Bauarbeit

Zersiedelungsinitiative: entwicklungsfeindlich, unnötig und kontraproduktiv

14.12.2018

Auf einen Blick

economiesuisse lehnt die Zersiedelungsinitiative ab, weil das Einfrieren der Bauzonen die Entwicklungsmöglichkeiten in der Schweiz stark einschränken würde. Die Initiative schlägt eine unnötige Verschärfung des geltenden Rechts vor. Die Forderungen der Initiative nach nachhaltiger, nach innen ausgerichteter Siedlungsentwicklung sind bereits in der Verfassung verankert.

Das Wichtigste in Kürze

Am 10. Februar 2019 stimmt die Schweiz über die Zersiedelungsinitiative ab. Deren Hauptanliegen ist ein Einfrieren der Bauzonen auf dem heutigen Stand – jede künftige Einzonung müsste durch eine gleichwertige Auszonung kompensiert werden. Ausserdem soll der Bund die nachhaltige, verdichtete Siedlungsentwicklung und das Wohnen und Arbeiten in kleinräumigen Strukturen mit kurzen Verkehrswegen fördern. Aus Sicht der Wirtschaft sind die vorgeschlagenen Mittel ungeeignet, um die durchaus hehren Ziele der Initianten zu erreichen. Einerseits schränkt die Initiative die Entwicklungsfähigkeit der Schweiz zu stark ein. Andererseits sind die Anliegen bezüglich nachhaltiger Entwicklung bereits heute gesetzlich verankert. Zudem drohen unerwünschte Entwicklungen, weil die Initiative Fehlanreize schafft und jene Gemeinden belohnt, die bis heute zu grosszügig eingezont haben. economiesuisse als Dachverband der Schweizer Wirtschaft lehnt die Zersiedelungsinitiative aus diesen Gründen klar ab.

Position economiesuisse

Die Wirtschaft lehnt die Zersiedelungsinitiative aus den folgenden drei Gründen ab:

  • Die Initiative schränkt die Entwicklungsfähigkeit übermässig ein.
    Das Einfrieren der Bauzonen lässt die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ausser Acht. Die Entwicklungsmöglichkeiten werden sowohl für Wohnbauten wie auch für das Gewerbe zu stark eingeschränkt. Eine Verknappung von Bauland würde zu höheren Immobilienpreisen führen und die Ansiedlung von Unternehmen erschweren. Eine derartige Schwächung der Attraktivität als Unternehmensstandort schadet der wirtschaftlichen Entwicklung.
     
  • Das Kernanliegen der Initiative ist bereits heute gesetzlich verankert. 
    Die Initiative schlägt eine unnötige Verschärfung des geltenden Rechts vor. Dass die Schweiz mit dem beschränkten Boden haushälterisch umgehen soll, ist politischer Konsens. Die Wirkung der eben erst in Kraft getretenen ersten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) wie auch die Diskussion um die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) müssen abgewartet werden, bevor allenfalls weitere Anpassungen am Raumplanungsgesetz vorgenommen werden. Bei der kantonalen Umsetzung des RPG 1 zeigt sich aber bereits, dass die Entwicklung in Richtung einer effizienteren Nutzung des Raums geht. Die Zersiedelung kann mit den bestehenden Massnahmen eingedämmt werden.
     
  • Die Initiative ist kontraproduktiv und ungerecht.
    Die Initiative ist in ihren Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und einer Siedlungsentwicklung nach innen unnötig, da diese Ziele bereits in der Verfassung verankert sind. Mehr noch: Die Vorlage gefährdet diese Ziele sogar. Ein starrer, über die ganze Schweiz verhängter Bauzonenstopp lässt alle kantonalen und regionalen Unterschiede ausser Acht. Er wäre ungerecht, weil Gemeinden, die bisher mit Bedacht eingezont haben, bestraft würden. Ausserdem könnte sich die Bautätigkeit in abgelegene Gebiete verlagern, was einer effizienteren Bodennutzung zuwiderläuft.
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Worum geht es?

