Ja zu Frontex - für den Verbleib bei Schengen

02.03.2022

Auf einen Blick

Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex ist ein wichtiger Pfeiler des Schengen-Abkommens. Sie hilft den Mitgliedstaaten bei der Sicherung ihrer Aussengrenzen und sorgt so für mehr Sicherheit in Europa und in der Schweiz. Zudem ist dadurch das Reisen ohne mühsame systematische Grenzkontrollen innerhalb Europas möglich. Aktuell wird die zugrunde liegende EU-Verordnung von Frontex einer Revision unterzogen. Am 15. Mai 2022 stimmt das Schweizer Stimmvolk darüber ab, ob sich die Schweiz mit einem höheren Beitrag daran beteiligen will oder nicht. Da es sich um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands handelt, steht die Frage nach dem Verbleib der Schweiz bei Schengen/Dublin im Zentrum der Volksabstimmung. Beide Abkommen haben der Schweiz enorme Vorteile gebracht und dürfen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

Das Wichtigste in Kürze

Frontex spielt bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Einwanderung eine Schlüsselrolle. Durch die Revision werden den Grenzschutzbehörden die notwendigen finanziellen und personellen Mittel in die Hand gegeben, damit sie ihren Auftrag umfassend und unter Respektierung der Menschenrechte bestmöglich erfüllen kann. An dieser Weiterentwicklung beteiligen sich alle Schengen-Mitglieder. Auch die Schweiz hat sich aus demselben Grund verpflichtet, einen solidarischen und anteilsmässig höheren Beitrag zu leisten.

Diese Beteiligung ist die Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im Schengen-Raum. Andernfalls tritt der automatische Kündigungsmechanismus gemäss Art. 7 des Vertragstextes in nur sechs Monaten in Kraft, womit die Übereinkommen Schengen und Dublin nicht weitergeführt werden können. Dafür braucht es formell weder eine Kündigung seitens der EU noch der Schweiz. Gerade Schengen bietet der Schweiz aber in vielerlei Hinsicht Vorteile: Die Mitgliedschaft erhöht zum einen die Sicherheit in der Schweiz. Sie ermöglicht beispielsweise Schweizer Behörden den Zugriff auf die Schengener Fahndungsdatenbank und führt dadurch zu mehr Erfolg bei der internationalen Verbrechensbekämpfung. Zum anderen ermöglicht Schengen Schweizerinnen und Schweizern auch barrierefreies Reisen in Europa. Ausserdem wirkt sich die Schengen-Mitgliedschaft positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. So werden unter anderem lange Staus an den Grenzen und dadurch bedingte Probleme beim Güterhandel oder mit den Grenzgängern vermieden. Dank Dublin kann heute ausserdem verhindert werden, dass Asylsuchende innerhalb des Schengen-Raums mehrere Aufenthaltsgesuche stellen.

Gegen eine stärkere Beteiligung und Finanzierung von Frontex durch die Schweiz ist am 20. Januar 2022 das Referendum ergriffen worden, weshalb es überhaupt zu einer eidgenössischen Volksabstimmung kommt. Ein JA stellt den Verbleib der Schweiz im Schengen-Raum und damit auch die Dublin-Mitgliedschaft sicher. Ohne Schengen müsste die öffentliche Hand allerdings jährlich bis zu 270 Millionen Franken zusätzlich aufwenden, um den heutigen Sicherheitsstandard zu erhalten. Ohne Dublin-Mitgliedschaft würde sich die Zahl der Asylbewerber in der Schweiz vermutlich verdoppeln und zu jährlichen Mehrkosten zwischen 350 Millionen und 1,3 Milliarden Franken führen. Hinzu kommen Verluste der Wirtschaft in Milliardenhöhe durch den Wegfall des Schengen-Visums, Staus an den Grenzen und dadurch bedingte Probleme des Güterhandels.

Position economiesuisse

  • Nur durch eine Beteiligung der Schweiz am Frontex-Ausbau werden das Schengen- und das rechtlich daran geknüpfte Dublin-Abkommen gesichert. Andernfalls tritt die automatische Kündigung innert sechs Monaten in Kraft.
  • Frontex spielt beim effizienten Schutz der Schengen-Aussengrenzen eine Schlüsselrolle und macht den umfassenden Abbau von Reisebeschränkungen innerhalb Europas erst möglich.
  • Das Verbrechen kennt keine Landesgrenzen. Dank Schengen können Schweizer Polizeikorps direkt auf die grenzüberschreitende Fahndungsdatenbank zugreifen. Das erhöht die Sicherheit im eigenen Land.
  • Die Abkommen Schengen/Dublin sind von grosser wirtschaftlicher Bedeutung: Die sich daraus ergebende Zusammenarbeit im Bereich der Verbrechensbekämpfung, des Asylwesens und der Wirtschaft erhöht die Schweizer Einkommen laut Bundesrat um bis zu 10,7 Milliarden Franken pro Jahr und die Exporte jährlich um bis zu 5,6 Prozent.
  • Insbesondere der Tourismus kann sich dank Schengen über weitere Touristen aus China, Indien und den Golfstaaten freuen. Ohne das Schengen-Visum drohen der durch die Corona-Krise bereits stark gebeutelten Tourismusbranche zusätzliche Ausfälle von jährlich bis zu 530 Millionen Franken.
  • Es ist deshalb im Interesse der Schweiz, Schengen-Weiterentwicklungen zu übernehmen. Dazu gehört auch die solidarische Teilnahme der Schweiz am europäischen Grenzschutz und damit an Frontex.
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Wie sich die Schweiz heute und in Zukunft an Frontex beteiligt

