Warten auf Godot: Digitalisierungstheater im Gesundheitswesen

Wladimir fragt im berühmten Theaterstück von Samuel Beckett ganz am Schluss: «Also? Wir gehen?» Estragon antwortet: «Gehen wir!» Worauf das Stück mit der Regieanweisung des Autors endet: Sie gehen nicht von der Stelle. Leider verhält es sich im Schweizer Gesundheitswesen ganz ähnlich: Man wartet, tritt an Ort und bewegt sich auch nach langen Diskussionen nicht. Gerade in der Digitalisierung klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Die Corona-Krise hat die Schwachstellen schonungslos offengelegt. Jetzt muss das absurde Theater ein Ende haben, denn das Warten auf den Digitalisierungs-Godot schadet der Schweiz und deren Bevölkerung.

Seit Jahren spricht man von der zwingenden Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen. Zu Recht, denn dank digitaler Prozesse können und müssen Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen gesteigert werden. Wie kann es sein, dass viele Ärzte heute noch die Krankheitsakten in Papierform führen? Dass Meldungen ans BAG per Fax übermittelt werden? Dass Röntgenbilder zum Teil nur analog gespeichert werden? Dass das elektronische Patientendossier immer noch nicht umgesetzt ist?

Doch anders als im Stück «Warten auf Godot» sind die Protagonisten im Schweizer Gesundheitswesen keine Landstreicher: Auf der einen Seite die politischen Behörden wie das BAG und die kantonalen Departemente, die für das Gesundheitswesen zuständig sind. Auf der anderen Seite die Leistungserbringer wie Spitäler oder Arztpraxen. Allen gemeinsam ist, dass ihr Personal gut ausgebildet und gut bezahlt ist. Und dennoch verhalten sie sich ähnlich wie die Landstreicher in Becketts Stück, diskutieren viel, kündigen Taten an und warten auf irgendetwas, statt die Digitalisierung entschieden voranzutreiben.

Die Corona-Krise hat diese eklatanten Versäumnisse in unserem Gesundheitswesen schonungslos offengelegt. Die Zeit der Ausreden ist längst vorbei, man muss es jetzt einfach tun. Denn dieses absurde Theater amüsiert das Publikum schon lange nicht mehr. Das Warten auf den Digitalisierungs-Godot ist vielmehr zum Ärger und zum Schaden der Schweiz und deren Bevölkerung.