
Auf einen Blick
Die Schweizer Landwirtschaftspolitik ist häufig Gegenstand emotionaler politischer Debatten. Die nüchternen Fakten geraten darob nicht selten unter die Räder. Anhand von zehn Fragen gibt das vorliegende Dossier einen Überblick über alle relevanten Eckpunkte: die Struktur des ersten Sektors, Direktzahlungen und Subventionen, Agrarzölle und andere Grenzschutzmassnahmen sowie den Vergleich mit dem Ausland.
Das Wichtigste in Kürze
Die Agrarpolitik der Schweiz entwickelt sich laufend weiter und ist immer wieder Gegenstand von hitzigen Debatten. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ist daran, die Grundlagen für die nächste Agrarpolitik bis 2030 (AP30+) auszuarbeiten. In diesen Debatten sind Fakten wichtig. Daher wird in diesem dossierpolitik genauer hingeschaut, wie die Schweizer Agrarpolitik heute grundsätzlich funktioniert.
In dieser komplexen Thematik ist es manchmal schwierig, vor lauter Bäumen den Wald zu sehen. Im Dschungel der vielen Instrumente zum Schutz und zur Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, der komplizierten Finanzierungssysteme, der vielen Gesetze, Verordnungen und bürokratischen Prozesse geht der Überblick schnell verloren. Dieses Dossier versucht eine verständliche Übersicht über die aktuelle Agrarpolitik zu geben.
Position economiesuisse
economiesuisse ist an einer offenen und transparenten Debatte über die künftige Agrarpolitik interessiert. Der erste Sektor hat die Schweiz stark geprägt und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Rahmenbedingungen aber verändern sich – deshalb ist es wichtig, im Kontext der AP30+ eine vertiefte Diskussion über Ziele und Mittel der Schweizer Agrarpolitik zu führen. Dieses Dossier soll helfen, die heutige Agrarpolitik in der Schweiz besser zu verstehen.

Einleitung
Über die Schweizer Landwirtschaftspolitik wird immer wieder hitzig debattiert: Soll der Grenzschutz des Agrarsektors reduziert, abgeschafft oder gar erhöht werden? Ist das Agrarbudget des Bundes zu hoch oder zu niedrig? Wofür sollen Subventionen bezahlt werden? Welche Produkte sollen Schweizer Bauern auf welche Art produzieren? Doch vor lauter Bäumen ist es schwierig, den Wald noch zu sehen. Im Dschungel der vielen Instrumente zum Schutz und zur Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, der komplizierten Finanzierungssysteme, der vielen Gesetze, Verordnungen und bürokratischen Prozesse geht der Überblick schnell verloren. Dieses Dossier soll eine verständliche Übersicht über die aktuelle Agrarpolitik geben. Es wird dabei versucht, die Fakten möglichst wertungsfrei darzustellen. Eine Wertung soll im politischen Prozess erfolgen und wird von economiesuisse in anderen Dokumenten vorgenommen.
Anhand von zehn Fragen soll die Schweizer Agrarpolitik erklärt werden. Wie lautet der Auftrag des Bundes an die Schweizer Landwirtschaft? Wie funktionieren und wirken Grenzschutz und Subventionen? Wie stark wird die Schweizer Landwirtschaft im internationalen Vergleich gestützt? Welche weiteren Privilegien geniessen die hiesigen Landwirtschaftsbetriebe? Diese und weitere Fragen werden beantwortet, ohne zu stark ins Detail zu gehen, so dass der Leser sich am Ende ein grobes, aber ganzheitliches Bild der Schweizer Landwirtschaftspolitik machen kann. Wer mehr ins Detail gehen möchte, findet in der Onlineversion dieses Dossiers entsprechende Links.

Wie lautet der Auftrag des Bundes an die Landwirtschaft?
Der Auftrag der Schweizer Landwirtschaft ist in der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) in Art. 104 festgeschrieben. Die Details werden im Landwirtschaftsgesetz und in einer Reihe von Verordnungen geregelt. Das Ziel der Agrarpolitik ist die Förderung einer Landwirtschaft, die nachhaltig und auf den Markt ausgerichtet produziert. Zudem werden von der Landwirtschaft gemeinwirtschaftliche Leistungen erwartet: Sie soll gemäss Art. 104 BV einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit, zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft sowie zur dezentralen Besiedlung des Landes leisten. Zusätzliche Aspekte wie zum Beispiel die Gewährleistung des Tierwohls werden im Landwirtschaftsgesetz (LwG) geregelt. Da die Landwirtschaft mehrere, unterschiedliche Ziele erfüllen muss, wird oft von der multifunktionalen Landwirtschaft gesprochen.
Für die Förderung dieser Aufgaben werden dem Bundesrat in der Verfassung eine Reihe von Befugnissen und Aufgaben gegeben. So kann er die bäuerlichen Einkommen durch Direktzahlungen ergänzen, finanzielle Anreize zur Förderung von besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktion setzen oder die Umwelt vor Beeinträchtigungen durch überhöhten Einsatz von Düngemitteln, Chemikalien und anderen Hilfsstoffen schützen.
Der 2017 eingeführte Verfassungsartikel 104a zur Ernährungssicherheit ändert grundsätzlich nichts an den Zielen der Agrarpolitik. Er präzisiert einzig, dass auch die gesamte ernährungswirtschaftliche Wertschöpfungskette, ein nachhaltig ausgerichteter, grenzüberschreitender Handel und ein ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln seitens der Konsumentinnen und Konsumenten zur Ernährungssicherheit beitragen.

Wie ist die Schweizer Landwirtschaft aufgestellt?