Frontex als wichtiger Baustein von Schengen

An Schengen nimmt die Schweiz als assoziierter Staat . Ein Referendum gegen die Schengen-Assoziierung hatte das Schweizer Stimmvolk am 5. Juni 2005 mit 54,6 Prozent klar abgelehnt. Seither wurde die Teilnahme der Schweiz in zwei weiteren Volksabstimmungen erneut . Mit der Schaffung des Schengen-Raums wird auf der einen Seite auf systematische Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten . Für deren Bürgerinnen und Bürger herrscht weitgehende Reisefreiheit. Auf der anderen Seite wurden verschiedene Ausgleichsmassnahmen ergriffen, um einen hohen Sicherheitsstandard innerhalb des Schengen-Raums zu gewährleisten. Hierzu gehören:

  • die Verstärkung der Grenzkontrollen an den Aussengrenzen des Schengen-Raums;
  • die Verbesserung der grenzüberschreitenden Polizei- und Justizzusammenarbeit;
  • die Modernisierung des Informationsaustausches im Bereich der Personen- und Sachfahndung (sogenanntes Schengener Informationssystem SIS);
  • die gemeinsame Visumpolitik;
  • die Erleichterung der Rechtshilfe;
  • die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Drogenhandel.

Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, spielt beim Schutz der Schengen-Aussengrenzen eine wichtige Rolle. Sie koordiniert unter anderem die Bereitstellung von Grenzschutz- und Rückkehrexpertinnen und -experten der Mitgliedstaaten und der assoziierten Schengen-Länder und stellt technische Ausrüstung wie Boote, Flugzeuge und Anlagen zur Grenzsicherung/Grenzüberwachung in Gebieten an den Aussengrenzen bereit, in denen die verantwortlichen Mitgliedstaaten zusätzliche Unterstützung benötigen. Frontex greift somit den Schengen-Staaten beim Schutz ihrer Aussengrenzen mit Know-how, Personal und Material unter die Arme. Neben der Grenzkontrolle umfassen Frontex-Einsätze Aufgaben im Zusammenhang mit der Sicherheit auf See, Sicherheitskontrollen, der Suche und Rettung von Flüchtlingen sowie dem Umweltschutz.

Frontex erfüllt diese Aufgaben im Rahmen der «integrierten europäischen Grenzverwaltung». Das heisst, diese werden in gemeinsamer Verantwortung von der Agentur und den für die Grenzverwaltung zuständigen nationalen Behörden wahrgenommen. Die Schengen-Staaten bleiben jedoch weiterhin vorranging für den Schutz ihrer eigenen Grenzen verantwortlich. Bei der Umsetzung dieser Aufgaben kann Frontex auch mit Drittstaaten zusammenarbeiten.

Zurzeit beschäftigt Frontex etwa 1500 Mitarbeitende. Fast ein Viertel davon wird von den Mitgliedstaaten abgeordnet und kehrt nach dem Ende ihrer Amtszeit bei Frontex in ihren nationalen Dienst zurück.

Ein Abseitsstehen der Schweiz verbessert die Menschenrechtssituation an den Schengen-Aussengrenzen nicht – ein aktiver Beitrag hingegen schon

Frontex sieht sich schon seit längerer Zeit mit Vorwürfen konfrontiert, bei ihren Einsätzen die Menschenrechte zu missachten. Nichtregierungsorganisationen und Medien beklagen, die Grenz- und Küstenwachen würden Geflüchtete abfangen und unter Anwendung von Gewalt abschieben. Häufig soll es sich dabei um verbotene, sogenannte «Pushbacks» handeln, bei denen beispielsweise Flüchtlingsboote fahruntüchtig gemacht, in fremde Gewässer geschleppt und dann ihrem Schicksal überlassen würden. Frontex wird vorgeworfen, direkt an systematischen Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu sein oder solche beobachtet und toleriert zu haben. Gemäss eines am 16. Juli 2021 vom EU-Parlament vorgelegten Untersuchungsberichts hat Frontex beim Umgang mit mutmasslichen Grundrechtsverletzungen an den Aussengrenzen zwar durchaus Fehler begangen. Eine Beteiligung der EU-Agentur selbst an «Pushbacks» wurde aber nicht festgestellt.

Die Vorwürfe sind ernst zu nehmen. Sie sind auch ein Hauptgrund für die Ergreifung des Referendums gegen die Beteiligung der Schweiz an Frontex. Ein Rückzug der Schweiz würde die Lage an den Aussengrenzen allerdings nicht verbessern, sondern eher verschlechtern. Denn Frontex wird dadurch nicht abgeschafft, sondern besteht weiter. Nur mit zusätzlichen Mitteln und entsprechend ausgebildetem Personal können Missstände an den Aussengrenzen künftig besser angegangen und behoben werden. Die Schweiz kann hier eine aktive Rolle spielen und hat diesbezüglich in der Vergangenheit bereits Verantwortung übernommen. Sie hat zum Beispiel im Frontex-Verwaltungsrat eine gründliche, zeitnahe und transparente Untersuchung der «Pushback»-Vorwürfe verlangt.

