lebensmittel für Konsumenten deutlich teurer als im EU-Schnitt. Zudem war auch in Österreich die Landwirtschaft von vielen kleinen Betrieben geprägt, von denen mehr als die Hälfte in topografisch benachteiligten Gebieten – in der Regel in Hügel- oder Berggebieten – angesiedelt war.

Österreich musste 1995 im Zuge des EU-Beitritts seinen Landwirtschaftssektor liberalisieren. Die Folgen dieses Schritts werden je nach Autor als positiv oder negativ für die Landwirtschaft dargestellt. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass trotz Liberalisierung sich heute nach wie vor neun von zehn Betrieben in Familienbesitz befinden, ähnlich wie in der Schweiz. Die durchschnittliche Betriebsgrösse ist in Österreich seit der Öffnung klar gestiegen. Vor der Schweiz machte der Strukturwandel – trotz Grenzschutz – aber ebenso wenig halt. Auch hierzulande ging die Anzahl der Bauernhöfe deutlich zurück, während die durchschnittliche Nutzfläche pro Betrieb anstieg. Heute liegt diese in Österreich nach immerhin 20 Jahren Freihandel mit der EU auf demselben Niveau wie in der Schweiz. Auch der Anteil der Subventionen am Einkommen liegt in Österreich deswegen nicht höher. 2017 betrug dieser in der Schweiz 63,1 Prozent, während in Österreich die Subventionen 54,5 Prozent ausmachten. Doch im Gegensatz zur Schweiz hat sich die österreichische Landwirtschaft seit der Marktöffnung eine respektable Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet. Die Exporte haben sich in den letzten 20 Jahren nominal verfünffacht. Auch der Eintritt von Slowenien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn im Rahmen der Osterweiterungen konnte der österreichischen Landwirtschaft nichts anhaben. Die Öffnung der Märkte innerhalb der EU ermöglichte es den Landwirten in Österreich, sich auf die jeweiligen Stärken zu konzentrieren, innovativ zu werden und einen Mehrwert für die Konsumenten zu bieten. Sie üben weiterhin einen attraktiven Beruf in vorwiegend kleinräumigen Strukturen aus.

Rüebli

Welche weiteren Privilegien geniessen die Bauern?

Neben dem hohen Grenzschutz und Subventionen geniessen Schweizer Landwirtschaftsbetriebe zahlreiche weitere Privilegien, die den anderen Wirtschaftssektoren unbekannt sind. Nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern auch auf persönlicher Ebene haben die Bauern gegenüber der restlichen Wohnbevölkerung oder den gewerblichen KMU diverse Sonderrechte.

Landwirtschaftliche Fahrzeuge (grüne Kontrollschilder) sind von der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ausgenommen, bei der Motorfahrzeugsteuer gilt ein reduzierter Satz, und die Landwirte können sich die Mineralölsteuer rückvergüten lassen. Zusätzlich müssen sich Landwirte bei Fahrten mit Aushub- und Baumaterial sowie bei gewerblichen Holztransporten nicht an die gesetzlichen Ruhezeiten halten.

Familienzulagen, die normalerweise vom Arbeitgeber bezahlt werden, übernimmt in der Landwirtschaft die öffentliche Hand. Landwirtschaftsbetriebe sind auch von der BVG-Pflicht (berufliche Vorsorge) für Familienangehörige, die im Betrieb arbeiten, ausgenommen. Zusätzlich gelten Ausnahmen vom Arbeitsgesetz, beispielsweise bei der zulässigen Höchstarbeitszeit. Landwirtschaftliche Betriebe sind für den Verkauf eigener Erzeugnisse gänzlich von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen. Zudem gilt bei gewissen Einfuhren von Waren und Tieren ein reduzierter Mehrwertsteuersatz. Auch können landwirtschaftliche Betriebe nicht auf Konkurs betrieben werden. Der Konkurs geht nur auf Pfändung, wobei lediglich Inventar, welches nicht betriebsnotwendig ist, verpfändet werden kann.

Im Gegensatz zum Gewerbe haben Landwirte vereinfachten Zugang zu zinslosen Investitionskrediten, mit denen der Bund Strukturverbesserungen und gemeinschaftliche Massnahmen unterstützt. Zusätzlich können Bauern Betriebshilfen in Form von zinslosen Darlehen beziehen. Nur Bauern dürfen in der günstigen Landwirtschaftszone bis zu drei Wohnungen bauen. Die Landwirte sind dabei auch steuerlich privilegiert: Das Wohneigentum wird im Vergleich zur normalen Bevölkerung mit einem sehr viel tieferen Eigenmietwert bewertet. Für die Vermögenssteuer wird lediglich der Ertragswert der landwirtschaftlichen Liegenschaften eingesetzt und nicht wie beim Gewerbe eine Mischung zwischen Ertrags- und Verkehrswert.

Landwirte dürfen mit gewissen Einschränkungen auch gewerbliche Betriebe wie Restauration und Beherbergung auf ihren Höfen anbieten, wobei sie häufig weniger strengen Anforderungen als das Gewerbe genügen müssen. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass Bauernfamilien einfacher in den Genuss von Stipendien gelangen. Und schliesslich gehört zu dieser nicht abschliessenden Auflistung auch die Privilegierung aufgrund des bäuerlichen Boden- und Pachtrechts. Im Rahmen einer Erbteilung müssen sich Landwirte für Haus und Hof nicht den Verkehrswert anrechnen lassen, sondern können diese zum landwirtschaftlichen Ertragswert übernehmen.

Rüebli

Weshalb ist es für Quereinsteiger schwierig, einen Hof zu erwerben?

