Brexit: Grosse Unsicherheit, extrem kleines Zeitfenster und wenig Optionen
Weniger als 80 Tage vor dem Brexit hat Premierministerin May mit dem Austrittsabkommen im britischen Parlament eine historische Niederlage erlitten. Damit bleibt der künftige Beziehungsstatus Grossbritanniens mit der EU weiterhin ungelöst. Die Arbeiten für eine schweizerisch-britische Auffanglösung sind indes bereits weit fortgeschritten.
Das Abstimmungsresultat am Abend des 15. Januar war im Grunde vorhersehbar, in seiner Deutlichkeit aber überraschend und geradezu historisch: Mit 432 zu 202 Stimmen lehnte das britische Unterhaus den von Theresa May ausgehandelten Austrittsvertrag mit der EU ab. Letztmals erlitt 1924 ein britischer Premierminister eine ähnlich klare Niederlage. Auch grosse Teile der Regierungspartei stimmten gegen den Deal. Aufgrund eines unmittelbar danach eingereichten Misstrauensvotums der Opposition wird das Parlament nun heute über die Zukunft der britischen Regierung entscheiden. Somit ist weiterhin völlig offen, ob am 29. März ein ungeregelter Austritt Grossbritanniens aus der EU – verbunden mit befürchteten wirtschaftlichen Turbulenzen – vermieden werden kann.
Suche nach Plan B
Das Parlament hat bereits letzte Woche beschlossen, dass May in drei Tagen eine Alternative präsentieren muss. Noch ist unklar, wie May diesen Plan B ausgestalten will (z.B. Zollunion, EWR) und ob es überhaupt dazu kommt. Denkbar ist auch eine nochmalige Abstimmung über dasselbe Austrittsabkommen im Parlament. Dies allenfalls verbunden mit weiteren inhaltlichen Präzisierungen seitens der EU zur inneririschen Grenze. Gleichzeitig wird der Ruf nach einer zweiten Volksabstimmung lauter. Diese ist jedoch ohne Einverständnis der EU für eine Verschiebung des Austrittsdatums nicht realisierbar. Klar scheint derzeit einzig, dass nicht nur das Austrittsabkommen, sondern auch sämtliche vertragliche Alternativen gegenwärtig über keine Mehrheit im britischen Parlament verfügen. Fest steht ebenfalls, dass Grossbritannien ohne Einigung im britischen Parlament, respektive ohne Zusage der EU für eine Verschiebung des Austrittsdatums am 29. März 2019 ohne Nachfolgelösung aus der EU austreten wird (harter Brexit).
Schweizer Auffanglösung auf gutem Weg
Unter diesen höchst unsicheren und beunruhigenden Vorzeichen ist es umso wichtiger, dass die «mind-the-gap»-Arbeiten der Schweiz zur Sicherung der bilateralen Beziehungen mit Grossbritannien bereits weit fortgeschritten sind und weitestgehend formalisiert werden konnten. Zwar enthält auch die schweizerisch-britische Auffanglösung mehrere Lücken. Diese sind jedoch dem Umstand des weiterhin hängigen Austrittsvertrags EU-UK geschuldet. Auch die Schweizer Wirtschaft hofft somit weiterhin auf eine einvernehmliche und rechtzeitige Lösung im Brexit-Drama. Auch wenn sich das Fenster hierfür nun schnell schliessen wird.