Die Haltung der Schweiz ist klar: Grundrechte müssen bei allen Einsätzen von Frontex ausnahmslos eingehalten werden. Insbesondere muss für schutzbedürftige Personen jederzeit die Möglichkeit bestehen, ein Asylgesuch einzureichen. Ein funktionierender Grenzschutz und die Einhaltung der Grundrechte sind miteinander untrennbar verknüpft. Der Aufbau der Frontex-Ressourcen muss deshalb parallel mit einer Stärkung des Grundrechtsschutzes einhergehen. Entsprechend hat sich die Agentur eine Grundrechtsstrategie gegeben. So sind die grundlegenden Menschenrechte Bestandteil des Verhaltenskodex von Frontex. Durch die neue Frontex-Verordnung werden zudem die Schutz- und Überwachungssysteme ausgebaut. Beamte der See- oder Landesgrenzüberwachung bzw. Rückführungsbeobachter werden regelmässig und speziell vor Einsätzen geschult, ein internes Verfahren zur Meldung schwerwiegender Vorkommnisse wurde eingeführt. Ausserdem gibt es ein Beschwerdeverfahren für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Der Grundrechtsbeauftragte (Fundamental Rights Officer, FRO) überwacht die Umsetzung der Verpflichtungen in Bezug auf Grundrechte bei Frontex. Er kann selbstständig Ermittlungen bei allen Tätigkeiten der Agentur anstellen und führt regelmässig Besuche vor Ort durch. Zusätzlich werden 40 unabhängige Grundrechtsbeobachterinnen und -beobachter in Zukunft die Tätigkeit der Agentur ständig überwachen und bewerten, 20 von ihnen haben die Arbeit schon aufgenommen.

Wer finanziert Frontex?

Frontex wird aus dem ordentlichen EU-Budget sowie Beiträgen der assoziierten Schengen- Staaten, darunter der Schweiz, finanziert. Ausserdem tragen die Schengen-Staaten die Lohnkosten ihrer eigenen Einsatzkräfte während der Dauer ihres Einsatzes für Frontex.

Wieso braucht es jetzt einen Ausbau?

Während der europäischen Flüchtlingskrise kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Asylanträge von 630’000 im Jahr 2014 auf 1,3 Millionen in den Jahren 2015 und 2016, bevor sie sich in den folgenden Jahren wieder auf ungefähr 650’000 Gesuche pro Jahr einpendelten. Die Schengen-Staaten im Süden und Osten Europas waren von der Entwicklung an ihren Aussengrenzen völlig überfordert. Als Reaktion darauf entschieden sich die Schengen-Staaten im Jahr 2016, Frontex auszubauen und zu verstärken. Die Flüchtlingskrise 2015 und die jüngsten Ereignisse an der Grenze zu Weissrussland haben gezeigt, dass die Schengen-Staaten mit langen Aussengrenzen von der Gemeinschaft stärker unterstützt werden müssen, um diese vor illegalen Grenzüberschreitungen zu sichern und den Menschenhandel zu unterbinden. Damit dies unter Respektierung der Menschenrechte geschehen kann, müssen Frontex die nötigen Mittel in die Hand gegeben werden. Die Schweiz muss sich an diesen zusätzlichen Kosten im Rahmen ihrer Verpflichtungen anteilmässig und solidarisch beteiligen. Ansonsten kann Schengen nicht funktionieren.

Dank digitalem Nachschlagewerk FADO Dokumentfälschungen auf der Spur

Frontex betreut seit der Ausweitung seines Aufgabenbereichs auch das europäische Bildspeichersystem «False and Authentic Documents Online» (FADO-System). Dabei handelt es sich um ein digitales Nachschlagewerk der EU. Die Verwendung gefälschter Dokumente hat in den letzten Jahren im Schengen-Raum und insbesondere an den Aussengrenzen erheblich zugenommen. Eine gute Zusammenarbeit der Polizei-, Grenzschutz- und Migrationsbehörden aller Schengen-Staaten ist daher für eine wirksame Bekämpfung der Dokumentenfälschung zentral. FADO dient dem Austausch von Informationen über Sicherheitsmerkmale und potenzielle Fälschungsmerkmale in echten und gefälschten Dokumenten. Seit 2014 konnten Schweizer Behörden dank FADO jährlich zwischen 3800 und 5100 gefälschte Dokumente identifizieren und aus dem Verkehr ziehen. Die Teilnahme an diesem Bilderkennungssystem erhöht somit die Sicherheit in der Schweiz. Zurzeit berät das Parlament die Übernahme der geänderten EU-Verordnung über das FADO-System in Schweizer Recht.

Wie beteiligt sich die Schweiz an Frontex?

Um die ihr neu zugeteilten Aufgaben bewältigen zu können, soll Frontex bis zum Jahr 2027 eine ständige Reserve von 10’000 Grenzschützerinnen und Grenzschützern aufbauen. Neben ständig bei der Agentur angestelltem Personal stellen die Schengen-Staaten zusätzlich qualifiziertes eigenes Personal für langfristige Abordnungen (bis zu zwei Jahre), kurzfristige Einsätze (bis zu vier Monate) und für einen Soforteinsatzpool zur Verfügung. Die Anzahl des Personals, welches die Schweiz zur Verfügung stellen muss, wird gemäss einem vereinbarten Beitragsschlüssel berechnet. Beginnend mit vier Personen 2021 wird die Schweiz ab 2027 maximal 39 Personen pro Jahr zu den insgesamt 10'000 Einsatzkräften von Frontex beisteuern.