2022 existierten in der Schweiz 48’344 landwirtschaftliche Betriebe. Sie bewirtschaften insgesamt eine Fläche von 1’042’014 Hektaren. Pro Betrieb entspricht dies einer Fläche von rund 21,6 Hektaren, wobei knapp 13’660 Betriebe weniger als 10 Hektaren und rund 3250 Betriebe mehr als 50 Hektaren aufweisen. Rund 44 Prozent aller Betriebe liegen in der Talregion, rund 15 Prozent in der Hügel- und rund 41 Prozent in der Bergregion. Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird grösstenteils als Grünfläche in Form von Wiesen und Weiden bewirtschaftet. Sie machen 58 Prozent der Fläche aus. 38 Prozent sind Ackerflächen, wovon rund 37 Prozent für den Getreidebau verwendet werden. Schweizer Landwirte halten über 1,5 Millionen Rinder, knapp 1,4 Millionen Schweine und etwa 13,2 Millionen Nutzhühner.
Der Anteil der Landwirtschaft an der Schweizer Bruttowertschöpfung betrug 2022 0,6 Prozent. Dabei ist die tierische Produktion mit rund 6 Milliarden Franken bedeutender als die pflanzliche Produktion mit rund 4 Milliarden Franken. Die Land- und Forstwirtschaft beschäftigt 2,3 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz. Dieses Ungleichgewicht zwischen dem Beschäftigungs- und dem Wertschöpfungsanteil schlägt sich in einer vergleichsweise niedrigen Arbeitsproduktivität nieder. Diese beläuft sich auf knapp 47’000 Franken (2021) pro Vollzeitstelle – das entspricht weniger als einem Drittel der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität der Gesamtwirtschaft.
Der Selbstversorgungsgrad betrug 2021 netto 45 Prozent. Das heisst: Die einheimische Agrarproduktion kann etwas weniger als die Hälfte des inländischen Bedarfs abdecken. Die höchste Selbstversorgungsquote weisen mit 107 Prozent die Milchprodukte auf. Der niedrigste Selbstversorgungsgrad liegt mit 23 Prozent bei den pflanzlichen Fetten und Ölen.
Abbildung 1: Kennzahlen der Schweizer Landwirtschaft


Wie hat sich die Landwirtschaft in den letzten 100 Jahren entwickelt?
Die Landwirtschaft hat in den letzten 100 Jahren einen grossen strukturellen Wandel durchgemacht. Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten rund 35 Prozent aller Erwerbstätigen im ersten Sektor, heute sind es noch etwas über zwei Prozent. In derselben Periode nahm der Anteil der Landwirtschaft an der gesamten realen Wertschöpfung der Schweiz von rund 30 Prozent auf unter ein Prozent ab. Dieser Wandel zeigt sich nicht nur in der Schweiz: Weltweit hat der Anteil des ersten Sektors an der Bruttowertschöpfung abgenommen.
Abbildung 2: Anteile der Landwirtschaft an der realen Bruttowertschöpfung und der Beschäftigung im 20. Jahrhundert
Trotz diesem Rückgang ist die landwirtschaftliche Produktion von 1890 bis 1990 sowohl wert- als auch volumenmässig dank starker technologischer Fortschritte stetig gestiegen (siehe Abbildung 3). Die Arbeitsproduktivität hat sich zwischen 1960 und 1990 verdreifacht, während sie in der Gesamtwirtschaft im gleichen Zeitraum nur um 70 Prozent gestiegen ist. Auch ab Mitte der 1990er-Jahre nahm die Arbeitsproduktivität weiter zu: In der Gesamtwirtschaft um rund 35 Prozent, in der Landwirtschaft um etwa 45 Prozent.
Abbildung 3: Produktionswert der Landwirtschaft in Millionen Franken zu laufenden Preisen
Die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe hat sich seit 1985 mehr als halbiert. Der Rückgang war insbesondere rund um die Jahrtausendwende ziemlich stark (siehe Abbildung 4). Danach verlangsamt sich die Entwicklung wieder. 2022 stellten 1,1 Prozent aller Höfe ihren Betrieb ein. Dabei handelt es sich hauptsächlich um kleine und mittlere Bauernhöfe, während die Anzahl Betriebe mit einer Grösse ab 30 Hektaren zunimmt.
Abbildung 4: Entwicklung der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe

Wie wird die Landwirtschaft in der Schweiz subventioniert?
Die Ausgaben des Bundes für Landwirtschaft und Ernährung betrugen 2022 rund 3,7 Milliarden Franken. Seine Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung sind seit der Jahrtausendwende praktisch stabil geblieben. In der Schweizer Landwirtschaft gibt es drei Kategorien von Subventionen:
- Direktzahlungen
- Produktions- und Absatzförderung
- Förderung der Strukturverbesserung und soziale Massnahmen
Direktzahlungen
Den mit Abstand grössten Anteil des Budgets machen die Direktzahlungen aus. Rund 2,8 Milliarden Franken oder 76 Prozent des gesamten Agrarbudgets standen 2022 dafür zur Verfügung. Betriebe, die Direktzahlungen erhalten möchten, müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Direktzahlungsberechtigt sind grundsätzlich nur Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter von bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben. Die Bäuerin oder der Bauer darf grundsätzlich nicht über 65-jährig sein und muss eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert haben. Eine weitere Voraussetzung ist, dass ein Betrieb mindestens 0,2 Standardarbeitskräfte (SAK) aufweist. Pro SAK werden maximal 70’000 Franken Direktzahlungen entrichtet. Zusätzlich müssen mindestens 50 Prozent der auf dem Betrieb anfallenden Arbeiten durch betriebseigene Arbeitskräfte ausgeführt werden. Hinzu kommen spezifische ökologische Auflagen, die unter den Begriff «Ökologischer Leistungsnachweis» (ÖLN) fallen.
Die Direktzahlungen sind in sieben Beitragskategorien aufgeteilt:
- Kulturlandschaftsbeiträge
- Versorgungssicherheitsbeiträge
- Biodiversitätsbeiträge
- Landschaftsqualitätsbeiträge
- Produktionssystembeiträge
- Ressourceneffizienzbeiträge
- Übergangsbeiträge
Abbildung 5: Direktzahlungen 2022, nach Beitragsart, in Millionen Franken
Versorgungssicherheitsbeiträge machten 2022 mit knapp 39 Prozent den grössten Anteil der Direktzahlungen aus (Abbildung 5). Etwas weniger als 19 Prozent kamen Kulturlandschaftsbeiträgen zugute, rund 18 Prozent wurden für Produktionssystembeiträge ausgegeben, für Biodiversitätsbeiträge 16 Prozent, für Landschaftsqualitätsbeiträge fünf Prozent, für Übergangsbeiträge zwei Prozent und für Ressourceneffizienzbeiträge (ohne Gewässerschutz- und Ressourcenprogramme) ein Prozent. Die einzelnen Beiträge werden im Folgenden kurz erläutert.