Die Schweizer Stimmberechtigten werden am 10. Februar 2019 über die Initiative «Zersiedelung stoppen ‒ für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)» abstimmen. Die jungen Grünen wollen damit die Gesamtfläche aller Bauzonen in der Schweiz auf dem heutigen Stand einfrieren. Zudem soll auf Stufe Verfassung der Grundsatz verankert werden, dass ausserhalb der Bauzone ausschliesslich standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden dürfen. Bestehende Bauten sollen Bestandsgarantie geniessen und geringfügig erweitert bzw. umgenutzt werden können. Ausserdem sollen Kantone und Gemeinden günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen schaffen. Was auf den ersten Blick erstrebenswert erscheint, bringt einige gravierende Nachteile mit sich. Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative entsprechend ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.

Initiativtext

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 75 Abs. 4–7
4 Bund, Kantone und Gemeinden sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit hoher Lebensqualität und kurzen Verkehrswegen (nachhaltige Quartiere).
5 Anzustreben ist eine Siedlungsentwicklung nach innen, die im Einklang steht mit hoher Lebensqualität und besonderen Schutzbestimmungen.
6 Die Ausscheidung neuer Bauzonen ist nur zulässig, wenn eine andere unversiegelte Fläche von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potenziellem landwirtschaftlichem Ertragswert aus der Bauzone ausgezont wird.
7 Ausserhalb der Bauzone dürfen ausschliesslich standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. Bestehende Bauten geniessen Bestandsgarantie und können geringfügig erweitert und geringfügig umgenutzt werden.

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Entwicklungsmöglichkeiten werden stark eingeschränkt

Rückgang der Bauzonen

Die Initiative möchte mehr als die heute vorhandenen Bauzonen einfrieren. Konkret fordert sie, dass nur neue Bauzonen ausgeschieden werden können, wenn eine andere unversiegelte Fläche von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potenziellem landwirtschaftlichem Ertragswert ausgezont wird. Die Berücksichtigung des landwirtschaftlichen Ertragswerts verfolgt die hehre Absicht, die landwirtschaftliche Produktionskapazität der Schweiz zu erhalten. In der Realität hat dies aber eine Abnahme der Bauzonen zur Folge. Falls nämlich eine neu eingezonte Fläche einen höheren landwirtschaftlichen Ertragswert aufweist als die ausgezonte Kompensationsfläche, so muss die Kompensationsfläche entsprechend grösser sein. Das Umgekehrte gilt aber laut den Initianten nicht, weil die Kompensationsfläche in jedem Fall mindestens gleich gross sein muss wie die neu eingezonte Fläche. Diese Asymmetrie hätte zur Folge, dass in der Schweiz künftig immer weniger Bauland zur Verfügung stünde.

Steigende Grundstückspreise

Das Resultat einer Verknappung der Bauzonen hat in der Logik von Angebot und Nachfrage klare Konsequenzen: Bei sinkendem Angebot an Bauzonen steigen die Grundstückspreise. Daher geht auch der Bundesrat in seiner Botschaft zur Zersiedelungsinitiative von einem «ausgeprägten Ansteigen der Grundstückspreise mit allen negativen Begleiterscheinungen (z. B. höhere Wohn- und Gewerbekosten)» aus. Diese Problematik zeigt sich insbesondere in städtischen Gebieten, weil die Baulandreserven heute ungleich verteilt sind. Die nicht überbauten Bauzonenflächen befinden sich oft in peripheren, ländlichen Gebieten. In den Städten und den bereits dichter besiedelten Agglomerationen gibt es nur wenig verfügbares freies Land. Dies ist problematisch, weil an diesen zentralen Lagen die Nachfrage nach Immobilien bereits heute am höchsten ist. Die Initiative hätte also zur Folge, dass in den boomenden Regionen die Preise noch stärker ansteigen.

