Zukunft des Steuerstandorts Schweiz

Die für die Schweiz zentrale Unternehmenssteuerreform III lenkt mit der Differenzbereinigung auf die Zielgerade ein. Unser Land kann mit dem Vorhaben im weltweiten Wettbewerb der Firmenstandorte weiterhin an der Spitze mitspielen. Scheitert die Reform, drohen gravierende volkswirtschaftliche und finanzielle Schäden. Auch für den föderalen Zusammenhalt ist eine erfolgreiche Reform zwingend.

Die Unternehmenssteuerreform III bringt eine Neuordnung unserer föderalen Steuerordnung. Die Vorlage ist komplex, und es bestehen Zielkonflikte (steuerliche Attraktivität bei gleichzeitiger internationaler Akzeptanz und finanzieller Ergiebigkeit). Entsprechend gründlich wurde die Reform vorbereitet. 

Das Resultat ist eine sehr breit abgestützte Vorlage. Weder die Wirtschaft noch die Kantone haben sich Veränderungen von dieser Tragweite gewünscht. Sie sind aber unvermeidbar, und das Resultat heute ist das bestmögliche. Aufgrund der Abschaffung der heutigen Steuersonderlösungen sind Ersatzmassnahmen unabdingbar. Dazu gehört neben der Patentbox und einer Förderung von Forschung und Entwicklung auch die zinsbereinigte Gewinnsteuer, die gemäss dem Bundesrat «Teil eines kohärenten Gesamtkonzepts für einen attraktiven Unternehmensstandort» ist. 

Die international verbreitete und akzeptierte Tonnage-Tax wäre ebenfalls eine geeignete Ersatzmassnahme für Handels- und Schifffahrtsunternehmen, gewisse Umsetzungsfragen sind jedoch offen. Um die Unternehmenssteuerreform III nicht zu verzögern, wäre ein separates Vorgehen vorstellbar. 

Die von der Reform unmittelbar betroffenen Kantone sind steuerpolitisch und strukturell sehr unterschiedlich aufgestellt. Eine für alle Kantone einheitliche Lösung ist nicht möglich. Die Strategie, den Kantonen steuer- und finanzpolitische Handlungsspielräume zu eröffnen, ist deshalb richtig. Mit der Einführung einer umfassenden Entlastungsbegrenzung haben die Kantone alle nötigen Instrumente in der Hand, um Reformen steuerpolitisch gezielt, finanziell nachhaltig und abgestimmt auf ihre Bedürfnisse auszugestalten. Weil der Bund massgeblich von einer attraktiven Unternehmensbesteuerung in den Kantonen profitiert, ist es sachgerecht, dass er die Kantone mit einem substanziellen Beitrag unterstützt. 

Die neuen steuerpolitischen Instrumente als auch der finanzielle Beitrag des Bundes stossen teilweise auf Kritik. Was wäre die Alternative? In der Vernehmlassung zur Unternehmenssteuerreform III präsentiert der Bundesrat ein Szenario ohne Reform. 

Die in diesem Szenario fehlende internationale Akzeptanz der Schweizer Unternehmensbesteuerung, die daraus entstehenden Unsicherheiten und fehlenden Perspektiven für wichtige Teile der Wirtschaft hätten signifikante Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze. Neben Verlagerungen ins Ausland wären interkantonale Verschiebungen zu erwarten. Nichtstun wäre für Kantone, die unter Druck stehen, keine Lösung. Gewinnsteuersatzsenkungen, die von den Kantonen frei vorgenommen werden können, ständen in dieser Situation im Vordergrund; der Steuerwettbewerb unter den Kantonen würde deutlich verschärft. Einzelne Kantone könnten sich über das Steuerharmonisierungsgesetz hinwegsetzen und in Eigenregie Sondermassnahmen einführen. Eine Entharmonisierung der Steuerpolitik, interkantonale Verwerfungen und die Gefährdung der Solidarität im nationalen Finanzausgleich wären die Folge. 

Für die öffentlichen Haushalte wäre die Situation gravierend. Verschiedene Studien, unter anderem der ETH-Konjunkturforschungsstelle, beziffern die Ausfälle ohne Reform allein bei der Gewinnsteuer auf über drei Milliarden Franken. Dazu kämen weitere Milliardenausfälle etwa bei der Einkommenssteuer und den Sozialversicherungsabgaben. Die Erwartung, dass Unternehmen und namentlich international tätige Firmen weiterhin hohe Steuerbeiträge der Schweiz abliefern, ist allerorts mit Händen zu greifen. Dass für steuerliche Attraktivität etwas getan werden muss, blenden Kritiker aus. Die Gewinnsteuereinnahmen sind in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Die von der Reform direkt betroffenen Gesellschaften liefern jährlich einen Betrag von über fünf Milliarden Franken bei Bund und Kantonen ab. 

Das finanzpolitische Urteil über die Unternehmenssteuerreform III fällt denn auch klar positiv aus: Die Reform ist eine lohnende Investition der Schweiz zur Sicherung von Arbeitsplätzen und substanziellem Steuersubstrat. 

Im Interesse der öffentlichen Haushalte, aber auch der Kohäsion in der Schweiz führt an der Unternehmenssteuerreform III, wie sie heute steht, kein Weg vorbei. Die Reform abzulehnen ist unverantwortlich.

Dieser Beitrag von Heinz Karrer erschien am 8. April 2016 als Gastkommentar in der «NZZ».