Mit Kulturlandschaftsbeiträgen wird die Offenhaltung der Kulturlandschaft gefördert und eine möglichst flächendeckende Bewirtschaftung der land- und alpwirtschaftlichen Flächen sichergestellt. Ziel ist es insbesondere, die zunehmende Verwaldung von Alpwiesen aufzuhalten. Kulturlandschaftsbeiträge lassen sich unterteilen in Offenhaltungsbeiträge (27 Prozent), Sömmerungsbeiträge (25 Prozent), Alpungsbeiträge (20 Prozent), Hangbeiträge (24 Prozent), Hangbeiträge für Rebflächen (2 Prozent) und Steillagenbeiträge (2 Prozent).
Mit Versorgungssicherheitsbeiträgen soll die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichergestellt werden. Sie bestehen aus drei Teilen und werden pro Hektare ausbezahlt:
- Mit dem Basisbeitrag von 600 Franken pro Hektare soll die Grundversorgung gesichert werden, indem die Produktionskapazitäten in der Talzone erhalten bleiben und die Intensität der Bewirtschaftung optimiert wird. Dabei muss bei Dauergrünflächen ein Mindesttierbesatz erreicht werden, ansonsten wird der Beitrag gekürzt. Für Biodiversitätsförderflächen auf Grünland werden nur 300 Franken pro Hektar entrichtet und bei Betrieben mit mehr als 60 Hektaren wird der Betrag gekürzt.
- Offene Ackerflächen und Dauerkulturen (wie z.B. Reben oder Obst) werden mit zusätzlichen 400 Franken pro Hektare stärker gefördert.
- Zusätzlich werden über den Produktionserschwernisbeitrag auch die erschwerten Produktionsbedingungen in der Berg- und Hügelregion ausgeglichen (je nach Region zwischen 290 und 490 Franken pro Hektare).
Drei Viertel der gesamten Versorgungssicherheitsbeiträge machten 2022 die Basisbeiträge aus. 15 Prozent entfielen auf die Produktionserschwernisbeiträge und der Rest auf die Beiträge für offene Ackerflächen und Dauerkulturen. Aufgrund der Reduktion der Basisbeiträge dürfte sich deren Anteil nun verkleinern.
Mit den Biodiversitätsbeiträgen soll der Erhalt und die Förderung der natürlichen Arten- und Lebensraumvielfalt sowie die Vernetzung von Biodiversitätsförderflächen gefördert werden. Die Biodiversitätsbeiträge lassen sich einerseits in Qualitätsbeiträge (Qualitätsstufe I und II) und andererseits in Vernetzungsbeiträge unterscheiden.
Mit den Landschaftsqualitätsbeiträgen soll die landschaftliche Vielfalt der Schweiz gefördert werden. Das Ziel ist insbesondere die Erhaltung, Förderung und Weiterentwicklung attraktiver Landschaften, die auch als Naherholungsgebiete für die Bevölkerung und aus touristischer Sicht eine grosse Bedeutung haben. Die Gelder werden hierzu auf Projektbasis ausgesprochen. Die Kantone erarbeiten in Zusammenarbeit mit dem Bund Massnahmenkonzepte und berücksichtigen dabei regionale Bedürfnisse. Maximal 90 Prozent der Beiträge werden vom Bund übernommen.
Mit Produktionssystembeiträgen werden gewisse Formen der Produktion unterstützt. Einerseits wird auf gesamtbetrieblicher Ebene die Bioproduktion unterstützt. Ein biologisch ausgerichteter Betrieb erhielt 2022 durchschnittlich 9186 Franken. Zu den vier auf teilbetrieblicher Ebene unterstützten Produktionsformen gehören die extensive Produktion von Getreide, Sonnenblumen, Eiweisserbsen, Ackerbohnen und Raps (Extenso), die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF) und die Beiträge für das Tierwohl (Stallsysteme und Auslauf). Letzteres wird unterteilt in Beiträge für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS) und den regelmässigen Auslauf im Freien (RAUS).
Die Ressourceneffizienzbeiträge bezwecken die Verbesserung der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Steigerung der Effizienz beim Einsatz von Produktionsmitteln. Mit diesem Beitrag werden Techniken mit ausgewiesener Wirkung gefördert. Ziel ist, dass möglichst viele Landwirte ressourceneffizient arbeiten. Die Ressourceneffizienzbeiträge wurden mit der Agrarpolitik 2014–2017 eingeführt. Die Beiträge werden für spezifische Massnahmen und für eine befristete Zeit ausbezahlt.
Mit den Übergangsbeiträgen soll der Übergang in die Agrarpolitik der Jahre 2014 bis 2017 (AP 14–17) sozialverträglich gestaltet werden. Sie dienen dazu, die Lücke zu decken, die am Anfang entstand, weil gewisse Direktzahlungen neu an die Beteiligung an Programmen, wie zum Beispiel dem RAUS-Programm, gekoppelt sind. Dementsprechend fielen die Direktzahlungen mit der Einführung der AP 14–17 ohne betriebliche Gegenmassnahmen auf den Bauernhöfen tiefer aus. Je mehr Betriebe sich nun an den freiwilligen Programmen beteiligen und damit wieder mehr Direktzahlungen erhalten, desto kleiner wird der Übergangsbeitrag. Obwohl sie eigentlich 2021 hätten auslaufen sollen, werden nach wie vor Übergangsbeiträge ausbezahlt.