Mit dem Ausbau der Aufgaben erhöht sich auch das Budget von Frontex. Der Finanzrahmen der EU 2021 bis 2027 sieht für Frontex einen Betrag von 6,4 Milliarden Euro (umgerechnet rund 6,7 Milliarden Franken) . Da ein Teil davon durch den EU-Haushalt finanziert wird, müssen die assoziierten Schengen-Staaten wie die Schweiz für ihre Teilnahme eigene Mittel beisteuern. Aufgrund der Erhöhung des Budgets für den Grenzschutz wächst auch der jährliche Beitrag der Schweiz an die Agentur um ein Mehrfaches. Ausgehend von etwa 24 Millionen Franken 2021 soll der jährliche Beitrag der Schweiz graduell auf maximal 61 Millionen Franken im Jahr 2027 steigen.

Wie bei allen assoziierten Staaten wird der Schweizer Beitrag für die Finanzierung von Frontex nach dem Verhältnis des nationalen Bruttoinlandprodukts (BIP) zu demjenigen aller Teilnehmerländer der Agentur . Dieser macht etwas mehr als 4 Prozent aus. Dadurch ergibt sich ein Schweizer Anteil von rund 317 Millionen Franken für die gesamte Finanzperiode von Frontex. Die Lohnkosten für die Bereitstellung ihrer nationalen Einsatzkräfte tragen die Schengen-Staaten selbst. So auch die Schweiz.

Der BIP-Anteil der Schweiz dient als Grundlage für die Berechnung der Beiträge an Frontex.

Finanzielle Auswirkungen
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Frontex und Schengen/Dublin – untrennbar miteinander verknüpft

Aus rechtlicher Sicht ist die Sache klar: Entscheidet sich die Schweiz gegen die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands und damit gegen den vorgesehenen Ausbau von Frontex, wird das Schengen-Abkommen gemäss Art. 7 Abs. 4 des Vertragstextes automatisch beendet. Und zwar in nur sechs Monaten. Eine Kündigung des Abkommens ist weder durch die EU noch die Schweiz notwendig. Allein der Gemischte Ausschuss kann nach sorgfältiger Prüfung der Möglichkeiten zur Fortsetzung des Abkommens einstimmig beschliessen, dass die Schweiz nicht automatisch aus dem Schengen-Abkommen ausgeschlossen wird. Dafür braucht es aber einen einstimmigen Beschluss innert 90 Tagen. Tut er dies nicht, wird die Beendigung des Schengen-Abkommens drei Monate nach Ablauf der Frist von 90 Tagen rechtswirksam.

Ohne Übernahme der Frontex-Verordnungen scheidet die Schweiz automatisch aus den Abkommen Schengen und Dublin aus.

Beendigungsverfahren

Da das Dublin-Übereinkommen mit dem Schengen-Abkommen rechtlich untrennbar verknüpft ist, wird die Schweiz auch aus diesem Abkommen innerhalb von sechs Monaten automatisch .

Vom Ausschluss der Schweiz aus Schengen und Dublin nicht betroffen sind die übrigen bilateralen Abkommen mit der EU. Es besteht hier kein rechtlicher Zusammenhang und die Bilateralen I und II sind auch nicht über Guillotine-Klauseln mit Schengen und Dublin verknüpft.

Keine Sonderbehandlung der Schweiz zu erwarten

Aus politischer Sicht kann man sich fragen, ob die EU angesichts der bestehenden, engen Verflechtung mit der Schweiz bereit wäre, die Beendigung zu riskieren. Diese Verflechtung ist aber nur relevant, soweit sie sich auf die Zusammenarbeit von Schengen und Dublin bezieht. Wie bereits erwähnt, gibt es zwischen Schengen und Dublin und den übrigen Abkommen (Bilaterale I und II) kein rechtliches Junktim. Eine von diesen Abkommen ausgehende Verflechtung mit der EU ist für den Verbleib der Schweiz bei Schengen und Dublin also nicht relevant.

Frontex ist eines der wichtigsten Instrumente der EU zur Verbesserung des Schutzes der Aussengrenzen. Die möglichst rasche Umsetzung der Reform der Agentur ist eines der Kardinalziele der EU. Für die EU-Staaten gelten die Frontex-Verordnung und die daraus fliessenden Verpflichtungen unbedingt und unmittelbar. Setzen sie diese nicht um, riskieren sie ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof EUGH mit der Möglichkeit von Zwangsgeldern bei fortgesetzter Vertragsverletzung. Das ist bei der Schweiz als assoziierter Staat nicht der Fall, wenn sie die Frontex-Verordnung nicht übernimmt. Ausser der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft hat die EU kein anderes Druckmittel gegen die Schweiz, diese zur Übernahme des Schengen-Besitzstands zu bewegen. Vor diesem Hintergrund würde eine Nichtübernahme seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten nicht anders verstanden werden als der Versuch des Rosinenpickens. Ein Etikett, mit dem die Schweiz ja bereits seit Längerem zu kämpfen hat.

