Bundeshausfassade

Finanzausgleich: Entpolitisierung auf Kosten der Flexibilität

Der Bundesrat folgt bei der Reform des Ressourcenausgleichs weitgehend den Vorschlägen der Kantone und sieht einen Systemwechsel vor, der die Ausgleichszahlungen entpolitisieren soll. Dies hat allerdings zur Folge, dass auch Steuerungsfähigkeit und Flexibilität eingeschränkt werden. economiesuisse hat deshalb der Reform gegenüber gewisse Vorbehalte, weil sie wichtige Parameter für die Zukunft zementiert, was sich längerfristig als nachteilig erweisen kann. Der Wirtschaftsdachverband schlägt eine Lösung vor, die nach acht Jahren eine Neubeurteilung ermöglichen soll.

Als wichtiger Bestandteil des Finanzausgleichs hat der Ressourcenausgleich zum Ziel, Unterschiede in der Leistungsfähigkeit und Steuerbelastung zwischen den Kantonen zu verringern. Kantone, die über weniger Ressourcen als der Durchschnitt verfügen, werden vom Bund und den ressourcenstarken Kantonen unterstützt. Nach der Umverteilung soll kein Kanton weniger als 85 Prozent der durchschnittlichen kantonalen Ressourcen zur Verfügung haben.

Überbelastung der Geberkantone

Diese 85 Prozent stellen aber nur einen Richtwert dar. Die tatsächliche Mindestausstattung wird alle vier Jahre vom Parlament festgelegt und liegt aktuell mit 88 Prozent deutlich über der Zielgrösse. Dies hat zunehmend zu Kritik der Geberkantone geführt, weil sie zusammen mit dem Bund für die Ausgleichssumme aufkommen müssen. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) hat deshalb einen Kompromiss ausgearbeitet, der fairer und sachgerechter sein soll. Die Ausgleichssumme soll künftig nicht mehr politisch, sondern durch das Gesetz automatisch auf 86,5 Prozent festgelegt werden. Bund und Geberkantone werden so entlastet. Im Gegenzug wird den Nehmerkantonen eine höhere und fixe Mindestausstattung garantiert. Die Festlegung des Ressourcenausgleichs wird damit entpolitisiert.

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Das Problem: Weil die minimale Ausstattung mit finanziellen Ressourcen seit Jahren über dem Zielwert 85 Prozent liegt, werden die Geberkantone und der Bund übermässig belastet (Quelle: Wirksamkeitsbericht 2016 bis 2019, S. 70).

Kritischer Zeitpunkt für Anpassungen am Finanzausgleich

economiesuisse hat im Juni zum Wirksamkeitsbericht Stellung genommen. Trotz Verständnis für den Optimierungsbedarf bestehen gewisse Vorbehalte gegenüber dem Systemwechsel. Mit der gesetzlichen Festlegung der Mindestausstattung wird eine Automatisierung eingeführt, die zwar zur Versachlichung dieses politisch immer wieder heiklen Themas beitragen kann, gleichzeitig aber auch den Handlungsspielraum einschränkt.

Konkret: Sollte das neue starre System unter Stress geraten, beispielsweise weil Zahlungen der Geberkantone aufgrund des neuen Autopiloten stark ansteigen, könnte sich die Entpolitisierung rasch als Trugschluss erweisen. Wird das neue System den Erwartungen nicht gerecht, wird es künftig noch schwerer zu ändern sein, weil die neuen Ansprüche gesetzlich verankert werden.

Darüber hinaus ist der Zeitpunkt der Anpassung nicht optimal: Die Steuerreform, die ebenfalls ab 2020 in Kraft treten soll, hat nicht restlos voraussehbare Auswirkungen auf den Ressourcenausgleich (wenngleich sie das Ziel verfolgt, Veränderungen möglichst zu begrenzen). Flexibilität wäre aber gerade in dieser Übergangsphase wichtig. economiesuisse hat deshalb unter anderem vorgeschlagen, die Anpassungen am Ressourcenausgleich zeitlich zu befristen und nach zwei Evaluationsperioden (8 Jahren) neu zu beurteilen.

Frei werdende Mittel gehören dem Bund 

Der Bundesrat unterstützt den KdK-Vorschlag weitgehend. Auch bei der Verwendung der frei werdenden Mittel ist der Bundesrat letztlich den Kantonen gefolgt. Die Entlastung des Bundes im Umfang von 280 Millionen Franken wird in den nächsten Jahren den Kantonen zugesprochen. Warum diese Mittel nicht dem Bund zustehen sollen, ist jedoch nicht einzusehen.

Die Kommission des Erstrats beschäftigt sich voraussichtlich noch dieses Jahr mit dem Wirksamkeitsbericht. economiesuisse wird den parlamentarischen Prozess begleiten und sich für eine befristete Lösung ohne zusätzliche gebundene Bundesausgaben einsetzen.

Entflechtung der Verbundaufgaben von Bund und Kantonen

Der Bundesrat hat gleichzeitig mit der Botschaft zum Wirksamkeitsbericht den erwarteten Bericht zur Motion «Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen» publiziert. Er kommt zum Schluss, dass bei Verbundaufgaben durchaus Entflechtungspotenzial besteht und beauftragt das Finanzdepartement, weitere Schritte in diese Richtung zu prüfen. economiesuisse wird den Bericht im Rahmen einer neuen Serie zur Entflechtung von einzelnen Aufgabengebieten wieder aufnehmen.