Produktions- und Absatzförderung
Zusätzlich zu den Direktzahlungen unterstützt der Bund die Produktion und den Absatz landwirtschaftlicher Produkte mit Finanzhilfen und er leistet befristete Unterstützung an Exportinitiativen, die der Marktabklärung oder der Erschliessung neuer Märkte im Ausland dienen. Diese Aufwände betrugen 2022 insgesamt rund 538 Millionen Franken jährlich.
Ein Beispiel für Produktionsförderung ist die sogenannte Verkäsungszulage. 2022 zahlte der Bund zehn Rappen pro Kilogramm verkäste Milch und eine Zulage für die Fütterung ohne Silage von drei Rappen pro Kilogramm Milch. Zusätzliche fünf Rappen pro Kilogramm entrichtete der Bund für die Zulage für Verkehrsmilch. Diese Unterstützung wurde 2019 nach der Abschaffung des «Schoggi-Gesetzes» eingeführt, um die Produzenten für den höheren Marktdruck zu entschädigen. Im Rahmen einer Branchenvereinbarung wurde festgehalten, dass diese Gelder an die Lebensmittelhersteller weitergereicht werden. Insgesamt wurden so 387 Millionen Franken entrichtet. Weitere 3,3 Millionen setzte der Bund für die Administration der Milchdaten und die Informatikmittel ein.
59,4 Millionen Franken wurden für Massnahmen in der Viehwirtschaft ausgegeben. Diese beinhalten Entsorgungsbeiträge für tierische Nebenprodukte, Inlandbeihilfen für Schlachttiere und Fleisch, Infrastrukturbeiträge für Berggebiete, Beiträge für Schafwolle und einen Beitrag für die Leistungsvereinbarung mit Proviande. Ebenso wird die inländische Eierproduktion von den Auswirkungen der zyklischen Nachfrage durch Beiträge des Bundes entlastet.
Für den Pflanzenbau wurden im selben Jahr rund 82 Millionen Franken ausgerichtet. Mit 77 Prozent ging der grösste Anteil an die Förderung von Einzelkulturen. Der Rest verteilte sich auf die Getreidezulage (19 Prozent), die Verwertung und Verarbeitung von Obst (3 Prozent) und auf Fördermassnahmen für den Weinbau. Mit den ab 2023 in Kraft getretenen Änderungen in der Einzelkulturbeitragsverordnung (EKBV) wurde die Stützung auf zusätzliche Eiweisspflanzen (Bohnen, Erbsen, Lupinen, Wicken, Kichererbsen und Linsen) ausgeweitet.
Rund 63 Millionen Franken wurden schliesslich für die Qualitäts- und Absatzförderung eingesetzt. Etwa die Hälfte davon wurde für Milchprodukte verwendet und neun Prozent für Fleisch. In der Absatzförderung kann der Bund Marketing- und Kommunikationsmassnahmen mit bis zu 50 Prozent der anrechenbaren Kosten unterstützen.
Strukturverbesserung und soziale Massnahmen
Schliesslich wird die Landwirtschaft durch Beiträge zur Strukturverbesserung und für soziale Massnahmen unterstützt. 2022 wurden für Bodenverbesserungen, Projekte zur regionalen Entwicklung und landwirtschaftliche Hochbauten Beiträge im Umfang von 87 Millionen Franken ausbezahlt.
Zudem gewährten die Kantone Investitionskredite im Umfang von 318,5 Millionen Franken. Der Grossteil davon entfiel auf einzelbetriebliche Massnahmen wie Starthilfe, Diversifizierung und den Neu- oder Umbau von landwirtschaftlichen Wohn- und Ökonomiegebäuden.
Die sozialen Massnahmen umfassen Betriebshilfedarlehen zur Überbrückung einer vorübergehenden, unverschuldeten finanziellen Notsituation. 2022 wurden Darlehen im Umfang von 31 Millionen Franken gesprochen.

Wie funktioniert der Grenzschutz?
Der Grenzschutz im Agrarbereich basiert auf zwei Pfeilern: Zölle und Kontingente. Zölle müssen an der Grenze bezahlt werden. Damit erhöht sich der Preis der eingeführten Ware. Kontingente hingegen sind eine quantitative Beschränkung der Importmenge. Innerhalb dieses Kontingents muss der Importeur keinen oder nur einen tieferen Zollsatz bezahlen. Ausserhalb des Kontingents gelten dann deutlich höhere Zollsätze. Kontingente und Zölle bezwecken beide, dass inländische Produkte vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden.
Zollsätze
Der Einfuhrzoll auf Agrarprodukte betrug im Jahr 2022 durchschnittlich 32,4 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich ein sehr hoher Zollsatz; nur Südkorea, die Türkei, Indien und Norwegen erheben höhere Zölle auf Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. In der EU liegt der durchschnittliche Zollsatz für Agrarprodukte bei 11,4 und in den USA bei 5,1 Prozent.
Abbildung 6: Durchschnittliche Zölle auf den Import von Agrarprodukten, 2022
Die höchsten durchschnittlichen effektiv angewandten Zölle werden mit 187,5 Prozent auf Milchprodukte erhoben, gefolgt von tierischen Produkten mit 96,7 Prozent (siehe Tabelle 1). Die Maximalansätze sind teilweise extrem hoch. So liegt der maximale Zoll für gewisse tierische Produkte bei über 1000 Prozent. Die Absicht solch hoher Zölle ist es, Importe komplett zu verhindern. Dementsprechend kommen sie gar nie zur Anwendung. Deshalb zeigt der durchschnittliche Zolltarif in Tabelle 1 und in Abbildung 6 jeweils nicht das gesamte Ausmass des Grenzschutzes, da dort nur die Zolltarife von Gütern miteinberechnet werden, die auch tatsächlich importiert werden.
Die Höhe der Zolltarife hängt in der Schweiz davon ab, ob das importierte Produkt inländische Produkte konkurrenziert. Ist das der Fall, dann gelten hohe Zölle, während Importe, die nicht oder kaum in der Schweiz produziert werden, meistens nur sehr niedrige Zolltarife haben. Daher weisen Produkte wie Fisch und Fischprodukte Zolltarife von unter einem Prozent aus.