Die EU kann es sich aus innenpolitischen Gründen nicht leisten, die Schweiz besserzustellen als die EU-Mitgliedstaaten. Das würde ansonsten den inneren Zusammenhalt unter den EU-Mitgliedstaaten und damit ihre Bereitschaft, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, ernsthaft unterminieren. Die EU hätte deshalb kaum eine andere Wahl, als im Gemeinsamen Ausschuss auf der vollständigen Übernahme der Frontex-Verordnung durch die Schweiz zu beharren.

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Nutzen des Schengen-Abkommens für die Schweiz

International erfolgreiche Polizei- und Justizzusammenarbeit dank Schengen

Im Gegenzug zum Abbau der systematischen Personenkontrollen und dem Ausbau der Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden intensiviert worden. Ausserdem werden mobile Personenkontrollen im Grenzhinterland oder im Landesinneren im Rahmen der nationalen Ersatzmassnahmen durchgeführt.

Zur Verbesserung der internationalen Verbrechensbekämpfung haben haben die Schengen-Staaten eine europaweite elektronische Fahndungsdatenbank aufgebaut. Das Schengener Informationssystem (SIS II) ist mittlerweile ein zentrales Instrument für die tägliche Fahndungsarbeit der Sicherheitsbehörden und der Schweizer Polizei. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. 2021 gab es gemäss dem Bundesamt für Polizei fedpol insgesamt mehr als 19’000 Fahndungstreffer. Pro Tag erhalten Schweizer Strafverfolgungsbehörden zwischen 40 und 60 Hinweise auf potenziell gefährliche Personen. Heute kann es nicht mehr vorkommen, dass die Schweiz international gesuchten Verbrechern die Aufenthaltsbewilligung verlängert, weil sie keinen Zugang zur europäischen Verbrecherdatenbank hat.

Der Schweizer Zugriff auf die Schengener Fahndungsdatenbank hat die grenzüberschreitende Verbrechensbekämpfung verbessert.

Fahndungstreffer im Schengener Informationssystem

Effektive Verbrechensaufklärung dank internationaler Zusammenarbeit

Die internationalen Fahndungsdatenbanken wie das Schengen-Informationssystem SIS ermöglichen es Schweizer Strafverfolgungsbehörden, Verbrechen mit einem Auslandbezug rasch aufzuklären. 2017 konnte der Bruder des islamistischen Attentäters von Marseille dank Informationen aus der SIS-Datenbank an der Einreise in die Schweiz gehindert und verhaftet werden. 2018 wurde der Partner und mutmassliche Mörder der 2018 in Frutigen ermordeten Daniela S. dank einer Fahndungsausschreibung im SIS innert kürzester Zeit in Frankreich gefasst. Nach Sprengstoffüberfällen 2019 auf Bankomaten in der Nähe von St. Gallen und Zürich wurden zwei Hauptverdächtige aufgrund einer Fahndungsausschreibung im SIS 2020 in Österreich und Dänemark verhaftet. Die Täter hatten eine DNA-Spur hinterlassen, die in der Europol-Datenbank zu Treffern führte. Nach spektakulären Überfällen auf gepanzerte Geldtransporter in der französischen Schweiz in den Jahren 2017 bis 2019 konnte die französische Polizei zudem die kriminellen Banden aus den Vorstädten Lyons 2020 dingfest machen. Der Fahndungserfolg war das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Polizei fedpol, der französischen Nationalpolizei und den Kantonspolizeien. Aber auch die Polizei- und Grenzkontrollbehörden vom Nordkap bis Sizilien haben Zugriff auf die Fahndungsinformationen der Schweizer Behörden. 2019 waren SIS-Fahndungen nach rund 600 zur Verhaftung ausgeschriebenen Personen mit Schweizer Bezug erfolgreich.

Die Zusammenarbeit zwischen den Staaten wird ausserdem durch ein zweites System, das Visa-Informationssystem (VIS) unterstützt. Verweigert die Schweiz einer Person die Einreise, so wird das im VIS vermerkt und die Sperre gilt für alle Schengen-Staaten. Illegale Einreise und Aufenthalt in der Schweiz werden damit schon ausserhalb der Schweiz erschwert. Ist die Schweiz nicht mehr Schengen-Mitglied, haben die Sicherheitsbehörden auch keinen Zugriff mehr auf diese Datenbanken, wodurch sich der für die Wirtschaft wichtige Standortfaktor Sicherheit verringern dürfte.

Das FADO-System schliesslich dient der Erkennung von gefälschten Dokumenten und Identitätsbetrug. Es wird durch Frontex betreut. Namentlich die Polizei-, Grenzkontroll- und Migrationsbehörden, aber etwa auch die Strassenverkehrsämter oder die Zivilstandesbehörden sind darauf angewiesen. Die Schweiz hat seit dem Jahr 2014 jährlich zwischen 3800 und 5100 gefälschte Dokumente identifiziert.

Mit dem Verlust von Schengen würden die Schweizer Strafverfolgungsbehörden den Zugang zu den europäischen Informationssystemen verlieren und bei der internationalen Verbrechensbekämpfung praktisch blind werden.

