Sommersession 2023

Um die Stromproduktion bis 2050 zu erhöhen, hat die kleine Kammer einen weiteren Meilenstein im Prozess zur Verabschiedung Mantelerlasses erreicht. In der strittigen Frage zu den Restwasservorschriften ist der Ständerat einem kompromissfähigen Einzelantrag gefolgt, mit welchem der Bundesrat die Vorschriften bei drohender Energiemangellage befristet lockern kann. Nun gilt es, die Differenzen so rasch als möglich zu bereinigen, damit die Vorlage in der kommenden Herbstsession verabschiedet werden kann. Mit dem Entscheid, Zugangserleichterungen für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss zu gewähren, setzt der Ständerat ein wichtiges Zeichen gegen den vorherrschenden Fachkräftemangel. Das Budget für den Ausbau der Agglomerationsverkehrs- sowie des Nationalstrassennetzes aufzustocken und damit die Verkehrssicherheit und die Entlastung der urbanen Zentren voranzutreiben, war ein erfreulicher Beschluss der grossen Kammer. Dies dient der fossilfreien Mobilität der Zukunft.

Finanzen & Steuern

Die Prämienverbilligung funktioniert. Es braucht keinen teuren Ausbau

Die Wirtschaft steht einem Gegenvorschlag kritisch gegenüber. Ein Gegenvorschlag bringt keine Lösungen gegen die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Die Variante gemäss Nationalrat wird aufgrund der massiven Kostenfolgen für die öffentliche Hand nicht unterstützt. Die Variante gemäss Kommission des Ständerats ist aus föderaler Perspektive problematisch.

Darum geht es: Der bereits hohe Bereinigungsbedarf im Finanzplan des Bundes würde durch den Vorschlag des Nationalrats massiv zunehmen (+1.3 Milliarden Franken pro Jahr, Tendenz steigend). Die Varianten des Bundesrats und der Kommission des Ständerats belasten zwar den Bund nicht finanziell, würden aber neue Vorgaben für die Kantone einführen. Wird der Gegenvorschlag vom Ständerat ein zweites Mal abgelehnt, ist er vom Tisch.

Das findet economiesuisse: Die Bezügerquote ist stabil. Die ausgerichteten Beträge sind lediglich in gewissen Kantonen nicht genügend angepasst worden. Dies wird sich mit dem Bundesgerichtsentscheid (8C_228/2018) ändern. Ein Gegenvorschlag bringt keine Lösungen gegen die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Im Gegenteil: Eine noch stärkere, kollektive Finanzierung der Leistungen schafft negative Anreize und belastet Bund und Kantone massiv. Die Autonomie der Kantone darf durch neue Vorgaben des Bundes nicht stärker eingeschränkt werden. Der Gegenvorschlag der Kommission des Ständerats und der Vorschlag des Bundesrats würden zwar weniger weit gehen als die Variante des Nationalrats, machen aber dennoch Vorgaben zum Mindestbetrag der Kantone. Diese Einmischung vonseiten des Bundes mit Blick auf die föderalen Grundsätze wird nicht unterstützt.

Empfehlung economiesuisse: Ablehnung

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer hiess mit 24 zu 16 Stimmen und zwei Enthaltungen die von der SGK-S ausgearbeitete Vorlage gut und ist damit auf einen Gegenvorschlag zur Initiative eingetreten. Der Vorschlag enthält Mindestvorgaben für die Kantone für Beiträge an die Prämienverbilligung. Diese sind tiefer angesetzt, als es der Bundesrat will. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.

Keine Wettbewerbsverzerrungen bei der MWST

Um Ungleichbehandlung bei den Steuerausnahmen zu verhindern, sollen auch Ambulatorien und Tageskliniken sowie private Spitex von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die Erweiterung der Mehrwertsteuerpflicht auf Onlineplattformen wird aus wettbewerblichen Gründen unterstützt.

