# 14 / 2019
03.10.2019

Sustainable Finance als Trend – Wo wollen wir hin?

EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance

Inhalt und Umsetzung des EU Action Plan on Sustainable Finance

Aufgrund der global wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Investitionen kündigte die EU im März 2018 einen Aktionsplan an, der eine nachhaltige (und damit auch klimafreundliche) Ausgestaltung der Finanzflüsse aufgreifen und nachhaltige Investitionen fördern soll. Der EU geht es dabei nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Wirtschaftsinteressen und die Stärkung des Finanzwesens. Europa soll zum Katalysator globaler Investitionen in grüne Wirtschaft und Technologien gemacht werden. Der Aktionsplan beinhaltet die folgenden vier Anpassungsbestrebungen:

  • Ein einheitliches EU-Klassifikationssystem («Taxonomie») wird geschaffen, um «nachhaltige» von «nicht-nachhaltigen» wirtschaftlichen Aktivitäten zu unterscheiden. Das soll zu verbesserter Transparenz und zur Bekämpfung von «Greenwashing» führen. Die Regeln sollen zwischen 2020 und Mitte 2022 in Kraft treten. Derzeit bereinigen die EU-Mitgliedsländer den von Kommission und Parlament angenommenen Richtlinienentwurf. Diese Richtlinie sollte bis Anfang April 2019 verabschiedet werden, angesichts der vielen Einwände zu diesem Anpassungspaket konnte die EU ihren ambitionierten Zeitplan jedoch nicht einhalten. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Expertengruppe der EU-Kommission im Juni 2019 ihren technischen Bericht für ein Klassifizierungssystem. Dieser wird per Ende Jahr als Entscheidungsgrundlage zuhanden der EU-Kommission finalisiert.
  • Investorenpflichten (oftmals «treuhänderische Pflichten» genannt) werden präzisiert. Vermögensverwalter und institutionelle Anleger müssen im Rahmen ihrer Produkte künftig nachweisen, inwieweit ihre Investitionen und Finanzierungen an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sind. Zudem müssen sie offenlegen, in welcher Weise sie ihren Pflichten nachkommen. Dies wird dazu führen, dass die Unternehmen zuhanden der Finanzinvestoren erklären müssen, inwiefern sie die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Zudem hat die Europäische Kommission im Juni 2019 neue Leitlinien für die klimabezogene Berichterstattung der Unternehmen veröffentlicht. Diese enthalten praktische Empfehlungen, wie Unternehmen die Klimafolgen ihrer Tätigkeit, aber auch die Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Unternehmen besser offenlegen können.
  • Zwei neue Kategorien für Referenzwerte («Benchmarks») werden vorgeschlagen: einen für wirtschaftliche Aktivitäten, die eine Reduktion von CO2-Emissionen ermöglichen («Climate Transition Benchmark»), sowie einen für wirtschaftliche Aktivitäten, welche mit dem Absenkpfad unter dem Pariser Abkommen in Einklang stehen («Paris-aligned Benchmark»). Jetzt werden die Details auf Expertenstufe konkretisiert, etwa welche Branchen und Firmen diese Kriterien erfüllen und ob gewisse Sektoren als schädlich gebrandmarkt werden sollten. Die Richtlinie muss vom Rat und Parlament formell bestätigt werden. Die Benchmarks sollen Ende 2019 in Kraft treten.
  • Die Beratung von Privatkunden im Banken- und Versicherungsbereich soll in Zukunft Nachhaltigkeitsaspekte integrieren. Der Entwurf wurde am 4. Januar publiziert und im Mai 2019 beschlossen.

    Die EU-Kommission plant, das Sustainable Finance-Paket in der Form von verbindlichen Regeln zu erlassen.