Grossbritannien hat seit Tag 1 nach dem Brexit keinen Zugang mehr zum SIS

Wie rasch einem Land der wichtige Zugriff auf internationale Fahndungsdatenbanken verwehrt wird, zeigt sich am Beispiel von Grossbritannien. Mit dem Austritt aus der EU hat das Vereinigte Königreich seinen Zugang zu den europäischen Fahndungsdatenbanken verloren. Das Vereinigte Königreich ist auch kein Schengen-Mitglied. Es hat deshalb weder Zugang zum Europol-Informationssystem noch zu dem System, das den Mitgliedstaaten in den Projektanalysen die Suche nach dem Treffer-/kein-Treffer-Verfahren ermöglicht. Was dies für die britischen Strafverfolgungsbehörden bedeutet, lässt sich erahnen, wenn man weiss, dass das Vereinigte Königreich am 31. Dezember 2020 insgesamt 5'753’646 Personenfahndungsausschreibungen im SIS eingestellt hatte. Am 1. Januar 2021 – also gleich am ersten Tag nach dem Inkrafttreten des Brexits – wurde das Vereinigte Königreich vom SIS abgekoppelt und sämtliche Personenfahndungsausschreibungen des Vereinigten Königreichs zu natürlichen Personen wurden . Damit verliert das Vereinigte Königreich ein Schlüsselinstrument zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und ist mehr denn je auf den direkten Kontakt und die Mithilfe der europäischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden angewiesen. Da die Schweiz nicht EU-Mitglied ist, hat sie nur als Schengen-Mitglied Zugang zu den europäischen Fahndungsdatenbanken.

Schengen ist positiv für die Schweizer Volkswirtschaft

2015 wollte die SP-Fraktion vom Bundesrat wissen, welche volkswirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen die Schengen-Assoziierung der Schweiz hat. Eine vom Bundesrat in Auftrag gegebene des wirtschaftlich und politisch unabhängigen Beratungs- und Forschungsbüros Ecoplan kam 2018 zum Schluss, dass das Schweizer BIP bei einem Wegfall des Schengen-Abkommens im Jahr 2030 um bis zu 3,7 Prozent geringer wäre, die jährlichen Pro-Kopf-Einkommen um bis zu 1600 Franken zurückgehen würden und die Exporte um bis zu 5,6 Prozent tiefer ausfallen könnten. Ein Wegfall der Zusammenarbeit mit der EU bei Schengen/Dublin würde zwar Einsparungen von rund 50 Millionen Franken pro Jahr bringen. Mit dem zusätzlichen Wegfall des zur Diskussion stehenden Frontex-Beitrags der Schweiz von 317 Millionen Franken könnte die Schweiz jährlich maximal 95 Millionen Franken einsparen. Allerdings würde der Wegfall von Schengen/Dublin die öffentliche Hand mit bis zu 270 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich belasten. Es ist somit unbestritten, dass die Reiseerleichterungen und die internationale Kooperation im Rahmen von Schengen und Dublin die Schweizer Volkswirtschaft positiv beeinflussen. Allerdings müssen die Resultate in einen Kontext gestellt werden.

Wie stark sich ein Wegfall der Abkommen tatsächlich auf das BIP, das Pro-Kopf-Einkommen und auf die Exporte auswirkt, hängt wesentlich von der konkreten Umsetzung respektive dem Verhalten anderer Schengen-Staaten ab. Ecoplan untersuchte insbesondere drei primäre Effekte eines Austritts der Schweiz, die in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert werden:

  1. Ohne Schengen würden an den Schweizer Grenzen wieder systematische Kontrollen eingeführt werden.
  2. Die Schweiz müsste wieder eigene Visa erteilen.
  3. Ohne Dublin käme es wieder zu mehr Asylgesuchen beziehungsweise könnte die Schweiz Zweitgesuchsteller nicht mehr in andere Schengen-Staaten überstellen.

Nun kann man verschiedene Szenarien aufstellen, wie stark diese Effekte ausfallen. Grundsätzlich wäre es denkbar, dass beispielsweise Deutschland auf die Einführung von Grenzkontrollen am Schweizer Zoll verzichten würde. Das würde den oben beschriebenen volkswirtschaftlichen Schaden verringern. Gleichzeitig muss aber auch festgehalten werden, dass Ecoplan für ihre Schätzungen nicht alle möglichen Effekte berücksichtigt hatte.

Wie weiter oben aufgezeigt wurde, ermöglicht das Schengen-Übereinkommen den Schweizer Strafverfolgungsbehörden, auf das Schengen-Informationssystem und somit auf die europaweite Fahndungsdatenbank zuzugreifen. Die hieraus resultierende Erhöhung der inneren Sicherheit floss allerdings nicht in die Modelle über die volkswirtschaftlichen Folgen ein. Somit lässt sich vermuten, dass die Teilnahme der Schweiz an Schengen und Dublin die Schweizer Wirtschaft positiver beeinflusst, als dass die verfügbaren Zahlen belegen.

Die Tourismusregionen brauchen Schengen

Seit die Schweiz bei Schengen dabei ist, müssen Touristen aus Staaten ausserhalb der EU kein zusätzliches Visum mehr lösen, wenn sie neben Berlin, Paris und Mailand auch noch Zürich oder Luzern bereisen wollen. Und das wirkt sich auf die Anzahl Logiernächte aus: Chinesische, indische und arabische Touristen übernachten seither öfter in der Schweiz.

Seit dem Schengen-Beitritt kommen vermehrt Touristen aus China, Indien und den Golfstaaten in die Schweiz.