Darum geht es: Zwei Differenzen in der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes betreffen die Steuerausnahmen: Ambulatorien und Tageskliniken müssen heute die den nicht angestellten Ärztinnen und Ärzten in Rechnung gestellten Infrastrukturbeiträge zu 7,7 Prozent versteuern. Bei Spitälern sind die Beiträge der Beleg- und Chefärzte für die Benützung der Infrastruktur hingegen von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Die Leistungen privater Spitex-Organisationen müssen heute zu 7,7 Prozent versteuert werden, währenddem die Leistungen von öffentlichen Spitex-Organisationen von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. Die WAK-S will mit ihrer Motion 23.3012 erreichen, dass die Plattformbesteuerung auf die bisher nicht vollständig besteuerten elektronischen Dienstleistungen ausgeweitet wird.

Das findet economiesuisse: Eine steuerliche Benachteiligung macht keinen Sinn und verzerrt den Wettbewerb: Mit der Auslagerung medizinischer Leistungen aus den Spitälern und der Schaffung neuer Institutionen wird ein wichtiger Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen geleistet. Gemeinnützige und private Spitex-Organisationen sind für Pflegeleistungen 1:1 gleichgestellt. Für die Versorgungssicherheit in der ambulanten Pflege braucht es öffentliche und private Spitex-Organisationen. Auch bei der Mehrwertsteuerpflicht von Onlineplattformen sind Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die Plattformbesteuerung auf elektronische Dienstleistungen zu erweitern. Damit würde eine Steuerlücke in der Besteuerung elektronischer Dienstleistungen geschlossen.

Empfehlung economiesuisse: Ablehnung

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer hat dem Vorstoss der WAK-S zugestimmt. Nun ist der Nationalrat am Zug. Bei der Beratung der Gesetzesanpassungen gibt es noch Differenzen zwischen Nationalrat und Ständerat. Dabei geht es um ausländische Onlineversandhäuser, die in Zukunft eine Mehrwertsteuer auf ihren Schweizer Umsatz zahlen sollen.

Keine Verzögerung bei der Sicherung der AHV

Die Finanzierung der AHV-Renten ist nur bis 2028 nachhaltig gewährleistet. Die Wirtschaft fordert verantwortungsvolles Handeln und unterstützt die Initiative wie auch einen Gegenvorschlag mit Schuldenbremsmechanismus. Eine Erhöhung des Referenzalters leistet auch im Zusammenhang mit Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel oder der Zuwanderung einen wichtigen Beitrag.

Darum geht es: Die Renteninitiative verbindet die Aspekte Rentenalter und Lebenserwartung auf sinnvolle Weise, indem sie ein schrittweises Vorgehen mit notwendigen Anpassungen am Rentenalter vorsieht. Dies mit dem Ziel, die sichere Finanzierung der AHV jederzeit zu gewährleisten.

Das findet economiesuisse: Noch einmal Jahre verstreichen lassen, obwohl ein zielführender Lösungsbeitrag auf dem Tisch liegt, können wir uns nicht leisten. Die Politik muss jetzt handeln, um die Finanzierung der AHV zu sichern. Die Wirtschaft unterstützt deshalb die Initiative oder einen nachhaltig ausgestalteten Finanzierungsmechanismus.

Unsere Empfehlung im Einzelnen:

  • Rückweisung der Vorlage an die Kommission zwecks Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags mit einer Schuldenbremse für die AHV: Ja zur Minderheit Mettler beim 1. Entwurf.
  • Empfehlung der Bundesversammlung zur Annahme der Initiative und eines Gegenvorschlags: Ja zur Minderheit I (Sauter,...) und Minderheit II (Nantermod,…) bei Art. 2 des 1. Entwurfs.
  • Eintreten auf den direkten Gegenvorschlag: Ja zur Minderheit I (Sauter,…) beim 2. Entwurf.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat mit 133 zu 40 Stimmen bei 16 Enthaltungen die Nein-Empfehlung zur Renteninitiative beschlossen. Den Anträgen seiner zuständigen Kommission folgend, weist die grosse Kammer einen direkten Gegenvorschlag mit einer AHV-Schuldenbremse sowie einen neuen Rückweisungsantrag mit dem Auftrag, eine Kommissionsinitiative mit dem Lebensarbeitszeitmodell vorzulegen, ab. Nun wird die Stimmbevölkerung voraussichtlich im Frühling 2024 über die Renteninitiative der Jungfreisinnigen entscheiden.