Tabelle 1: Durchschnittlicher Zolltarif (MFN applied AVG), Anteil zollfrei und Maximalsätze
Zollkategorien
Die in der Schweiz angewandten Zölle lassen sich in drei Unterkategorien aufteilen: anpassungsfähige Zölle, saisonale Zölle und Zölle auf verarbeitete Produkte.
Anpassungsfähige Zölle dienen dazu, den Preis eines importierten Gutes zu fixieren. Fällt der Preis des Importprodukts, dann erhöht sich der Zollsatz, damit das Produkt im Inland gleich teuer bleibt. Damit anpassungsfähige Zölle auf Importprodukte berechnet werden können, wird zunächst ein Importrichtpreis ermittelt. Dieser Richtpreis entspricht jenem Preis, der das importierte Produkt letztlich kosten soll. Der anpassungsfähige Zoll wird dann so hoch angesetzt, dass der angestrebte Preis erreicht wird, das heisst er entspricht der Differenz zwischen Richtpreis und Weltmarktpreis. Der Zolltarif wird in der Regel monatlich überprüft und angepasst.
Saisonale Tarife werden bei Agrarprodukten folgender Kategorien angewendet: frische Früchte, Gemüse und Schnittblumen. Sie kommen in Kombination mit Kontingenten zur Anwendung. Es gibt zwei Zollsätze: den Innerkontingenttarif und den Ausserkontingenttarif. Im ersten Fall finden die Importe innerhalb der festgelegten Kontingentierung statt und es kommt ein reduzierter Zolltarif zur Anwendung. Sind die Kontingente jedoch ausgeschöpft, werden den Importen zumeist prohibitiv hohe Ausserkontingenttarife auferlegt. So beträgt zum Beispiel der Innerkontingenttarif für Cherry-Tomaten fünf Franken pro Kilogramm, der Aussenkontingenttarif hingegen 600 Franken pro Kilogramm. Die genauen Tarife hängen von den einzelnen Subprodukten und deren Kontingentierung ab.
Die unterschiedlichen Zolltarife und Kontingente werden in Abhängigkeit von der aktuellen Marktsituation angewendet:
- Ausserhalb der Erntesaison werden keine Kontingentsbeschränkungen angewendet. Der Import kann in dieser Zeit unbeschränkt zum reduzierten Innerkontingenttarif stattfinden.
- Während der Saison werden keine Kontingente zugelassen, solange die inländische Ernte die Nachfrage in der Schweiz decken kann. Importe sind in dieser Phase nur zum höheren Ausserkontingenttarif möglich.
- Falls während der Saison die inländische Produktion die Nachfrage nicht decken kann, werden Kontingente freigegeben. Die Ware innerhalb dieser Kontingente kann zum tieferen Innerkontingenttarif importiert werden.
Ein Spezialfall betrifft Händler, welche die Ware ausserhalb der Saison importiert und gelagert haben und nun während der Saison auf den Markt bringen. Sie müssen die Zolldifferenz nachbezahlen oder die Ware ihren Kontingenten anrechnen lassen.
Auch Importe von verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten werden durch Zölle verteuert. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits soll verhindert werden, dass der Grenzschutz für Agrarrohstoffe durch den verstärkten Import von verarbeiteten Agrarprodukten unterlaufen wird (Agrarschutzelement). Andererseits wird die Schweizer Lebensmittelindustrie im Inlandmarkt vor ausländischer Konkurrenz geschützt (Industrieschutzelement). Der Zoll setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Einem variablen und einem fixen Teilbetrag. Das variable Element ist das sogenannte Agrarschutzelement und schützt die Landwirtschaft, indem es die Preisunterschiede der Grundstoffe zwischen der Schweiz und der übrigen Welt berücksichtigt. Fix ist hingegen das Industrieschutzelement.
Für die EU, die Freihandelspartner und die Länder mit dem Allgemeinen Präferenzsystemen (APS/GSP) kommt beim Import von verarbeiteten Landwirtschaftlichen Produkten allerdings nur das Agrarschutzelement zum Tragen. Die Importeure müssen für die günstigeren Agrarrohstoffe im Ausland, die in ihren Produkten verarbeitet sind, einen Preisausgleich zahlen. So wird erreicht, dass den hiesigen Produzenten von u.a. Schokolade, Biskuits und Backwaren, Bonbons, Suppen, Saucen und Teigwaren aufgrund der höheren Agrargüterpreise kein Wettbewerbsnachteil entsteht. Dadurch bleiben der Schweizer Landwirtschaft die Abnehmer auf der nachgelagerten Stufe erhalten. Bei Drittstaaten, mit denen kein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde, greift hingegen das Agrar- und das Industrieschutzelement. Dadurch ist attraktiver, die Rohstoffe in der Schweiz zu verarbeiten. Für diese Länder macht bei den verarbeiteten Lebensmitteln das Agrarschutzelement ein Vielfaches des noch bestehenden Industrieschutzelementes aus.
Erleichterungen für die Lebensmittelindustrie beim Warenverkehr
Wird eine Ware in einem anderen Land veredelt und passiert dann erneut die Grenze, spricht man von passiver bzw. aktiver Veredelung. Hier gelten andere Zollansätze und Bewilligungen im Vergleich zum reinen Export oder Import.
Beim passiven Veredelungsverkehr werden Produkte zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung vorübergehend ins Ausland ausgeführt und dann wieder eingeführt. In diesem Fall kann das veredelte Produkt unter Bewilligung zollfrei oder zollermässigt wiedereingeführt werden. Beim aktiven Veredelungsverkehr werden Produkte vorübergehend zur Bearbeitung, Veredelung oder Ausbesserung in die Schweiz eingeführt, um dann wieder ins Ausland ausgeführt zu werden. Die Waren können zollbefreit oder mit Anrecht auf Zollrückerstattung vorübergehend eingeführt werden. Auch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ist möglich. Diese Erleichterungen dienen unter anderem als Ausgleich zum Grenzschutz bei Agrarrohstoffen.