Entwicklung der Logiernächte in der Schweiz

Zudem zeigt sich, dass Reisende aus China, Indien und den Golfstaaten während ihres Aufenthalts in der Schweiz viel Geld ausgeben – zum Beispiel, wenn sie in Restaurants essen, Uhren kaufen oder Museen besuchen. Insgesamt geben sie pro Tag zwischen 310 und 420 Franken pro Person aus. Das ergibt eine jährliche Bruttowertschöpfung von 1,1 Milliarden Franken gemäss den verfügbaren Zahlen für das Vor-Corona-Niveau. Die Bedeutung dieser Summe für den Tourismus und damit die Schweizer Volkswirtschaft lässt sich folgendermassen verdeutlichen: Die drei erwähnten Touristengruppen steuern knapp sechs Prozent zur gesamten Wertschöpfung der Tourismusindustrie bei. Diese beschäftigt in der Schweiz aktuell über 162'000 Menschen. Vor der Coronapandemie war der Anteil mit über 181’000 Beschäftigen (2018) noch höher.

Ohne die erleichterten Schengen-Visabestimmungen muss mit einem Rückgang von Touristen aus diesen Ländern gerechnet werden. Je nachdem, wie die Schweiz künftig ihre Visa mit jenen der Schengen-Staaten koordinieren kann, werden der hiesigen Tourismusbranche laut Ecoplan jährlich zwischen 200 und 530 Millionen Franken entgehen.

Mit der Wiedereinführung der systematischen Personenkontrollen an den Schweizer Grenzen muss aber auch mit einem Rückgang der europäischen Gäste gerechnet werden, die etwa 30 Prozent aller Logiernächte in der Schweiz ausmachen. So können deutsche Touristen die Alpenfrische auch in Österreich, Frankreich oder Italien geniessen, ohne Personenkontrollen und dadurch bedingte Wartezeiten an den Schweizer Grenzübergängen in Kauf nehmen zu müssen.

Dank Schengen gibt es keine langen Staus an den Grenzen und Warteschlangen an Flughäfen

Dank Schengen gibt es heute an den Schweizer Grenzen keine systematischen Personenkontrollen mehr. Davon profitieren all diejenigen Menschen in den fast 600'000 Fahrzeugen, welche die Schweizer Grenze täglich überqueren. Es ist schwierig vorherzusagen, wie deutsche, französische, österreichische und italienische Beamte künftig Fahrzeuge an den Grenzen überprüfen würden, wenn die Schweiz nicht mehr im Schengen-Raum wäre. Welche Auswirkungen derartige Kontrollen haben könnten, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: 2004 hatten deutsche Grenzbeamte vorübergehend systematische Kontrollen von Fahrzeugen eingeführt. Der Verkehr brach kurzerhand zusammen. Die Autos stauten sich am Zoll und die Leute wurden mit langen Wartezeiten konfrontiert. Wie lange die Grenzüberquerer im Falle eines Wegfalls von Schengen effektiv warten müssten, hängt davon ab, wie viele zusätzliche Grenzbeamte die Nachbarstaaten anstellen, wie viele Grenzübergänge sie schliessen und wie stark sie in den Ausbau von solchen investieren würden. Im für die Wirtschaft günstigsten Fall entstehen bei einem Schengen-Austritt Wartekosten von 1,8 Milliarden Franken. Den grössten Teil davon müssten Grenzgänger tragen, aber auch für die übrigen Schweizer Grenzüberquerer fielen Kosten in Höhe von 143 Millionen Franken pro Jahr an. Wenn allerdings die Nachbarstaaten nicht bereit sind, stark in die Infrastruktur an den Grenzen zu investieren, können die Wartekosten bis auf 3,2 Milliarden Franken steigen. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden und importierenden Unternehmen massiv verringern.

Ohne Schengen müssten die Schweizer aber nicht nur länger an den Landesgrenzen warten, sondern auch an den internationalen Flughäfen der Schweiz. Bei einem Austritt müssten sie ihre Terminals wieder vereinheitlichen, da diese zurzeit in einen Schengen- und Nicht-Schengen-Bereich aufgeteilt sind. Somit würden Reisende zum Beispiel auch bei Flügen nach Berlin wieder ihren Pass zeigen müssen und an einem entsprechenden Schalter anstehen. Gemäss Schätzungen müsste allein der Flughafen Zürich zwischen 65 bis 125 Millionen Franken investieren und abschreiben.

Schengen macht den Schweizer Forschungs- und Wissenschaftsstandort attraktiver

Die Schengen-Visa haben sich nicht nur positiv auf den Schweizer Tourismus ausgewirkt. Es erleichtert auch das Reisen für ausländische Geschäftsleute, was wiederum zu mehr Aufträgen für Schweizer Unternehmen führen kann. Das trifft auch auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu, was die Attraktivität des Schweizer Forschungs- und Wissenschaftsstandorts steigert. Mit einem Schengen-Visum kann beispielsweise eine brasilianische Professorin der ETH Zürich ohne bürokratische Umstände für zwei Tage nach Berlin an eine Konferenz reisen. Gleichzeitig kann eine indische Forschergruppe, die in Paris an einem Projekt arbeitet, eine Fachtagung in Genf besuchen – ohne dass sie das Schweizer Konsulat in Frankreich aufsuchen und ein Visum beantragen muss.