Risikobasierter Ansatz bei der Besteuerung

Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, die Tabaksteuer auf E-Zigaretten auszuweiten. Der vorgeschlagene Wert von 0.20 Franken per Milliliter Flüssigkeit bei wiederverwendbaren Zigaretten trägt aber dem Auftrag einer risikoprofilorientierten Besteuerung nicht Rechnung; er ist um fast das Doppelte zu hoch.

Darum geht es: Die Unterstellung von E-Zigaretten unter die Tabaksteuer ist richtig. Die Besteuerung soll aufgrund des niedrigeren Schädlichkeitspotenzials aber tiefer angesetzt werden als bei herkömmlichen Zigaretten.

Das findet economiesuisse: Der vorgeschlagene Steuersatz von 0.20 Franken je Milliliter Flüssigkeit bei nachfüllbaren E-Zigaretten ist deutlich zu hoch angesetzt. Ein um 95 Prozent reduziertes Risikoprofil führt dazu, dass die Steuerbelastung bei 0.11 Franken per Milliliter Flüssigkeit liegen muss. Eine zu hohe Besteuerung ist nicht im Sinne der Ergiebigkeit der neuen Abgabe: Sie fördert Schmuggel und Schwarzmarkt, wie Erfahrungen im Ausland zeigen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme  bedingt

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat sich dem Ständerat angeschlossen und eine Abgabe von 20 Rp. je Milliliter Flüssigkeit beschlossen. Materielle Anträge von Links, die über die Besteuerung von E-Zigaretten hinausgingen, lehnte die grosse Kammer ab.

Aussenwirtschaft

Wichtiger Kompromiss in zentraler Sicherheitsfrage

Das Kriegsmaterialgesetz soll nach dem Vorschlag der SiK-S so angepasst werden, dass bei Staaten mit gleichen Werten und vergleichbarem Exportkontrollregime die Nichtwiederausfuhr- Erklärung auf fünf Jahre befristet werden kann. Diese Regelung ist berechenbar und jener der SiK-N vorzuziehen.

Darum geht es: Die Schweizer Sicherheit ist vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine direkt bedroht. Damit die bewaffnete Neutralität der Schweiz sich auch künftig auf eine eigene Sicherheitsindustrie verlassen kann, braucht es eine grundsätzliche und berechenbare Anpassung des Kriegsmaterialgesetzes. Bestimmte Länder sollen vom Verbot der Wiederausfuhr ausgenommen werden. Bei der Definition dieser Länder gehen die Vorschläge der beiden SiK auseinander.

Das findet economiesuisse: Der Pa. Iv. der SiK-S ist Folge zu geben. Das starre und unbegrenzte Wiederausfuhrverbot ist einer der wesentlichen Gründe, weshalb viele Sicherheitsgüter nicht mehr aus der Schweiz bezogen werden. Soll die Schweiz weiterhin über eine eigene Sicherheitsindustrie verfügen, ist eine angepasste Handhabung des Wiederausfuhrverbots zwingend notwendig. Der Pa. Iv. der SiK-S ist Folge zu geben, da sie eine grundsätzliche und berechenbare Regelung enthält. Die Motion der SiK-N überzeugt nicht, da die vorgeschlagene Regelung über UNO-Entscheide zur Aufhebung der Nichtwiederausfuhr-Erklärung nicht klar verständlich und nicht berechenbar erscheint.

Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer beriet zwei politische Vorstösse zur Änderung des Kriegsmaterialgesetz. Die Pa. Iv. der SiK-S sieht eine grundsätzliche und berechenbare Liberalisierung des Wiederausfuhrverbots vor. Der Ständerat hat diesem Vorschlag mit 22 zu 17 Stimmen Folge gegeben. Die Motion der SiK-N, welche die Aufhebung der Nichtwiederausfuhr über UNO-Entscheid regeln will, wurde hingegen abgelehnt.