Wer profitiert vom Grenzschutz? Und wer verliert?
Die OECD zeigt in ihrer Analyse zur Agrarpolitik in der Schweiz, dass der Grenzschutz den Bauern kaum hilft. Der Nutzen des Grenzschutzes im Umfang von jährlich 3,7 Milliarden Franken fällt nur zu einem kleinen Teil bei den Bauern an. Der Rest geht in Form von Renten an vor- und nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette, wie zum Beispiel den Handel. Folglich ist der Grenzschutz für die Unterstützung der Bauern ein hoch ineffektives Instrument mit letztlich sehr hohen Streuverlusten.
Wie die OECD-Studie weiter zeigt, verursacht der Grenzschutz hohe Kosten. Sichtbarste Auswirkung der abschottenden Landwirtschaftspolitik sind die hohen Konsumenten- und Produzentenpreise. Die Lebensmittelpreise liegen in der Schweiz etwa 66 Prozent über dem EU-Schnitt. Insbesondere bei stark geschützten Produkten ist die Preisdifferenz zwischen In- und Ausland sehr gross. So müssen Schweizer Konsumenten für Fleisch rund 2,3-mal so viel berappen wie EU-Bürger. Mehrere Studien sowie auch Berechnungen des Bundesrats zeigen auf, dass bei einer Liberalisierung die Gewinne der Konsumenten deutlich höher sind als die Verluste der Produzenten. Wie Chavaz & Pidoux nachweisen, führt der Grenzschutz nicht nur bei Produkten, die in der Schweiz produziert werden, zu höheren Preisen. Denn auch auf 300 exotische und tropische Produkte werden Zölle erhoben, was bei den Schweizer Konsumenten mit bis zu 3,8 Mio. Franken Zusatzkosten pro Jahr zu Buche schlägt.
Die OECD-Studie zeigt zudem auf, dass diverse Branchen entlang der Wertschöpfungskette von einer Liberalisierung profitieren würden. Denn das heutige Regime führt zu hohen Preisen bei Vorleistungen und Zwischenprodukten. Von einer Senkung der Produzentenpreise würde beispielsweise die Lebensmittelindustrie profitieren, die dank günstigeren Vorleistungen konkurrenzfähiger würde.
Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass sich die Schweizer Lebensmittelindustrie vor allem dort wettbewerbsfähig zeigt, wo sie die Vorleistungen zu Weltmarktpreisen aus dem Ausland beziehen kann, wie zum Beispiel bei Schokolade und Kaffee. 65 Prozent aller Lebensmittelexporte fallen in die Kategorien Kaffee, Tee, Mate, Getränke und verschiedene Lebensmittel. In übermässig geschützten Bereichen ist die Schweiz hingegen kaum wettbewerbsfähig.
Der Agrarprotektionismus führt gemäss OECD zum Erhalt überholter Strukturen. Andere Branchen wie zum Beispiel die Maschinenindustrie agieren im weltweiten Wettbewerb und müssen wegen der internationalen Konkurrenz laufend ihre Ressourcen optimieren, Strukturen anpassen und innovativ sein. Demgegenüber wird der Agrarsektor stark vor ausländischer Konkurrenz abgeschirmt. Dies bremst die Innovationsfähigkeit des ganzen ersten Sektors und bindet Ressourcen in eher unproduktiven Bereichen, die ohne Grenzschutz nicht überlebensfähig wären.
Simulationen der OECD zeigen auf, dass es bei einer vollkommenen Liberalisierung im Landwirtschaftssektor Gewinner und Verlierer gäbe. So würde der Sektor in den heute stark geschützten Bereichen weniger produzieren. Doch dafür würde sich die Produktion in die heute wenig geschützten Bereiche verlagern, und es würde in einigen Bereichen sogar mehr produziert. Es gäbe eine generelle Verschiebung der Ressourcen von den Bereichen, die weniger wettbewerbsfähig sind, in jene Bereiche, die eher einen komparativen Vorteil aufweisen. Die OECD-Studie zeigt beispielsweise auch auf, dass die Schweiz bei Milch- und Milchprodukten bei einer allfälligen Liberalisierung mit der EU konkurrenzieren könnte und exportorientierter produzieren würde. Von einer Liberalisierung würden demnach auch die Milchproduzenten profitieren.
Das einzige Ziel der Agrarpolitik, das mit dem Grenzschutz erreicht wird, ist die Erhaltung des heutigen Produktionsniveaus. Eine vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass bei einer vollständigen Liberalisierung die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz um 8 bis 15 Prozent zurückgehen würde, je nachdem wie stark die Konsumenten Schweizer Produkte bevorzugen würden, wenn sie die freie Wahl hätten. Demnach sichern Zölle und Kontingente eine etwas höhere inländische Produktion. Doch die Schweizer Bauern würden bei einer Abschaffung des Grenzschutzes immer noch 85 bis 92 Prozent ihrer Produktion aufrechterhalten. Auch eine Studie von Chavaz & Pidoux kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Gibt es erfolgreiche Beispiele für Grenzöffnungen?
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Liberalisierung in der Schweiz ist der Käsemarkt. Seit 2007 ist dieser zwischen der Schweiz und der Europäischen Union vollständig liberalisiert. Vorher hatten die Milchproduzenten eine fünfjährige Übergangszeit, in der sie nötige Anpassungen durchführen konnten. Wider Erwarten der Skeptiker kam es nicht zu einer drastischen Reduktion der Käseproduktion in der Schweiz. Ganz im Gegenteil: Zwischen 2007 und 2022 stieg diese um 15 Prozent. Im selben Zeitraum konnten die Exporte einen Anstieg von 30 Prozent verbuchen, während die Importe um 109 Prozent anstiegen.