Starre Regeln schaden der wirtschaftlichen Entwicklung in den Regionen

Wenn eine Gemeinde keine Bauzonenreserven mehr besitzt, dann kann sie bei Annahme der Initiative auch keine neuen Bauzonen mehr schaffen. Für Gemeinden oder Kantone mit wenig Baulandreserven und grossem wirtschaftlichem und wohnbaulichem Entwicklungspotenzial bedeutet die Annahme der Initiative de facto ein Einzonungsverbot. Dadurch werden beispielsweise Neuansiedlungen von Unternehmen übermässig erschwert - entweder weil keine Flächen verfügbar sind, oder weil diese im internationalen Vergleich viel zu teuer wären. Dadurch würde die Attraktivität als Unternehmensstandort leiden, was der wirtschaftlichen Entwicklung in den betroffenen Regionen schadet. Zusätzlich werden durch die restriktiven Bedingungen ausserhalb der Bauzonen die Entwicklungsmöglichkeiten der Landwirtschaft stark eingeschränkt. hinzufügen können

Vorbildliche Kantone werden bestraft

Kantone mit wenig Baulandreserven wären auf einen Ausgleichsmechanismus angewiesen. Sie müssten zum Beispiel mit anderen Kantonen Bauzonen handeln können. Wenn sie ein Gebiet einzonen möchten, müssten sie zunächst einen Kanton finden, der im Gegenzug Bauland auszont. Dieser Kanton wird dafür natürlich eine Entschädigung fordern. Die Implementierung eines solchen Handelssystems über die Kantonsgrenzen hinweg wäre schwierig und würde entsprechend viel Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb besteht die Gefahr, dass viele Kantone in den nächsten Jahren in ihrer Entwicklung sehr stark eingeschränkt werden. Im Weiteren würden Kantone, die bisher zu grosszügig eingezont haben, durch den vorgesehenen Handel ungerechtfertigterweise bevorteilt: Wer in der Vergangenheit ohne Rücksicht auf den eigentlichen Bedarf grosse Bauzonen geschaffen hat, der wird nun belohnt. Umgekehrt würde die Initiative jene Kantone bestrafen, die bisher haushälterisch mit dem Boden umgegangen sind und zurückhaltender eingezont haben.

Um diese offensichtliche Fehlentwicklung zu vermeiden, schlagen die Initianten eine weitere Umsetzungsvariante vor, die nicht minder problematische Konsequenzen zur Folge hätte: Enteignungen. Gemäss dieser Variante würden die vorhandenen Bauzonenreserven nach Massgabe der Arbeitsplätze, der Verkehrsanbindung und der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung auf die Gemeinden verteilt. Falls bestimmte Gemeinden also heute gemäss diesem Ansatz über zu grosse Bauzonenreserven verfügen, müssten sie diese nach Massgabe der Initianten verringern. Dies wäre nur mittels Enteignung möglich. Besonders betroffen wären Personen, die heute Bauland halten, damit sie dort in Zukunft investieren können. Dies lässt sich anhand eines Beispiels illustrieren: Wenn jemand bereits Baulandreserven besitzt, um auf diesen in Zukunft Mietwohnungen zu bauen, um sich mit den Mieteinnahmen sein Einkommen nach der Pensionierung zu sichern, dann ist das für die betroffene Person ein massiver Eingriff in sein Eigentum und in seine finanzielle Zukunft.