Wichtige Rolle der Schweizer Wirtschaft beim Wiederaufbau

Neben der humanitären Unterstützung für die Zivilbevölkerung in der Ukraine gilt es, möglichst rasch wieder eine nachhaltige Zukunftsperspektive für die ukrainische Wirtschaft zu schaffen. Schweizer Unternehmen können und wollen bei diesem Wiederaufbau einen massgeblichen Beitrag leisten.

Darum geht es: Der Bundesrat soll dem Parlament ein Unterstützungsprogramm für die Ukraine im Umfang von fünf Milliarden Franken vorlegen. Die finanziellen Mittel sollen insbesondere für die humanitäre Hilfe, den Schutz der Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau der Infrastruktur in der Ukraine eingesetzt werden.

Das findet economiesuisse:

  • Die Wirtschaft unterstützt das vorgeschlagene Unterstützungsprogramm grundsätzlich. Damit dessen Finanzierung aber schuldenbremsenkonform ist, braucht es entsprechende Anpassungen in anderen Ausgabenbereiches des Bundes.
  • Neben den humanitären Hilfspaketen des Bundes kommt dem Schweizer Privatsektor beim Wiederaufbau der Ukraine eine entscheidende Rolle zu. Dadurch kann nach dem dramatischen Einbruch der Wirtschaftsleistung infolge des russischen Angriffskriegs die wirtschaftliche Integration der Ukraine in globale Produktions-, Logistik- und Entwicklungsnetzwerke gestärkt werden
  • Die Möglichkeiten hiesiger Unternehmen sind gross. Sie können unter anderem in den Bereichen Industrieproduktion, Transport und Logistik, Energie, Gesundheit, Wasser, Informationstechnologien und im Agrarsektor unterstützen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer hat oppositionslos beschlossen, die Motion der zuständigen Kommission zur Klärung vorzulegen. Der Entscheid zum Unterstützungspaket wird somit vertagt.

Keine Zeit verlieren mit einer Rückweisung an den Bundesrat

Die Revision des Zollgesetzes ist als Teil des Transformationsprogramms DaziT von hoher Bedeutung für die Digitalisierung und Vereinfachung der Schweizer Zollverfahren. Die WAK-N hat den Entwurf mit knapper Mehrheit überraschend zurückgewiesen, nachdem sie dies im April noch abgelehnt hatte. Um nicht Zeit zu verlieren, sollte die Kommission aber mit der Detailberatung beginnen und der Verwaltung Aufträge erteilen.

Darum geht es: Das neue Zollgesetz bildet eine notwendige juristische Grundlage für die eingeleitete Digitalisierung aller Zollverfahren. Es ist damit ein zentraler Bestandteil der Modernisierung des Zollwesens und soll Vereinfachungen bringen. Die Wirtschaft hat ihre Anliegen der WAK-N unterbreitet und ist zuversichtlich, dass diese umgesetzt werden können.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft ist für eine zügige Revision des Zollgesetzes und unterstützt diese überfällige Reform. Zwar erfordern gewisse vorgeschlagene Bestimmungen noch wichtige Präzisierungen und Nachbesserungen, insbesondere in den Bereichen Datenschutz, Schutz des Geistigen Eigentums. Eine Rückweisung an den Bundesrat hätte nur weitere Verzögerungen bei dieser für die Unternehmen wichtigen Vorlage zur Folge. Um für die Wirtschaft Rechtsicherheit zu schaffen, braucht es entsprechende gesetzliche Grundlagen. Wenn die WAK-N rasch mit der Detailberatung beginnt, kann sie zeitnah die Verwaltung mit den notwendigen Anpassungen beauftragen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt

Stand der Beratungen: Der Nationalrat stimmte mit 100 zu 78 Stimmen bei 9 Enthaltungen gegen den Rückweisungsantrag der vorberatenden Kommission. Die Totalrevision des Zollgesetzes umfasst viele verschiedenen Themenbereiche wie u.a. Grundlagen für Verzollungsverfahren, Digitalisierung, Datenverarbeitung oder Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsorganen. Das Geschäft geht nun zur Detailberatung zurück in die WAK-N.

