# 2 / 2021
17.02.2021

Extreme Agrarinitiativen: gefährliches Experiment auf Kosten der Konsumenten

Strikte Zulassungskriterien und sinkender Einsatz in der Schweiz

Pflanzenschutzmittel unterliegen in der Schweiz strengen Zulassungskriterien. Sie werden nur dann in Verkehr gebracht, wenn sie bei vorschriftsgemässem Einsatz keine unakzeptablen Nebenwirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Basierend auf dem Chemikaliengesetz (ChemG) sowie der Pflanzenschutzmittel-Verordnung (PSMV), wird jedes Zulassungsgesuch von vier Instanzen beurteilt: dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), den landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Agroscope und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Abschliessend entscheidet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), ob ein Wirkstoff zugelassen wird oder nicht. Gemäss Bundesrat gehören Pestizide zu den am besten auf ihre Wirkung untersuchten Chemikalien überhaupt.

Wie der Bundesrat in seiner Botschaft festhält, ist ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Einsatz von synthetischen Pestiziden in der Lebensmittelproduktion sowie deren Rückständen in Lebensmitteln und der öffentlichen Gesundheit wissenschaftlich nicht belegt. Zudem werden Massnahmen ergriffen, damit Lebensmittel bei normalem Konsumverhalten die menschliche Gesundheit nicht gefährden. So werden sie regelmässig auf Rückstände kontrolliert und gegebenenfalls aus dem Verkehr gezogen. Für importierte Lebensmittel gelten die gleichen Grenzwerte für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. 

Erfolgreiche Bestrebungen zur Reduktion von Pestizideinsätzen

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in der Schweiz stark rückläufig. Seit 2008 hat sich deren Verkauf um 13 Prozent reduziert, jener von Glyphosat gar um fast zwei Drittel. Auffallend dabei ist, dass sich der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln für die biologische Landwirtschaft um über 50 Prozent erhöht hat. Umgekehrt hat der Verkauf jener Mittel, die nur in der konventionellen Landwirtschaft angewendet werden, um 40 Prozent abgenommen.

Abbildung 1

Diese Reduktion ist nicht zufällig. Seit Jahren gibt es zahlreiche Bestrebungen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken. Dazu gehören unter anderem der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel und die Strategie Antibiotikaresistenzen. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel möchte der Bund die Risiken halbieren und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz fördern. Zudem gibt es im Parlament Vorstösse, um via Gesetzgebung den Einsatz von Pestiziden weiter zu senken. Dazu gehört zum Beispiel die parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren», mit der unter anderem die Verbindlichkeit des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel erhöht werden soll. Die Beratung ist im Parlament fast abgeschlossen. Es müssen nur noch einzelne Differenzen bereinigt werden. Unbestritten ist, dass die Risiken für die Bereiche Oberflächengewässer und naturnahe Lebensräume sowie die Belastung im Grundwasser bis 2027 um 50 Prozent im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 2012 bis 2015 vermindert werden müssen. economiesuisse erachtet diesen Ansatz als zielführender: Anstelle eines generellen Verbots ist es in einer Gesamtbetrachtung besser, den Einsatz von Pestiziden auf das notwendige Minimum zu reduzieren – nicht zuletzt durch technologische Innovationen.

Die Trinkwasserinitiative

Neben der Initiative zu den synthetischen Pestiziden stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung auch über die sogenannte Trinkwasserinitiative ab. 

Die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) fordert, dass nur noch diejenigen Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden, die keine Pestizide einsetzen, ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung auskommen und deren Tierbestand mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann.

Bei einer Annahme der Initiative wäre mit einem Produktionsrückgang in der Schweizer Landwirtschaft zu rechnen – mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf vor- und nachgelagerte Bereiche. Die geringere Inlandproduktion würde den Import befeuern und zu einer Verlagerung des Problems ins Ausland führen. Da viele Massnahmen im Bereich Ställe und Milchproduktion nicht mehr möglich wären, bestünde die Gefahr von Verunreinigungen und Krankheiten. 

Das generelle Verbot des prophylaktischen Antibiotikaeinsatzes würde zudem das Risiko einer Zunahme eigentlich vermeidbarer Krankheitsfälle bei Tieren erhöhen. Sowohl das Tierwohl wie auch die Lebensmittelsicherheit würden darunter leiden. Gewisse Bereiche der Landwirtschaft können nicht auf den Einsatz von Pestiziden verzichten. In diesen Bereichen könnten die Einnahmenausfälle existenzbedrohend werden, sodass gewisse Betriebe schliessen müssten. 

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Die Anliegen der Initianten werden im Rahmen von verschiedenen agrarpolitischen Massnahmen wie beispielsweise dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel und der Strategie Antibiotikaresistenzen bereits aufgenommen.