Fortschrittsfeindliche Initiative

Ungeachtet der Umsetzungsmodalitäten der Zersiedelungsinitiative ist sie klar fortschrittsfeindlich. Heute lässt sich kaum abschätzen, wie die räumlichen Bedürfnisse in einem digitalisierten Zeitalter aussehen werden. Die jungen Grünen fordern im ersten Abschnitt ihres Initiativtextes, dass kleinräumige Strukturen gefördert werden sollen. In der Realität wird der Alltag jedes Einzelnen aber immer vernetzter und weitläufiger: Der durchschnittliche Schweizer überschreitet heute innerhalb eines Tages mehrere Gemeindegrenzen. Heute festzulegen, dass die Zukunft in kleinräumigen Strukturen liegen soll, ist deshalb wenig sinnvoll. Ebenso offen ist, wie die Mobilität, die Logistik, die Industrie und andere Bereiche in Zukunft aussehen werden. Die wirtschaftliche Entwicklung würde durch die Initiative eingeschränkt. Ein Beispiel: Immer mehr Personen kaufen online ein. Diese Einkäufe müssen irgendwie nach Hause geliefert werden. Wenn ein Kanton keine Bauzonenreserven mehr besitzt, dann könnte nach einer Annahme der Initiative die benötigte neue Logistikinfrastruktur möglicherweise gar nicht erstellt werden.

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Unnötige Verschärfung des geltenden Rechts

Erste Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) stoppt das stetige Wachstum der Bauzonen

Für eine nachhaltige Raumentwicklung braucht es in der Schweiz keine Verschärfung des geltenden Rechts. Das am 1. Mai 2014 in Kraft getretene teilrevidierte Raumplanungsgesetz (RPG 1) enthält bereits griffige Massnahmen gegen die Zersiedelung und zur Förderung einer Siedlungsentwicklung nach innen. Unter anderem wurden folgende Neuerungen eingeführt:

  • Der Grundsatz, das Baugebiet klar vom nicht Baugebiet zu trennen (Art. 1 RPG).
  • Das Ziel, die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken und kompakte Siedlungen zu schaffen (Art. 1).
  • Dazu sollen brachliegende oder schlecht genutzte Flächen in Bauzonen besser genutzt werden (Art. 15a).
  • Neueinzonungen sind nur noch für den Bedarf der nächsten 15 Jahre zulässig und nur, wenn die inneren Nutzungsreserven konsequent mobilisiert werden, kein Kulturland zerstückelt wird, die Verfügbarkeit des eingezonten Landes sichergestellt ist und die Vorgaben des Richtplans umgesetzt werden (Art. 15 Abs. 4 Bst. b–e).
  • In Artikel 3 wurde ergänzend festgehalten, dass für die Landwirtschaft genügend Kulturland, insbesondere Fruchtfolgeflächen, erhalten bleiben soll.
  • Die kantonalen Richtpläne müssen im Bereich Siedlung neu unter anderem aufzeigen, wie gross die Siedlungsfläche insgesamt und ihre räumliche Verteilung sein sollen und wie eine hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen gelenkt werden soll (Art. 6, 8 und 8a).

Des Weiteren hat auch die am 11. März 2012 vom Volk angenommene Zweitwohnungsinitiative einen dämpfenden Effekt auf die Zersiedelung. Die Bautätigkeit ist deshalb in den Gebieten mit hohem Zweitwohnungsanteil – speziell in den touristischen Berggebieten – rückläufig.

Kantone setzen RPG 1 um

Die oben genannten Massnahmen reichen grundsätzlich aus, um den Landverbrauch einzudämmen. Die Kantone haben bis Ende April 2019 Zeit, die neuen Bestimmungen in ihren kantonalen Richtplänen umzusetzen. Abbildung 1 zeigt den Stand der Umsetzung in den Kantonen per Ende Oktober 2018. In den meisten Fällen ist der Richtplan entweder genehmigt oder beim Bund in Prüfung. Sobald ein Kanton einen neuen Richtplan in Kraft setzt, müssen die neuen Vorgaben in den Gemeinden umgesetzt und deren Nutzungspläne entsprechend angepasst werden. Dies wird zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Das Bundesamt für Raumplanung ARE geht deshalb davon aus, dass die ersten Zahlen, anhand derer die Wirksamkeit des RPG 1 beurteilt werden kann, erst 2022 vorliegen. Bereits jetzt zu behaupten, das revidierte Gesetz zeige keine Wirkung, ist deshalb unredlich.