Energie, Umwelt & Infrastruktur

Die Zeit drängt – jetzt rasch Differenzen bereinigen

Wir müssen unsere inländische Stromproduktion bis 2050 verdoppeln. Dazu brauchen wir jetzt alle geeigneten Technologien und besonders jene, die im Winter Strom produzieren. Der Mantelerlass wird die Versorgungssicherheit zwar nicht gewährleisten, aber er ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg dazu. Deshalb muss die Vorlage schnell verabschiedet werden.

Am wichtigsten ist, dass der Mantelerlass möglichst rasch in Kraft treten kann. Damit erhalten Nutzaspekte beim Ausbau der erneuerbaren Energien mehr Gewicht. Mit einer zeitlichen Befristung ist es vertretbar, die Schutzanliegen etwas weniger zu gewichten, zumindest bis die Ausbauziele erreicht sind. Auch auf die Effizienz gilt es stärker zu fokussieren. Anstatt auf neue Instrumente zu setzen, sollte aber auf bewährten aufgebaut werden.

Das findet economiesuisse: Anlagen zur Produktion klimaneutraler Energie sollen richtigerweise von nationalem Interesse sein. Dazu gehören auch Elektrolyseure und Methanisierungsanlagen, um künftig die Kapazität zur saisonalen Umlagerung zu steigern. Eine befristete Sistierung der Restwasservorschriften ist in Anbetracht der Versorgungslage vertretbar. Der Zugang aller Unternehmen zum System der Zielvereinbarungen ist wichtig, um eine Stromeffizienzoffensive der Wirtschaft auszulösen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Der Ständerat hat in seiner zweiten Beratung des Mantelerlasses erste Differenzen bereinigt. Im wichtigen und strittigen Punkt zu den Restwasservorschriften ist der Ständerat nun einem Einzelantrag gefolgt, der einen Kompromiss darstellt: der Bundesrat soll bei einer drohenden Energiemangellage die Restwasservorschriften befristet lockern können. Zudem hat die kleine Kammer die vom Nationalrat beschlossene Solarpflicht für sämtliche Neubauten wie auch eine Solarpflicht auf Parkplätzen abgelehnt. Mit diesen Entscheiden können die beiden wichtigsten Referendumsdrohungen entschärft werden. Weiter wurde entschieden, dass in Biotopen von nationaler Bedeutung keine neuen Anlagen gebaut werden können, mit Ausnahme von den wichtigen neu entstehenden Gletschervorfeldern. Abgelehnt hat der Rat die Effizienz-Zielvorgaben für Elektrizitätslieferanten wie auch erneut die Liberalisierung des Messwesens. Der Mantelerlass bleibt äusserst dringlich. Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat. Es ist nun wichtig, dass die verbleibenden Differenzen so rasch wie möglich bereinigt werden können, so dass der Mantelerlass in der Herbstsession 2023 verabschiedet werden kann.

Jetzt in unsere Nationalstrassen investieren – für einen fossilfreien Verkehr!

Mit rund 12 Milliarden Franken will der Bundesrat das Schweizer Nationalstrassennetz modernisieren und erweitern. Der Ausbau entlastet den Verkehr in den Zentren und trägt zu mehr Sicherheit im Verkehr bei.

Darum geht es: Die Kapazität des Nationalstrassennetzes konnte in den letzten 20 Jahren nicht mit dem Verkehrswachstum Schritt halten. Rund 8 Milliarden Franken sollen jetzt in Betrieb und Unterhalt fliessen. Etwa 4 Milliarden sind zudem für gezielte Ausbauprojekte vorgesehen, vor allem in Ballungsräumen, wo die Zentren entlastet und die Verkehrssicherheit erhöht werden sollen. Dieser Ausbau leistet einen wichtigen Beitrag an unsere nachhaltige Mobilität der Zukunft. Denn die Nationalstrassen machen nur drei Prozent des Strassennetzes aus, absorbieren aber 39 Prozent des motorisierten Individualverkehrs und 65 Prozent des schweren Güterverkehrs.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt die Zustimmung zur Vorlage gemäss Mehrheitsanträgen der KVF-N. Der Strassenverkehr steht vor der Herausforderung der Dekarbonisierung und wird in der Zukunft ein wichtiger Eckpfeiler der fossilfreien Mobilität sein. Einen nachhaltigen Verkehr gibt es nur, wenn wir den Infrastrukturen Sorge tragen. Eine Rückweisung oder Ablehnung des «Ausbauschritts 2023» wäre nichts als billiger Wahlkampfklamauk.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat einem mittelfristigen Gesamtpaket von rund 14 Mrd. CHF für Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Nationalstrassen zugestimmt. Damit beantragt er Investitionen ins Rückgrat des Strassennetzes, die mit bereits beschlossenen Ausgaben für das Bahnnetz vergleichbar sind. economiesuisse begrüsst diesen Entscheid. Ein leistungsfähiges und intaktes Nationalstrassennetz erhöht die Verkehrssicherheit und ermöglicht die Entlastung der urbanen Zentren. Ausbauten finden nicht mit der Giesskanne, sondern gezielt dort statt, wo die Überlast am grössten ist. Dies dient im Übrigen auch der fossilfreien Mobilität der Zukunft.