Reisefreiheit stärkt internationales Genf

Es begann mit der Gründung des Roten Kreuzes im Jahr 1863, dass Genf sich zur weltweit wohl begehrtesten Gastgeberin für internationale Organisationen und Anlässe entwickeln konnte. Genf steht für Diplomatie, globales Engagement und multilaterale Zusammenarbeit. Genf ist aber nicht die einzige Stadt, die um solche Organisationen und Anlässe buhlt. Wien oder Kopenhagen sind namhafte Mitbewerber aus dem Schengen-Raum. Deshalb ist Genf besonders darauf angewiesen, dass die Schweiz Teil des Schengen-Raums bleibt und das Schengen-Visum beibehält.

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Mit dem Dublin-Übereinkommen spart die Schweiz jährlich Kosten in Millionenhöhe

Ohne Dublin-Vertrag könnte die Schweiz künftig Asylsuchende, für deren Prüfung des Asylgesuchs sie gemäss Dublin-Abkommen nicht zuständig ist, nur noch beschränkt in den zuständigen Dublin-Staat überstellen. Folglich müsste sie alle Gesuche umfassend prüfen. Es wäre mit mehr Zweitgesuchen von Personen zu rechnen, die in einem anderen Dublin-Staat bereits abgelehnt wurden. Wie stark diese Zunahme ausfällt, ist schwierig vorauszusagen. Ein Indiz für die mögliche Zunahme können die negativen erstinstanzlichen Asylentscheide in den Nachbarstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich) sein. 2020 wurden in der Schweiz 13’512 neue Asylgesuche gestellt. Würden zehn Prozent der Personen, deren Asylgesuche im selben Jahr in unseren Nachbarstaaten abgelehnt wurden, in der Schweiz erneut ein Asylgesuch stellen, müssten die Schweizer Behörden zusätzlich 16’300 Gesuche umfassend prüfen. Dadurch würden die Asylgesuche in der Schweiz mehr als verdoppelt. Welche zusätzlichen Kosten der Wegfall von Dublin für das Schweizer Asylwesen verursachen würde, ist schwer abzuschätzen. Die Ecoplan-Studie hielt 2018 fest, dass der Schweiz im Asylbereich Mehrkosten von 350 Millionen bis maximal 1332 Millionen Franken pro Jahr entstehen könnten. Die Schätzungen beruhten auf einer minimalen Variante von einem Prozent und einer maximalen Variante von zehn Prozent der in allen Dublin-Staaten abgewiesenen Asylgesuchstellenden, die in der Schweiz ein Zweitgesuch stellen könnten.

Mit der Schengen- würde auch die Dublin-Assoziierung wegfallen. Dieses hat sich aber bewährt.

Entwicklung im Asylbereich

Rund ein Drittel aller neurechtlichen Fälle wird im sogenannten Dublin-Verfahren erledigt. Dieses Verfahren bezweckt, dass jeder Asylantrag, der auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestellt wird, materiell-rechtlich nur durch einen Staat geprüft wird, und zwar denjenigen, in welchem der erste Asylantrag gestellt worden ist. Damit soll eine Sekundärwanderung innerhalb Europas möglichst verhindert werden. Die Anzahl Rücküberstellungen an einen Erstantragsstaat durch die Schweiz ist wesentlich grösser als die Anzahl Übernahmen durch andere Dublin-Staaten. In den Jahren 2009 bis 2020 überstellte die Schweiz 32’620 Personen, während sie nur 8667 Fälle übernahm.

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Schlusswort: Eine aktive Beteiligung der Schweiz an Frontex sichert den Verbleib bei Schengen/Dublin

Nur dank sicherer Aussengrenzen ist es möglich, innerhalb Europas die systematischen Grenzkontrollen abzubauen. Die Schengen-Staaten müssen Frontex die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, damit diese Sicherheitsmassnahmen zielführend und effizient angegangen werden können. Auch die Schweiz muss hier ihren solidarischen Beitrag leisten, zumal ein stärkerer Schutz der Aussengrenzen auch für eine sicherere Schweiz steht. Die unmittelbaren Folgen einer Verweigerung der Schengen-Weiterentwicklung durch die Schweiz wären weitreichend und würden das Ende der Schengen- und Dublin-Mitgliedschaft bedeuten. Beide Übereinkommen ermöglichen den Schweizerinnen und Schweizern mehr Freiheiten. So müssen sie bei den Grenzüberquerungen weniger lange im Stau stehen oder können an den Schweizer Flughäfen schneller zum Gate und ihren Flug zum Beispiel nach Amsterdam antreten. Auch die Wirtschaft zieht grossen Nutzen aus den verringerten Staukosten und dem erleichterten Visumszugang. Nicht zuletzt entlasten die Abkommen auch die Schweizer Staatsfinanzen.

Die Vorwürfe an den europäischen Grenzschutz, den Menschenrechten an den Schengen-Aussengrenzen nicht genügend Beachtung zu schenken, sind ernst zu nehmen. Die Schweiz muss sich aktiv dafür einsetzen, dass die Grundrechte bei allen Einsätzen von Frontex ausnahmslos eingehalten werden. Mit dem Rückzug der Schweiz würde sich die Situation aber nicht verbessern. Im Gegenteil. Frontex bleibt weiterhin bestehen und die Schweiz schaut einfach weg. Das ist nicht zielführend, jedoch verantwortungslos. Die Schweiz hat am 15. Mai 2022 die Möglichkeit, aktiv einen Beitrag zur Verbesserung zu leisten und die wichtige Schengen-Mitgliedschaft zu sichern. Dafür braucht es ein klares JA an den Urnen.

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