Intensiver Kampf ums Steuersubstrat: Schweiz muss handeln

Es ist unbestritten, dass die international angreifbaren Steuerstatus nicht länger im Interesse der Schweiz sind, sondern unserem Standort schaden. Der Bundesrat ging im Anschluss an die Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III denn auch entschlossen vor. Er legte nach Anhörung der betroffenen Kreise und in enger Abstimmung mit den Kantonen bereits im September letzten Jahres die Steuervorlage 17 zur Vernehmlassung vor.

Trotz diesem steuerpolitischen Sprint ist auch die internationale Steuerwelt 2017 nicht stehen geblieben. Zahlreiche Ereignisse des letzten Jahres erhöhen den Reformdruck auf die Schweiz. So schreitet die Umsetzung des OECD-Projekts BEPS gegen Gewinnverkürzung und -verschiebung voran. Im vergangenen Sommer beschlossen die eidgenössischen Räte den automatischen Austausch länderbezogener Berichte, der dazu führt, dass die Schweiz bereits dieses Jahr erstmals amtliche Steuervorbescheide (Rulings) sowie steuerlich relevante Firmeninformationen an ausländische Behörden liefert. Für hier ansässige Unternehmen steigt das Risiko ausländischer Sanktionen und Doppelbesteuerungen, wenn die Schweiz die privilegierte Besteuerung internationaler Gesellschaften nicht abschafft.

Noch keine «schwarze», aber eine «schädliche» und eine «graue» Liste

Im Oktober publizierte die OECD ein aktuelles Verzeichnis «schädlicher» Steuerpraktiken; wie vorauszusehen, sind auch die Schweizer Steuerregimes aufgeführt. Weniger erwartet – wenn auch nicht überraschend – nahm die EU Anfang Dezember die Schweiz auf eine «graue» Liste und mahnt damit an die Verpflichtung, die kritisierten Steuerpraktiken bis Ende 2018 aufzuheben. Die US-Steuerreform erhöht mit der drastischen Senkung der Firmensteuern von 35 auf 21 Prozent nicht nur die Standortattraktivität der USA. Der Wechsel auf ein territoriales System (im Ausland erzielte Gewinne werden in den USA nicht länger besteuert) heizt zudem den innereuropäischen Wettbewerb um US-Investitionen an. Ein nächster Zug in diesem Spiel wird von Grossbritannien erwartet.

Im Steuerwettbewerb nutzen grössere Staaten ihre machtpolitische Stärke gezielt zum eigenen Vorteil. Doch auch die kleine Schweiz hat einen Trumpf im Ärmel: die Steuervorlage 17 (SV17). Der Ersatz angreifbarer Regimes durch global verbreitete Sonderregeln garantiert den Firmen die Akzeptanz durch ausländische Behörden. Gleichzeitig erhalten die Kantone Mittel zur Realisierung eines wettbewerbsfähigen Steuerniveaus. Mit der SV17 kontert die Schweiz sämtliche Angriffe auf das Steuersubstrat und sichert sich die volkswirtschaftlichen und finanziellen Vorteile eines der weltbesten Standorte für internationale Unternehmen.

Steuervorlage 17 und finanzielle Nachhaltigkeit: die Trümpfe der Schweiz

Ein weiterer Trumpf der Schweiz – gerade etwa im Gegensatz zu den USA – liegt in den gesunden Staatsfinanzen. Die Schweizer Verschuldung ist stabil, und das Versprechen von Bund und Kantonen, Firmen dauerhaft wettbewerbsfähige steuerliche Bedingungen zu bieten, deshalb glaubhaft. Eine schuldenfinanzierte Steuersenkung ist es nicht. Steuerliche Attraktivität und die finanzielle Ergiebigkeit der Firmenbesteuerung sind dabei kein Gegensatz. Der Bund plant bis 2021 mit zusätzlichen zwei Milliarden Franken Gewinnsteuereinnahmen – ein substanzieller Betrag, der die Kosten der Reform der SV17 beim Bund bereits mehr als finanziert. Mehreinnahmen in dieser Höhe sind jedoch nur plausibel, wenn die steuerliche Attraktivität der Schweiz erhalten bleibt. Dafür braucht es die SV 17, und zwar ohne Verzögerung.

Positiv stimmt, dass eine in weiten Teilen breit akzeptierte Lösung vorliegt: die Abschaffung der Steuerprivilegien, ein Werkzeugkasten global verbreiteter Sonderregeln zur freiwilligen Nutzung durch die Kantone, ein finanzieller Ausgleich für Kantone, Städte und Gemeinden. Diese grundlegenden Elemente sind allesamt unbestritten. Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung betrifft der Hauptteil der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik lediglich die Feinabstimmung der Vorlage. Etwa ob die Kantone finanzielle Kompensationen durch eine höhere Dividendenbesteuerung und eine Erhöhung der Familienzulagen vom Bund vorgeschrieben erhalten oder freiwillig eigene Massnahmen ergreifen können (wie beispielsweise BS, VD oder TI).

Im internationalen Steuerwettbewerb wird mit härtesten Bandagen gekämpft. Rücksicht auf innerschweizerische Befindlichkeiten werden keine genommen. Im Gegenteil: Schafft es die Schweiz nicht, ihr Steuer-Haus in Ordnung zu bringen, freut das die Konkurrenz. Ein erneutes Scheitern der wichtigsten Steuerreform seit Jahrzehnten können wir uns nicht leisten – wortwörtlich. Wegbrechende Einnahmen und Sparprogramme auf allen staatlichen Ebenen wären die sichere Folge. Eine alternative, ebenso zielführende Reform gibt es nicht – im Verlauf der nun bald zehnjährigen Planungen hätte man sie gefunden.

economiesuisse ist überzeugt, dass der Kompromiss in einer konsequent föderalistischen Lösung liegt, sei es bei den steuerlichen Massnahmen wie auch bei allfälligen Kompensationen. Gefordert sind nun die Kantone. Sie müssen ihre Umsetzungsvorlagen vorantreiben, offenlegen und damit aufzeigen, dass das vorgelegte Rahmenwerk der SV17 kantonal ausgewogene Lösungen möglich macht.

Dieser Beitrag erschien als Gastkommentar in der NZZ.