# 2 / 2021
17.02.2021

Extreme Agrarinitiativen: gefährliches Experiment auf Kosten der Konsumenten

Schädlich für die Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft und Tourismus

Grosser bürokratischer Aufwand unvermeidbar

Nach Annahme der Initiative dürften nur noch Lebensmittel, die dem Ansinnen der Initianten entsprechen, in der Schweiz auf den Markt kommen. Die Schweiz müsste also sicherstellen, dass importierte Lebensmittel den neuen Standards entsprechen.

Die Initiative kann deshalb nur mit einem riesigen administrativen Aufwand umgesetzt werden. Lebensmittel, die in die Schweiz eingeführt werden, müssten zusätzliche Deklarationen aufweisen, die ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen der Initiative belegen. Diese Dokumente müssten Schweizer Zollbeamte an der Grenze detailliert kontrollieren. Dies alleine würde zu administrativem Mehraufwand für die Unternehmen führen und einen massiven Ausbau an Personal beim Bund bedingen. Die Zollbehörden können sich dabei nicht auf eine reine Dokumentenkontrolle beschränken. Denn eine Überprüfung basierend auf Selbstdeklaration würde nicht garantieren, dass die vorgegebenen Standards tatsächlich eingehalten werden. Schweizer Beamte müssten im Ausland sogar vor Ort kontrollieren, ob die deklarierten Produktionsstandards eingehalten werden. 

Lebensmittelindustrie kommt weiter unter Druck

Die Lebensmittelindustrie ist ein wichtiger Teil der Schweizer Volkswirtschaft. Ihre Bedeutung nahm in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Vor allem der Export wird ein immer wichtigeres Standbein. Die Branche beschäftigt über 70’000 Arbeitnehmende, wovon über die Hälfte in kleinen und mittleren Unternehmen tätig ist. Die Schweizer Lebensmittelindustrie wäre bei einer Annahme der Initiative wegen steigender Agrarrohstoffpreise im Inland sowie des Verbots von Bioziden mit deutlich höheren Produktionskosten konfrontiert. So würde zum Beispiel Schweizer Schokolade international einen erheblichen Wettbewerbsnachteil erleiden, da die Produzenten sicherstellen müssten, dass nur Kakao verwendet wird, der nach den kostspieligeren Schweizer Vorschriften produziert wird. Viele Lebensmittelhersteller in der Schweiz sind KMU – sie wären besonders stark benachteiligt.

Auch die Tourismusbranche wäre von den deutlich höheren Lebensmittelpreisen betroffen. Sie erleidet wegen der Corona-Pandemie momentan eine massive Krise. Steigende Lebensmittelpreise würden die Tourismuskrise verstärken: Sie verteuern die Gastronomie und würden Ferienreisende vom Urlaub in der Schweiz abhalten. Für den Schweizer Tourismus wäre das verheerend.

Auch für die Schweizer Bauern kann die Initiative fatale Folgen haben. Pflanzenschutzmittel helfen den Bauern, eine gute Ernte zu erreichen. Mehr Ernteausfälle bedeuten auch mehr Einkommensausfälle. Hohe Schwankungen in den Erträgen würden den Landwirten das Wirtschaften stark erschweren. Zudem würde der Nettoselbstversorgungsgrad der Schweiz bei einer Annahme deutlich fallen. 

Starke Zunahme des Einkaufstourismus

Steigen die Lebensmittelpreise in der Schweiz, führt dies unweigerlich zu einer Zunahme des Einkaufstourismus. Für den Schweizer Detailhandel könnte dies verheerende Auswirkungen haben. Schweizer Haushalte kaufen schon heute Lebensmittel für mehrere Milliarden Franken im grenznahen Ausland ein. Der Frankenschock 2015 hat gezeigt, dass viele Konsumentinnen und Konsumenten äusserst preissensibel sind und ihr Einkaufsverhalten bei steigenden Preisdifferenzen zwischen In- und Ausland umgehend anpassen. So nahm im Zuge der Aufwertung des Schweizer Frankens 2015 der Einkaufstourismus um satte acht Prozent zu. Bei einer Annahme der Initiative müsste nicht nur preisbedingt mit einer starken Verschiebung der Lebensmitteleinkäufe ins grenznahe Ausland gerechnet werden, sondern auch, weil die Auswahl im Vergleich zum schrumpfenden Angebot in der Schweiz deutlich grösser und attraktiver sein wird.