Das Corona-Virus trifft die Welt härter als SARS

Niemand weiss derzeit, wie stark sich die Corona-Epidemie auf die Weltwirtschaft und die Schweizer Wirtschaft auswirken wird. Verschiedene Analysten erinnern daran, wie sich die Lage 2002/2003 bei der SARS-Krise entwickelte. Damals brach die chinesische Wirtschaftsleistung kurzfristig ein, um in einer Art Aufholjagd in den folgenden Quartalen die Krise vergessen zu machen. Eine klassische V-Entwicklung: kurzer Einbruch, rasche Erholung.

Verschiedene Faktoren sprechen aber dafür, dass die aktuelle Epidemie stärkere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wird als SARS. Erstens ist die chinesische Wirtschaft mittlerweile die zweitgrösste der Welt und steuert knapp einen Fünftel zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei, rund doppelt so viel wie 2003. Zweitens ist die chinesische Wirtschaft nicht mehr vor allem die Werkbank der Weltwirtschaft, sondern reiht sich vermehrt mit hochstehenden Komponenten und Produkten in die globalen Wertschöpfungsketten ein. Drittens ist der Dienstleistungssektor viel bedeutender geworden und macht mittlerweile rund die Hälfte des chinesischen Bruttoinlandprodukts (BIP) aus.

Der chinesische Dienstleistungssektor leidet besonders.

Der höhere Dienstleistungsanteil hat nun zur Folge, dass das chinesische BIP durch die Corona-Epidemie stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei vielen Dienstleistungen wie Restaurants, Vergnügungsparks, Kinos und Einkaufszentren werden die Umsatzausfälle kaum kurzfristig überkompensiert werden. Wenn die Epidemie hoffentlich bald verebbt, werden Kunden zwar wieder ins Kino strömen, auswärts essen oder sich an Veranstaltungen vergnügen. Aber sie werden diese Dienstleistungen kaum mehr als vor der Krise konsumieren. Ein Teil der Umsatzrückgänge wird daher bleibender Natur sein. In der Produktion wird die Corona-Krise die Verlagerung in andere Länder, die bereits durch den Handelskonflikt mit den USA angekurbelt worden ist, noch verstärken. Mit anderen Worten ist das chinesische Wirtschaftswachstum 2020 wohl stärker betroffen als es noch bei SARS der Fall war. 

Wenn nun China weniger stark wächst, beeinflusst das die Weltwirtschaft. Das Reich der Mitte steuert rund einen Drittel zum weltweiten Wachstum bei. Ein vorübergehender Rückgang in China wird entsprechend auch das globale Wachstum reduzieren, und dies nicht mehr nur marginal wie noch 2002/2003. Erschwerend kommt hinzu, dass China Produkte herstellt, die als Vorleistungen weltweit gebraucht werden. In der Automobil-, Elektronik- oder Maschinenindustrie stellt das Land Komponenten her, die in den Fabriken in Mexiko, Malaysia oder anderswo verbaut werden. Hier werden die nächsten Wochen zeigen, welche Firmen von Lieferausfällen betroffen sind. 

Die Weltwirtschaft wird weit stärker beeinflusst als noch bei der SARS-Epidemie 2002/2003.

Auch für die Schweizer Wirtschaft sind die Folgen weitreichender als 2002/2003, sind doch heute viel mehr Firmen in China präsent. Rund 1000 Niederlassungen von Schweizer Unternehmen warten mit ihren etwa 180'000 Angestellten auf eine Normalisierung der Lage. Auch in der Schweizer Produktion werden chinesische Vorleistungsprodukte verwendet. 

Offensichtlich fehlen die in den letzten Jahren stark angestiegenen Umsätze mit chinesischen Touristen. Nicht nur in der Schweiz, wo einzelne Tourismusorte wie Luzern stark betroffen sind. So kaufen chinesische Touristen häufig Schweizer Uhren in Japan, in Hongkong oder eben in der Schweiz. Auch in diesem Bereich ist es wenig wahrscheinlich, dass die Einbussen nach der Krise überkompensiert werden und rasch wieder wettgemacht werden können. 

Kurzum: Die Welt ist heute nicht mehr dieselbe wie 2002/2003. Die Weltwirtschaft und die Schweizer Wirtschaft werden von der Corona-Epidemie wohl stärker in Mitleidenschaft gezogen als bei SARS. Man muss aber trotzdem nicht in Panik verfallen. Auch diesmal wird ein grosser Teil der Umsatzrückgänge nur temporär sein – vorausgesetzt, dass die Krise bald zu Ende geht.