Verhältnis Schweiz-Europa: Aus Blockade wurde Zusammenarbeit

Was anfänglich mit einer Blockade beim Export von Schutzmaterial aus dem EU-Raum begann, endete schliesslich in einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den europäischen Staaten. In der Not spielte es keine Rolle, dass das für den vereinfachten Handel eigentlich nötige Gesundheitsabkommen nie abgeschlossen werden konnte. Obwohl die andauernde Corona-Krise weitreichende negative Auswirkungen hat, zeigt sie doch auch eines schön auf: Die gemeinsame Bekämpfung des gefährlichen Virus und damit verbunden der grössten Krise seit 75 Jahren brachte die Schweiz und die EU wieder näher zusammen.

Ich fand es nicht in Ordnung, als europäische Staaten den Export von medizinischem Schutzmaterial in andere Länder blockierten. Denn dieses wäre für die Bekämpfung der Corona-Pandemie von grosser Bedeutung gewesen – so auch in unserem Land. Denn immerhin handelt es sich bei der aktuellen Krise um ein weltweites Problem, das eine grenzüberschreitende Lösung erfordert. Beim Mitverfolgen dieser unschönen Geschichte kam in mir der Gedanke auf, dass gerade die Pandemie den wahren Charakter nicht nur von Individuen, sondern auch von Nationen offenbart. Sind sie in einer akuten Krise solidarisch oder handeln sie egoistisch?

Natürlich ist der Schutz der Gesundheit eine Kernaufgabe eines Landes. Die europäischen Länder reagierten insgesamt sehr unterschiedlich auf den Ausbruch der Pandemie. Die Massnahmen reichen von allgemeiner Ausgangssperre bis hin zu Laissez-faire mit Selbstverantwortung. Dabei verhielten sich mehrere Nationen tatsächlich egoistisch. Und die EU? Die EU hat im Gesundheitswesen keine grossen Kompetenzen – zu Recht. Denn die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind sehr gross. Sie trägt aber die Verantwortung für einen funktionierenden Binnenmarkt. 

Auf Empfehlungen der EU wurde die Schweiz gleich behandelt wie ein Mitgliedstaat. Die Bekämpfung des Virus steht über abgeschlossenen Abkommen.

Das war aber alles zu Beginn der Krise. Schnell merkten die EU-Mitglieder, dass Exportblockaden von Schutzmaterial und Medizingeräten mehr Schaden als Nutzen stiften. Dank der von der EU erlassenen Empfehlungen schafften die Mitgliedstaaten die Exportrestriktionen innerhalb des europäischen Binnenmarkts, das heisst untereinander und unter den EWR-Ländern, wieder ab. Und die Schweiz wurde gleich wie alle anderen Länder in Europa behandelt. Das ist bemerkenswert, denn die Schweiz und die EU haben gar kein Gesundheitsabkommen. Im Gegenteil. Das Freihandelsabkommen erlaubt Exportrestriktionen in Notfällen – und die Corona-Pandemie ist ein solcher Notfall. Ganz Europa wurde von der Pandemie hart getroffen. Und das führte zu neuen Prioritäten. Die gemeinsame Bekämpfung des gefährlichen Virus ist wichtiger als die Frage nach einem entsprechenden Abkommen. So haben beispielsweise Schweizer Spitäler Corona-Patienten aus dem Elsass behandelt. Dringend benötigte Beatmungsgeräte «Made in Switzerland» wurden in grossen Mengen nach Italien geliefert, als die Not dort am grössten war. Umgekehrt konnte die Schweiz dringend benötigtes Schutzmaterial wieder importieren. Die Schweiz erhielt auch Zugang zu wichtigen Daten und Informationen. 

Das bilaterale Verhältnis Schweiz-Europa hält und geht aus der grössten Krise seit 75 Jahren gestärkt hervor.

Diese Zusammenarbeit konnte Schlimmeres verhindern. Die EU-Kommission und die Schweiz sind aufeinander zugegangen. Wenn’s brennt werden nachbarschaftliche Rangeleien rasch unwichtig. Für mich zeigt die Zusammenarbeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie, dass das bilaterale Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU in der grössten Krise seit 75 Jahren hält und sogar gestärkt wurde.