Beiträge an den Agglomerationsverkehr – eine wichtige Ergänzung zu den Nationalstrassen

Im Rahmen des Programms Agglomerationsverkehr möchten Bundesrat und KVF-N Kantone und Gemeinden mit insgesamt rund 1.5 Milliarden Franken unterstützen. Die Vorlage ist zu begrüssen, sie muss aber parallel zum geplanten Ausbauschritt des Nationalstrassennetzes (vgl. Seite 5) in Kraft treten. Denn die Leistungsfähigkeit der Nationalstrassen stellt die Verkehrsberuhigung in den Zentren sicher.

Darum geht es: Der Bund leistet im Rahmen dieses Programms Agglomerationsverkehr seit 2008 Beiträge an Verkehrsinfrastrukturen, die zu einem effizienteren und nachhaltigeren Gesamtverkehrssystem in den Schweizer Ballungszentren führen. Die Projekte sind ein wichtiger Beitrag zur Verkehrsberuhigung sowie zur Erhöhung der Sicherheit und Lebensqualität in den urbanen Zentren. Damit stärken sie die Zentren auch als attraktive Wirtschaftsstandorte.

Das findet economiesuisse: Die Vorlage ist zielführend. Einzig bei Art. 4 Abs. 2 des Bundesbeschlusses empfehlen wir die Zustimmung zur Minderheit Wasserfallen: Die Vorlage soll gleichzeitig mit jener zum Ausbau der Nationalstrassen in Kraft treten. Denn ohne Investitionen in die Nationalstrassen sind Investitionen in den Zentren nichts wert. Wird der Verkehr in den Zentren beruhigt, braucht es an der Peripherie ausreichende Kapazitäten, um diesen Verkehr aufzufangen und die Verlässlichkeit des gesamten Netzes sicherzustellen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Neben dem Nationalstrassenausbau hat der Nationalrat die Unterstützung von 33 Projekten im Agglomerationsverkehr beschlossen. Diese sollen mit insgesamt 1.6 Mrd. CHF aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds mitfinanziert werden. Die Entwicklung der Verkehrsinfrastrukturen in den Ballungszentren ist auch für die Wirtschaft wichtig. Die Erreichbarkeit der Zentren muss mit einer verträglichen Verkehrsentwicklung in Einklang gebracht werden. Keine Mehrheit fand im Erstrat ein Antrag, der die Vorlage an das Inkrafttreten des Ausbauschritts 2023 der Nationalstrassen koppeln wollte. Dies ist bedauerlich, denn ohne leistungsfähige Nationalstrassen lässt sich eine Verkehrsberuhigung in den Zentren nicht erreichen.

Allgemeine Wirtschaftspolitik

Gebietsplanungsansatz als Trumpf

Die 2. Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG2) taugt als Gegenvorschlag zur überschiessenden Landschaftsinitiative. Der Gebietsplanungsansatz bietet den Kantonen die notwendige Flexibilität, er sollte aber überall angewendet werden können. Es bedarf jedoch noch einiger Anpassungen. Insbesondere die Ausdehnung des Stabilisierungsziels auf die Bodenversiegelung ist eine Gefahr für die Weiterentwicklung der Infrastruktur.