Seit der Einführung des Käsefreihandels mit der EU exportiert die Schweiz tendenziell teureren Käse in die EU und importiert wiederum eher günstigere Produkte. Zweifelsohne führte die Liberalisierung auch zu einer Strukturbereinigung. Wie eine Untersuchung von BAK Basel (2012) aufzeigte, wurden die Schweizer Käser durch die Liberalisierung wettbewerbsfähiger. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von einer gestiegenen Auswahl und tendenziell sinkenden Preisen und die Produzenten profitieren dank dem Export von teurerem Käse und gestiegener Konkurrenzfähigkeit. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass der Käsekonsum in der Schweiz pro Kopf seit 2007 zugenommen hat. Auch der in der Schweiz seit 2001 liberalisierte Weinmarkt beweist, dass eine Marktöffnung zu wesentlichen Qualitätsverbesserungen führt und die Produzenten stark profitieren.
Das Beispiel Österreich zeigt, dass eine Öffnung des Agrarsektors die Strukturen nicht vollständig umkrempelt. Vor der Liberalisierung galt der Agrarmarkt in Österreich als kaum wettbewerbsfähig. Die Strukturen waren überholt und die Preise wegen fehlendem Konkurrenzdruck aus dem Ausland hoch. Wie heute in der Schweiz waren in Österreich die Lebensmittel für Konsumenten deutlich teurer als im EU-Schnitt. Zudem war auch in Österreich die Landwirtschaft von vielen kleinen Betrieben geprägt, von denen mehr als die Hälfte in topografisch benachteiligten Gebieten – in der Regel in Hügel- oder Berggebieten – angesiedelt war.
Österreich musste 1995 im Zuge des EU-Beitritts seinen Landwirtschaftssektor liberalisieren. Die Folgen dieses Schritts werden je nach Autor als positiv oder negativ für die Landwirtschaft dargestellt. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass sich trotz Liberalisierung heute nach wie vor knapp neun von zehn Betrieben in Familienbesitz befinden, ähnlich wie in der Schweiz. Die durchschnittliche Betriebsgrösse ist in Österreich seit der Öffnung klar gestiegen. Vor der Schweiz machte der Strukturwandel – trotz Grenzschutz – aber ebenso wenig halt. Auch hierzulande ging die Anzahl der Bauernhöfe deutlich zurück, während die durchschnittliche Nutzfläche pro Betrieb anstieg. Heute liegt diese in Österreich nach fast 30 Jahren Freihandel mit der EU leicht über dem Niveau der Schweiz. Auch der Anteil der Subventionen am Einkommen liegt in Österreich deswegen nicht höher. 2021 betrug dieser in der Schweiz 69,6 Prozent, während in Österreich die Subventionen 54,0 Prozent ausmachten. Doch im Gegensatz zur Schweiz hat sich die österreichische Landwirtschaft seit der Marktöffnung eine respektable Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet. Die Exporte haben sich seit 1995 nominal verachtfacht. Auch der Eintritt von Slowenien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn im Rahmen der Osterweiterungen konnte der österreichischen Landwirtschaft nichts anhaben. Die Öffnung der Märkte innerhalb der EU ermöglichte es den Landwirten in Österreich, sich auf die jeweiligen Stärken zu konzentrieren, innovativ zu werden und einen Mehrwert für die Konsumentinnen und Konsumenten zu bieten. Sie üben weiterhin einen attraktiven Beruf in vorwiegend kleinräumigen Strukturen aus.

Welche weiteren Privilegien geniessen die Bauern?
Neben dem hohen Grenzschutz und Subventionen geniessen Schweizer Landwirtschaftsbetriebe zahlreiche weitere Privilegien, die den anderen Wirtschaftssektoren unbekannt sind. Nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern auch auf persönlicher Ebene haben die Bauern gegenüber der restlichen Wohnbevölkerung oder den gewerblichen KMU diverse Sonderrechte. Im Folgenden sollen beispielhaft einige dieser Privilegien kurz wiedergegeben werden.
Landwirtschaftliche Fahrzeuge (grüne Kontrollschilder) sind von der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ausgenommen, bei der Motorfahrzeugsteuer gilt ein reduzierter Satz, und die Landwirte können sich die Mineralölsteuer rückvergüten lassen. Zusätzlich müssen sich Landwirte bei Fahrten mit Aushub- und Baumaterial sowie bei gewerblichen Holztransporten nicht an die gesetzlichen Ruhezeiten halten.
Familienzulagen, die normalerweise vom Arbeitgeber bezahlt werden, übernimmt in der Landwirtschaft grösstenteils die öffentliche Hand. Bisher waren Landwirtschaftsbetriebe auch von der BVG-Pflicht (berufliche Vorsorge) für Familienangehörige, die im Betrieb arbeiten, ausgenommen. Mit der Umsetzung der AP22+ wird sich dies ab 2027 ändern. Zusätzlich gelten Ausnahmen vom Arbeitsgesetz beispielsweise bei der zulässigen Höchstarbeitszeit. Landwirtschaftliche Betriebe sind für den Verkauf eigener Erzeugnisse gänzlich von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen. Zudem gilt bei gewissen Einfuhren von Waren und Tieren ein reduzierter Mehrwertsteuersatz. Auch können landwirtschaftliche Betriebe nicht auf Konkurs betrieben werden. Der Konkurs geht nur auf Pfändung, wobei lediglich Inventar, welches nicht betriebsnotwendig ist, verpfändet werden kann.
Im Gegensatz zum Gewerbe haben Landwirte vereinfachten Zugang zu zinslosen Investitionskrediten, mit denen der Bund Strukturverbesserungen und gemeinschaftliche Massnahmen unterstützt. Zusätzlich können Bauern Betriebshilfen in Form von zinslosen Darlehen beziehen. Nur Bauern dürfen in der günstigen Landwirtschaftszone bis zu drei Wohnungen bauen. Die Landwirte sind dabei auch steuerlich privilegiert: Das Wohneigentum wird im Vergleich zur restlichen Bevölkerung mit einem sehr viel tieferen Eigenmietwert bewertet. Für die Vermögenssteuer wird lediglich der Ertragswert der landwirtschaftlichen Liegenschaften eingesetzt und nicht wie beim Gewerbe eine Mischung zwischen Ertrags- und Verkehrswert.