Der Handel mit Grund und Boden ist bei landwirtschaftlichen Grundstücken sehr vielen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkungen sind fast ausschliesslich im Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) geregelt. Das BGBB, welches am 1. Januar 1994 in Kraft trat und seither mehrmals revidiert worden ist, regelt den Rechtsverkehr mit landwirtschaftlichem Boden durch Bestimmungen über den Erwerb, die Teilung und Verpfändung.

Durch das BGBB verstärkte sich die Tendenz der sinkenden Preise. Für die Bauern ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits profitieren sie von den tieferen Preisen bei Landkäufen, andererseits möchten wegen der tiefen Preise nur wenige Bauern ihr Land verkaufen. Dies erschwert es auch jungen Bauern, einen familienfremden Betrieb zu kaufen. Für Quereinsteiger ist dies noch schwieriger. Einerseits muss das gekaufte Land selbst bewirtschaftet werden, andererseits sind mit dem BGBB die Anforderungen an die landwirtschaftliche Ausbildung eines Käufers deutlich gestiegen. Ein Nichtbauer kann also grundsätzlich kein landwirtschaftliches Grundstück erwerben. Diese Regelungen verunmöglichen zum Beispiel, dass Nichtlandwirte auf Landwirtschaftsland Spezialkulturen wie etwa Erdbeeren, Kräuter, Gojibeeren oder Hopfen produzieren können.

Das Hauptziel des BGBB ist eigentlich nicht das Erschweren von Quereinstiegen. Durch die im Gesetz vorgeschriebenen Einschränkungen sollen folgende Ziele erreicht werden (Art. 1 Abs. 1):

  • Förderung, Erhalt und Strukturverbesserung von bäuerlichem Grundeigentum sowie von Familienbetrieben als Grundlage eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen, auf eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung ausgerichteten Landwirtschaft.
  • Stärkung des Selbstbewirtschafters einschliesslich diejenige des Pächters beim Erwerb landwirtschaftlicher Gewerbe und Grundstücke.
  • Vermeidung von übersetzten Preisen für landwirtschaftlichen Boden.

Das Herzstück des BGBB sind die Verordnungen bezüglich Realteilung und Zerstückelung. Das Realteilungsverbot bezieht sich auf Veräusserungen von landwirtschaftlichem Gewerbe. Es verhindert, dass einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile vom landwirtschaftlichen Gewerbe abgetrennt werden. Auch das Zerstückelungsverbot geht in dieselbe Richtung: Es bezweckt, dass bei einer Handänderung einzelne landwirtschaftliche Grundstücke nicht zu stark zerstückelt werden, da sie dann nicht mehr kostengünstig zu bewirtschaften wären.

Für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Grundstückes braucht es grundsätzlich eine Bewilligung. Ausnahmen sind der Erwerb durch Erbgang, der Erwerb durch Nachkommen, Ehegatten, Eltern, Geschwister und Geschwisterkinder sowie der Erwerb durch einen Mit- oder Gesamteigentümer. Zudem gilt das Gesetz nicht für Grundstücke unter 25 Aren und für Rebland unter 15 Aren. Die Kantone besitzen bei der Umsetzung gewisse Freiräume.

Nicht bewilligt wird ein Kauf laut BGBB, wenn der Erwerber nicht Selbstbewirtschafter ist oder ein übersetzter Preis vereinbart wurde. Der Erwerbspreis gilt als übersetzt, wenn er die Preise für vergleichbare landwirtschaftliche Gewerbe oder Grundstücke in der betreffenden Gegend im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als fünf Prozent übersteigt. Gemäss Artikel 9 BGBB gilt als Selbstbewirtschafter, wer das landwirtschaftliche Grundstück selbst bearbeitet oder das Gewerbe persönlich leitet.

Rüebli

Wie stark ist die Stützung der Schweizer Landwirtschaft im internationalen Vergleich?

Im internationalen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit der stärksten Stützung des Landwirtschaftssektors. Dies zeigt der Ländervergleich der OECD, der ein Mass für die gesamte Unterstützung der Produzenten (Producer Support Estimate, PSE) ausweist. Dabei werden sowohl die Budgettransfers (Subventionen usw.), die entgangenen Einnahmen des Staates wegen gewährter Privilegien sowie Marktpreistransfers (wie höhere Preise wegen des Grenzschutzes) berücksichtigt.

Gemäss Abbildung 8 liegt die Schweiz beim PSE an zweiter Stelle, nur Norwegen stützt seine Landwirtschaft noch stärker. Transfers von Konsumenten und Steuerzahlern zu den Bauern machen demnach in der Schweiz rund 60 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Einnahmen aus. 2016 waren es 7,3 Milliarden US-Dollar.

Abbildung 8

Producer Support Estimate (PSE) über verschiedene Länder

Gesamtunterstützung der Produzenten (PSE) über verschiedene Länder

Interessant ist auch die Unterteilung der Agrarstützungen in handels- und produktionsverzerrende Stützungen und restliche Stützungen. In der Schweiz zählen zu den handels- und produktionsverzerrenden Stützungen neben dem Zoll- und Kontingentsystem vor allem Elemente der Produktions- und Absatzförderung. So zeigt Abbildung 8, dass etwas mehr als die Hälfte des PSE durch marktverzerrende Stützungen zustande kommt.

Newsletter abonnieren

Jetzt hier zum Newsletter eintragen. Wenn Sie sich dafür anmelden, erhalten Sie ab nächster Woche alle aktuellen Informationen über die Wirtschaftspolitik sowie die Aktivitäten unseres Verbandes.

E-Mail-Adresse
Agrarpolitik einfach erklärt | economiesuisse | economiesuisse