Darum geht es: Im Rahmen der zweiten Etappe der Revision des RPG will der Bundesrat das Bauen ausserhalb der Bauzone neu regeln. Er will den Gestaltungsspielraum der Kantone erhöhen, ohne das grundlegende Prinzip der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet zu schwächen. Die Vorlage greift zudem Anliegen der Landschaftsinitiative auf.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft begrüsst grundsätzlich, dass das RPG2 als Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative positioniert werden soll. Es gilt jedoch Mass zu halten, da die Initiative jegliche Modernisierung ausserhalb der Bauzone verhindert. Der Gebietsplanungsansatz ist ein wichtiges Element der Vorlage und sollte überall, nicht nur in den Berggebieten, zur Anwendung kommen. economiesuisse empfiehlt daher bei Art. 8c Abs. 1, der Version des Bundesrats zu folgen. Ab Art. 8c Abs. 1 lit a (Mindestanforderungen für die Gebietsplanung im Richtplan) unterstützt die Wirtschaft die Version der Mehrheit der UREK-N. Eine Abbruchprämie anstelle einer generellen Beseitigungspflicht wird begrüsst. Es sollten aber alle Branchen gleichbehandelt werden. Daher befürwortet economiesuisse bei Art. 5 Abs. 2bis den Mehrheitsvorschlag der UREK-N.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat nun nach dem Ständerat auch die 2. Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) diskutiert und hat sie als Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative positioniert. Er hat das doppelte Stabilisierungsziel bestätigt, d.h. dass nicht nur die Anzahl Gebäude, sondern auch die Bodenversiegelung ausserhalb der Bauzonen stabilisiert werden müssen. Das Geschäft geht nun für die Differenzbereinigung zurück an die kleine Kammer.

Mit Steuergeldern ausgebildete Fachkräfte in der Schweiz behalten

Darum geht es: Durch den demografischen Wandel werden Fachkräfte rarer. Vor diesem Hintergrund ist es störend, dass viele ausländische Studierende, die in Schweizer Hochschulen ausgebildet werden, die Schweiz nach Abschluss des Studiums wieder verlassen müssen. Nur 150 bis 200 dieser 3000 Personen aus Drittstaaten verbleiben in der Schweiz, obwohl die Schweiz in deren Ausbildung jährlich fast 200 Millionen Franken investiert und viele gerade in jenen Bereichen studieren, in denen Fachkräftemangel herrscht.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft begrüsst Zugangserleichterungen für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss und empfiehlt, der Kommissionsminderheit der SPK-SR zu folgen und auf die Vorlage einzutreten. Denn das brachliegende Potenzial dieser bereits integrierten Fachpersonen muss besser ausgeschöpft werden. Andere Länder kennen bereits entsprechende Zulassungserleichterungen. Es gilt hier mitzuziehen, um im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte keinen Nachteil zu haben.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Der Ständerat ist auf die Vorlage eingetreten und hat damit entschieden, ein wichtiges Anliegen der Schweizer Wirtschaft weiterzuverfolgen. Die zuständige Kommission SPK-S hat nun den Auftrag, Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten. Aus Sicht von economiesuisse wäre dies beispielsweise mit einer gezielten Kontingenterhöhung oder mit Aufenthaltserlaubnissen für Absolventen, wie dies z.B. Holland oder die USA bereits kennen, möglich.

Wettbewerb & Regulatorisches

Ja zur Meldepflicht, aber bitte gezielt und verhältnismässig

Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen sollen künftig dem Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) gemeldet werden müssen – das ist für die Bekämpfung und die Vorsorge gegen Cyberangriffe sinnvoll. Der Nationalrat hat das Fuder jedoch überladen: Eine erweiterte Meldepflicht für IT-Schwachstellen ist weder nötig noch sinnvoll.