Grafik 1

Stand der Umsetzung der 1. Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) in den Kantonen.

Anpassung der kantonalen Richtpläne an das revidierte Raumplanungsgsetz

Der Trend geht in die richtige Richtung

Trotz der noch nicht vorhandenen Daten können bereits positive Auswirkungen des RPG 1 beobachtet werden. Das Bundesamt für Raumplanung ARE nennt folgende Beispiele: Mit dem RPG 1 scheint sich also auf institutioneller Ebene in den Kantonen und Gemeinden bereits viel in die gewünschte Richtung zu bewegen. Wird die Zersiedelungsinitiative angenommen, dann würde die Energie der Behörden in die Umsetzung der Initiative gesteckt anstelle der Umsetzung des RPG 1 und der Förderung einer hochwertigen Innenentwicklung.

Strenge Rechtsprechung des Bundesgerichts

Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts setzt einer ausufernden Siedlungsentwicklung klare Grenzen. Es gibt bereits einige Präzedenzurteile zum RPG 1. Diese legen die neuen Bestimmungen sehr strikt aus. Weitere Urteile halten fest, dass die Nutzungspläne der Gemeinden mit dem RPG 1 im Einklang sein müssen.

Seit 2012 ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in den Bauzonen von 7,4 auf 8,0 Millionen gewachsen. Damit leben deutlich mehr Personen auf einer praktisch konstanten Fläche. Die durchschnittliche Bauzonenfläche ist deshalb von 309 auf 291 Quadratmeter pro Einwohner/Einwohnerin gesunken. Die Nutzung der Fläche ist in den letzten Jahren also effizienter geworden, die gewünschte Verdichtung findet statt. Abbildung 2 zeigt dies für verschiedene Gemeindetypen. Vor 2005 nahm die Siedlungsfläche überproportional zu, sie wuchs also stärker als die Bevölkerung. Die Schweiz wurde dementsprechend zunehmend zersiedelt. Seit 2005 hat dieser Trend gekehrt. So hat beispielsweise zwischen 2005 und 2015 die Bevölkerung in den Zentren und Agglomerationsgemeinden um 5,8 Prozentpunkte stärker zugenommen als das Gebäudeareal. Eine solche Umkehr von der Zersiedelung zur Verdichtung lässt sich in praktisch allen Gemeindetypen beobachten.

Grafik 2

In nahezu allen Typen von Schweizer Gemeinden lässt sich in den vergangenen Jahren eine Trendumkehr hin zu einer stärkeren Verdichtung feststellen.

Differenz zwischen Wachstum der Bevölkerung und des Gebäudeareals

Zweite Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) ist im Parlament

Im Jahr 2019 wird im Parlament die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) behandelt werden. In dieser Revision werden diverse neue Regelungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen vorgeschlagen. Das Prinzip der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet wird dabei nicht angetastet. Die Revision sieht zwar für die Kantone mehr Flexibilität vor. Dem steht aber die klare Absicht gegenüber, dass die Bauten ausserhalb der Bauzone nicht zunehmen dürfen. Mehrnutzungen ausserhalb der Bauzone müssen deshalb kompensiert werden, beispielsweise durch den Abbruch bestehender Bauten. Es erscheint zielführender, auf diese Vorlage zu setzen, die die nötige wirtschaftliche und wohnbauliche Entwicklung unter Wahrung der Trennung von Baugebiet und nicht Baugebiet ermöglicht, statt mit der Zersiedelungsinitiative jegliche Entwicklung abzuwürgen.