Landwirte dürfen mit gewissen Einschränkungen auch gewerbliche Betriebe wie Restauration und Beherbergung auf ihren Höfen anbieten, wobei sie häufig weniger strengen Anforderungen als das Gewerbe genügen müssen. Und schliesslich gehört zu dieser nicht abschliessenden Auflistung auch die Privilegierung aufgrund des bäuerlichen Boden- und Pachtrechts. Im Rahmen einer Erbteilung müssen sich Landwirte für Haus und Hof nicht den Verkehrswert anrechnen lassen, sondern können diese zum landwirtschaftlichen Ertragswert übernehmen.

Weshalb ist es für Quereinsteiger schwierig, einen Hof zu erwerben?
Der Handel mit Grund und Boden ist bei landwirtschaftlichen Grundstücken sehr vielen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkungen sind fast ausschliesslich im Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) geregelt. Das BGBB, welches am 1. Januar 1994 in Kraft trat und seither mehrmals revidiert worden ist, regelt den Rechtsverkehr mit landwirtschaftlichem Boden durch Bestimmungen über den Erwerb, die Teilung und Verpfändung.
Seit Einführung des BGBB ist es schwieriger geworden, landwirtschaftliches Land zu erwerben und seinen eigenen Betrieb zu gründen. Durch das BGBB verstärkte sich die Tendenz der sinkenden Preise. Für die Bauern ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits profitieren sie von den tieferen Preisen bei Landkäufen, andererseits möchten wegen der tiefen Preise nur wenige Bauern ihr Land verkaufen. Dies erschwert es auch jungen Bauern, einen familienfremden Betrieb zu kaufen. Für Quereinsteiger ist dies noch schwieriger. Einerseits muss das gekaufte Land selbst bewirtschaftet werden, andererseits sind mit dem BGBB die Anforderungen an die landwirtschaftliche Ausbildung eines Käufers deutlich gestiegen. Ein Nichtbauer kann also grundsätzlich kein landwirtschaftliches Grundstück erwerben. Diese Regelungen verunmöglichen zum Beispiel, dass Nichtlandwirte auf Landwirtschaftsland Spezialkulturen wie etwa Erdbeeren, Kräuter, Gojibeeren oder Hopfen produzieren können.
Das Hauptziel des BGBB ist eigentlich nicht das Erschweren von Quereinstiegen. Durch die im Gesetz vorgeschriebenen Einschränkungen sollen folgende Ziele erreicht werden (Art. 1 Abs. 1):
- Förderung, Erhalt und Strukturverbesserung von bäuerlichem Grundeigentum sowie von Familienbetrieben als Grundlage eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen, auf eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung ausgerichteten Landwirtschaft.
- Stärkung des Selbstbewirtschafters einschliesslich diejenige des Pächters beim Erwerb landwirtschaftlicher Gewerbe und Grundstücke.
- Vermeidung von übersetzten Preisen für landwirtschaftlichen Boden.
Das Herzstück des BGBB sind die Verordnungen bezüglich Realteilung und Zerstückelung. Das Realteilungsverbot bezieht sich auf Veräusserungen von landwirtschaftlichem Gewerbe. Es verhindert, dass einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile vom landwirtschaftlichen Gewerbe abgetrennt werden. Auch das Zerstückelungsverbot geht in dieselbe Richtung: Es bezweckt, dass bei einer Handänderung einzelne landwirtschaftliche Grundstücke nicht zu stark zerstückelt werden, da sie dann nicht mehr kostengünstig zu bewirtschaften wären.
Für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Grundstückes braucht es grundsätzlich eine Bewilligung. Ausnahmen sind der Erwerb durch Erbgang, der Erwerb durch Nachkommen, Ehegatten, Eltern, Geschwister und Geschwisterkinder sowie der Erwerb durch einen Mit- oder Gesamteigentümer. Zudem gilt das Gesetz nicht für Grundstücke unter 25 Aren und für Rebland unter 15 Aren. Die Kantone besitzen bei der Umsetzung gewisse Freiräume.
Nicht bewilligt wird ein Kauf laut BGBB, wenn der Erwerber nicht Selbstbewirtschafter ist oder ein übersetzter Preis vereinbart wurde. Der Erwerbspreis gilt als übersetzt, wenn er die Preise für vergleichbare landwirtschaftliche Gewerbe oder Grundstücke in der betreffenden Gegend im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als fünf Prozent übersteigt. Gemäss Art. 9 BGBB gilt als Selbstbewirtschafter, wer das landwirtschaftliche Grundstück selbst bearbeitet oder das Gewerbe persönlich leitet.

Wie stark ist die Stützung der Schweizer Landwirtschaft im internationalen Vergleich?
Im internationalen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit der stärksten Stützung des Landwirtschaftssektors. Dies zeigt der Ländervergleich der OECD, der ein Mass für die gesamte Unterstützung der Produzenten (Producer Support Estimate, PSE) ausweist. Dabei werden sowohl die Budgettransfers (Subventionen usw.), die entgangenen Einnahmen des Staates wegen gewährter Privilegien sowie Marktpreistransfers (wie höhere Preise wegen des Grenzschutzes) berücksichtigt.
Gemäss Abbildung 7 liegt die Schweiz beim PSE an zweiter Stelle, nur Norwegen stützt seine Landwirtschaft noch stärker. Transfers von Konsumenten und Steuerzahlern zu den Bauern machen demnach in der Schweiz fast 45 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Bruttoeinnahmen aus. 2022 waren es rund 6 Mrd. US-Dollar.
Abbildung 7: Producer Support Estimate (PSE) über verschiedene Länder
Interessant ist auch die Unterteilung der Agrarstützungen in handels- und produktionsverzerrende Stützungen und restliche Stützungen. In der Schweiz zählen zu den handels- und produktionsverzerrenden Stützungen neben dem Zoll- und Kontingentsystem vor allem Elemente der Produktions- und Absatzförderung. Gemäss OECD kommt rund die Hälfte des PSE durch marktverzerrende Stützungen zustande.
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