Darum geht es: Der Bundesrat will eine Meldepflicht für Cyberangriffe einführen. Die Ausdehnung der Meldepflicht auf Schwachstellen in IT-Betriebsmitteln, wie vom Nationalrat gefordert, ist hingegen kontraproduktiv, da eine Offenlegung von Schwachstellen potenziell zu viel mehr Schaden als Nutzen führen kann.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt die Annahme der Vorlage. Die Meldepflicht für Schwachstellen sorgt zusammen mit den unklaren Definitionen, der äusserst knappen Meldefrist und den Sanktionsmöglichkeiten für eine «toxische Mischung». Die Rechtsunsicherheiten wären nicht vertretbar. Darüber hinaus wären die administrative Mehrbelastung gross und der systemische Nutzen fragwürdig, da viele Firmen proprietäre, massgeschneiderte Informatikmittel einsetzen und die Sicherheit weit verbreiteter Hard- und Software über andere Vorkehrungen sichergestellt wird. Es gilt daher bei Art. 74 die Minderheit Wicki, Bauer, Burkart, Français, Minder zu unterstützen, die auch von den Betreiberinnen kritischer Infrastrukturen befürwortet wird.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat einer Meldepflicht für Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen zugestimmt. Anders als der Erstrat möchte die kleine Kammer jedoch keine Ausweitung der Meldepflicht auf IT-Schwachstellen. Ein entsprechender Antrag wurde mit 31 zu 12 Stimmen angenommen. economiesuisse begrüsst diesen Entscheid – der Ständerat sorgt damit für eine ausgewogene Vorlage, ohne dass diese an Wirksamkeit einbüsst. Die Differenz geht nun zurück in den Nationalrat.

Die Strukturen der WEKO sind reformbedürftig

Für ein zeitgemässes Wettbewerbsrecht muss eine institutionelle Neuordnung die aktuellen Revisionsbestrebungen im Kartellrecht flankieren. Zur Verbesserung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit der WEKO-Verfahren müssen Untersuchungs- und Entscheidfunktion besser voneinander getrennt werden. Gleichzeitig gilt es, die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden zu wahren.

Darum geht es: Der Bundesrat wird beauftragt, die institutionellen Defizite der Wettbewerbskommission (WEKO) anzugehen. Es besteht erhebliches rechtsstaatliches Verbesserungspotenzial. Er soll die Struktur der Kommission, ihre Vorrechte und ihre Mittel überprüfen. Dabei ist eine funktionale Trennung ihrer Rollen als Untersuchungsbehörde und Entscheidbehörde sicherzustellen. Dieses Ziel wäre allenfalls durch ein spezialisiertes erstinstanzliches Wettbewerbsgericht zu erreichen.

Das findet economiesuisse: Die Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden ist ein grosses Anliegen der Wirtschaft. Der Bundesrat hat darauf verzichtet, die Institutionenreform in die aktuell laufende Kartellrechtsrevision aufzunehmen. Die Bedeutung des Anliegens wird durch die Motion jedoch erneut unterstrichen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Bereits Entschiedenes nicht wieder aufwärmen

Die Beratungen des Tabakproduktgesetzes dauerten vom September 2019 bis zum 1. Oktober 2021. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Motion waren die Beratungen in vollem Gange. Die Motion hätte mit Abschluss der Beratungen entsprechend abgeschrieben werden können, da die Forderungen dort abschliessend besprochen wurden.

Darum geht es: Die Motion verlangt ein Verbot des Inverkehrbringens von Rauchtabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma sowie ein Verbot von Zusatzstoffen für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten, die das Suchtpotenzial oder die Toxizität steigern.

Das findet economiesuisse: Die Motion hätte bereits mit Abschluss der Beratungen des Tabakproduktgesetzes abgeschrieben werden sollen. Getroffene Entscheide gilt es zu akzeptieren. Folgerichtig empfehlen Bundesrat und SGK-S, die Motion abzulehnen. Auch die Annahme der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» rechtfertigt die Wiederaufnahme der Diskussion über die Zutatenverbote nicht, da die Volksinitiative einzig die Werbung für Tabakprodukte betrifft. Die Schweiz setzt mit dem Tabakproduktegesetz und der Volksinitiative bereits einen starken Jugendschutz und ein strenges Werbeverbot um.

Empfehlung economiesuisse: Ablehnung

Stand der Beratungen: Der Ständerat hat die Motion mit 24 zu 11 Stimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt. Damit ist der Vorstoss vom Tisch.