Nachhaltige Entwicklung und Siedlungsentwicklung nach innen sind bereits heute in der Verfassung verankert

Als zusätzliches Anliegen möchte die Initiative nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit kurzen Verkehrswegen (nachhaltige Quartiere) sowie eine hochwertige Verdichtung fördern. Dafür braucht es allerdings keine Verfassungsänderung. Die Förderung der nachhaltigen Entwicklung ist in der Bundesverfassung bereits in den Artikeln 2 und 73 festgeschrieben. Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und die innere Verdichtung sind zudem im Raumplanungsgesetz in diversen Zielen und Grundsätzen verankert. Dabei wird auch explizit festgehalten, dass die Innenentwicklung «hochwertig» zu sein hat. Der Bund verfügt also bereits heute über die nötigen Instrumente und es braucht hier keinen unnützen zusätzlichen Verfassungsartikel.

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Fazit: Ein falscher Ansatz gegen die Zersiedelung

Drei Gründe, weshalb die Wirtschaft die Initiative ablehnt

Die Wirtschaft lehnt die Zersiedelungsinitiative aus den folgenden drei Gründen ab:

  • Sie schränkt die Entwicklungsfähigkeit übermässig ein.
    Das Einfrieren der Bauzonen lässt die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ausser Acht. Die Entwicklungsmöglichkeiten werden sowohl für Wohnbauten wie auch für das Gewerbe stark eingeschränkt. Eine Verknappung von Bauland würde zu höheren Immobilienpreisen führen und die Ansiedlung von Unternehmen erschweren. Diese Schwächung der Attraktivität als Unternehmensstandort würde der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz schaden.
     
  • Kernanliegen sind bereits heute gesetzlich verankert.
    Die Initiative schlägt eine unnötige Verschärfung des geltenden Rechts vor. Dass die Schweiz mit dem beschränkten Boden haushälterisch umgehen soll, ist längst politischer Konsens. Die Wirkung der eben erst in Kraft getretenen ersten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) wie auch die laufende Diskussion um die zweite Revision (RPG 2) müssen abgewartet werden, bevor allenfalls weitere Anpassungen vorgenommen werden. Bei der kantonalen Umsetzung des RPG 1 zeigt sich aber bereits, dass die Entwicklung in Richtung einer effizienteren Nutzung des Raums geht. Die Zersiedelung scheint also mit den bestehenden Massnahmen eingedämmt werden zu können.
     
  • Kontraproduktiv und ungerecht.
    Die Initiative ist mit ihren Forderungen nach einer Siedlungsentwicklung nach innen sowie einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung nicht nur unnötig, da beides bereits in der Verfassung verankert ist, sondern sie gefährdet diese Ziele sogar. Ein starrer, über die ganze Schweiz verhängter Bauzonenstopp lässt die kantonalen und regionalen Unterschiede ausser Acht. Dies wäre ungerecht, da Gemeinden, die bisher mit Bedacht eingezont haben, bestraft würden. Mit einer Umsetzung der Initiative dürfte sich zudem die Bautätigkeit in abgelegene Gebiete verlagern, was einer effizienteren Bodennutzung zuwiderläuft.

Wirksameres Instrument: Vereinfachung der Bauvorschriften

Die Initiative verfolgt im Kern durchaus berechtigte Anliegen. Die vorgeschlagenen Instrumente sind jedoch untauglich oder sogar kontraproduktiv. Eine bessere Lösung läge auf der Hand: Viele Leute möchten heute gerne zentral wohnen und/oder arbeiten, finden aber kein passendes Angebot auf dem Immobilienmarkt. Es sollte also viel mehr in zentralen Lagen gebaut werden. Dazu bräuchte es vor allem mehr, dichtere und höhere Bauten in den bereits überbauten Siedlungsgebieten. Allzu detaillierte Regulierungen, Ortsbildschutz, Lärmvorschriften und weitere administrative Hürden verhindern dies gegenwärtig. Solange es viel einfacher ist, am Ortsrand oder auf der grünen Wiese zu bauen, wird sich daran wenig ändern. Die Zersiedelung könnte viel wirkungsvoller eingedämmt werden, wenn die Vorschriften und Prozesse für das Bauen in den Zentren vereinfacht würden, damit der Raum und die vorhandene Infrastruktur dank Verdichtung effizienter genutzt werden können.

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