Wieso sind die Löhne in der Schweiz so hoch?

Die Schweizer Unternehmen zahlen im internationalen Vergleich herausragend hohe Löhne. In US-Dollar gemessen sind die durchschnittlichen Jahreslöhne etwa doppelt so hoch wie in Deutschland oder Österreich und rund dreimal so hoch wie in Italien. Wir leben auf einer Wohlstandsinsel. Dies ist einzig deshalb möglich, weil die Schweizer Exportwirtschaft auf den internationalen Märkten erfolgreich ist.

Löhne haben einen engen Bezug zur Wertschöpfung: Je höher der Beitrag einer Arbeitskraft zur unternehmerischen Wertschöpfung ist, desto besser wird sie in der Regel entschädigt. Dies muss auch so sein: Unternehmen können nur hohe Löhne zahlen, wenn die Mitarbeiter auch entsprechend produktiv sind. Und die Schweizer Unternehmen zahlen gut, ja sehr gut. Vergleichen wir unseren Durchschnittslohn mit jenen unserer Nachbarländer, zeigt sich ein klares Bild: Pro Jahr verdienen Schweizerinnen und Schweizer laut Zahlen der OECD durchschnittlich rund 100'000 USD. In Deutschland liegt der Jahresdurchschnittslohn bei 48'410 USD, in Österreich bei 52'400 USD, in Frankreich bei 44'400 USD und in Italien bei 33'600 USD. Der Schweizer Lohn ist im Durchschnitt somit etwa doppelt so hoch wie in Österreich und in Deutschland und etwa dreimal so hoch wie in Italien. Das sind gewaltige Unterschiede.

Woher stammt aber die hohe Wertschöpfung der Schweiz? In erster Linie aus dem Ausland: Zieht man die aus dem Ausland importierten Vorleistungen ab, exportieren wir netto rund 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Für die Warenexporte sind vor allem die chemisch-pharmazeutische, die Uhren-, die Maschinen-, die Textil-, die Nahrungsmittel- und die Medizinalgüterindustrie verantwortlich. Die Dienstleistungsexporte werden vor allem im Finanzsektor mit Banken und Versicherungen und im Rohstoffhandel erzielt. Unternehmen aus einer breiten Palette an Branchen sind also auf den Weltmärkten erfolgreich. Sie zahlen auch die höchsten Löhne: Ein Angestellter kann in der Exportindustrie vor allem deswegen produktiv sein, weil die Früchte seiner Arbeit durch den Verkauf der Produkte und Dienstleistungen in viele Länder dieser Erde vervielfacht wird. So lassen sich Grössenvorteile erzielen und eine Fokussierung auf Spezialitäten oder Nischenprodukten wird möglich. Oder anders ausgedrückt: In der Schweiz können 9 Millionen Menschen als Kunden gewonnen werden, in der Welt sind es über 8 Milliarden.

Die Rolle der Exporte ist zudem noch viel grösser als die 40 Prozent, denn die im Exportsektor Angestellten konsumieren in der Schweiz und geben ihre gute Entschädigung für Wohnen, Essen, Freizeit und Steuern aus, so dass auch in den Binnenbranchen die Löhne steigen.

Man kann sich leicht ausmalen, wie eine Schweiz ohne Exporte aussehen würde: Erinnern wir uns an die Geschichte Chinas. Wenige Jahre nachdem Kolumbus die neue Welt entdeckte, zerstörte China das letzte eigene hochseefähige Schiff und wandte sich gänzlich ab von der restlichen Welt. Der Abstieg der mit Abstand am weitesten entwickelten und reichsten Nation begann. China verpasste die Industrialisierung und geriet bis in die Neuzeit hoffnungslos ins Hintertreffen. Erst die Öffnung und die Integration Chinas in die Weltwirtschaft brachte die atemberaubende Wende. Also: Ohne eine erfolgreiche Exportwirtschaft wäre die Schweiz so arm wie eine Kirchenmaus. Und mit ihr die Staatsangestellten, die Busfahrerin oder der Coiffeure.