Haltung von economiesuisse zum EU-Aktionsplan

economiesuisse unterstützt das Ziel des EU-Aktionsplans, Investitionen zu mobilisieren, um ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Auch die Bestrebungen zu mehr Transparenz und Klarheit in den Märkten ist grundsätzlich positiv zu werten. Gleichzeitig ist es unbedingt erforderlich, dass solche Bestrebungen verhältnismässig, praktikabel und angemessen sind und den Bedürfnissen sowohl der Finanzmärkte als auch der Realwirtschaft entsprechen. Es ist wichtig, dass Massnahmen wie zum Besipiel die geplante Taxonomie zweckmässig sind und nicht zu unverhältnismässigem bürokratischem Aufwand für Unternehmen – und insbesondere KMU – führen. Alle Sektoren und Branchen sollen an den Entwicklungen teilnehmen. Die Taxonomie darf keinesfalls als «Strafinstrument» missbraucht werden, das den Zugang der Unternehmen zu Finanzmitteln behindert. Die Definition von «nachhaltigen Investitionen» sollte sich auf glaubwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und dabei sowohl die neuesten technologischen Entwicklungen als auch die Komplexität und Funktionsweise von industriellen Wertschöpfungsketten berücksichtigen. Die EU-Taxonomie sollte wirtschaftliche Aktivitäten nicht binär als «grün» oder «braun» klassifizieren, sondern auch solche «Transition»-Aktivitäten würdigen, die einen wirkungsvollen und wirtschaftlich begründeten Beitrag zum Übergang hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft leisten, wie beispielsweise Unternehmen, die in kohlenstoffreichen Sektoren aktiv sind, aber deutlich emissionsreduzierende Strategien angenommen haben.

Auf Schweizer Firmen, insbesondere diejenigen mit Börsenkotierung, werden in Zukunft seitens Banken und Investoren vermehrt Fragen in Bezug auf deren Nachhaltigkeitsstrategie mit entsprechenden vorausschauenden Zielen und rückblickendem Leistungsausweis zukommen. Die EU Non-Financial Reporting Guidance auferlegt Schweizer Firmen mit Geschäftsvolumen und Anzahl Personal, die über definierten Schwellenwerten liegt, Berichterstattungspflichten über die Auswirkungen von Klimawandel und ökologischen und sozialen Faktoren auf das eigene Geschäft und auf die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf Klima, Umwelt und Menschenrechte.

Bedeutung des EU-Aktionsplans für den Schweizer Wirtschaftsstandort

Es ist heute noch weitgehend offen, welche Auswirkungen die EU-Entwicklungen für den Schweizer Finanzmarktplatz haben werden. Ein erster Hinweis besteht in dem von LCR Services im März 2019 veröffentlichten Rechtsgutachten, welches die ökonomischen und rechtlichen Konsequenzen des EU-Aktionsplans für den Schweizer Finanzsektor untersucht. Demnach könnte die Einführung von Nachhaltigkeitsregeln in der EU ein Thema bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der Rechtssysteme zwischen EU und der Schweiz sein. Dies, weil die eingeführten Änderungen nicht bloss marginal sind, sondern auch wesentliche Prinzipien der Art und Weise der Erbringung einer Finanzdienstleistung erfassen. Die Beurteilung der Äquivalenz wird letztlich aber ein politischer Entscheid sein und muss im europapolitischen Gesamtkontext gesehen werden. Je nachdem, wie diese Beurteilung ausfällt, sei gemäss Gutachten zu erwarten, dass hiesige Banken und Fondsgesellschaften ihre Prozesse und Produkte anpassen müssen, wenn sie Kunden aus der EU betreuen oder ESG-Produkte in der EU vertreiben wollen. Über kurz oder lang könnten auch Privatanleger hierzulande von den EU-Vorschriften betroffen sein. Das könnte – gerade in der Umstellungsphase – erheblichen Anpassungsaufwand bei den Prozessen bedeuten.

Da viele Schweizer Unternehmen das Themenfeld «Nachhaltigkeit» gerade auch international besetzen wollen, bietet der von der Europäischen Kommission erarbeitete Aktionsplan für die Schweiz auch Chancen. Die Entwicklung einheitlicher Standards und Messmethoden könnte eine marktförderliche Dynamik auslösen. Dadurch wiederum entstehen Profilierungsmöglichkeiten für Unternehmen, die sich nachhaltig positionieren wollen und können. Die Schweiz kann dank ihrer Expertise im Umweltbereich, in Kombination mit den günstigen Rahmenbedingungen und einem starken Finanzsektor, langfristig einen Wettbewerbsvorteil im Bereich nachhaltiger Investitionen erreichen.

Insgesamt lohnen sich aus Sicht von economiesuisse eine chancenorientierte Begleitung der EU-Entwicklungen sowie weitere Abklärungen zu den möglichen Auswirkungen auf die internationalen und Schweizer Finanzmärkte.