# 14 / 2019
03.10.2019

Sustainable Finance als Trend – Wo wollen wir hin?

Der Ruf nach nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten nimmt zu.

Wirtschaftlicher Erfolg kann langfristig nur in einer leistungsfähigen, stabilen Gesellschaft und einer intakten Umwelt erreicht werden. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wohl aber Grund dafür, weshalb sich Unternehmen gerade im Kontext der Globalisierung vermehrt strategisch mit verantwortungsvollem Unternehmertum befassen. Zahlreiche Schweizer Unternehmen verstehen dies als Chance und Notwendigkeit für den wirtschaftlichen Erfolg. economiesuisse betont daher die Bedeutung des nachhaltigen Wirtschaftens seit mehreren Jahren in einem umfassenden Kontext.

Sustainable Finance beschäftigt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit im Finanzwesen. Nachhaltige Anlagestrategien haben gerade in den letzten Jahren bei privaten und institutionellen Investoren an Bedeutung gewonnen.

Nachhaltigkeit als gesamtheitlicher Ansatz

Ein Finanzsystem gilt als nachhaltig, wenn es den Übergang von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit finanziell unterstützt und beschleunigt. Erneuerbare Energie, ressourceneffiziente Infrastruktur und angemessene Arbeitsbedingungen sind nur einige Beispiele für Investitionsfelder einer nachhaltigen Wirtschaft. Dabei können sowohl öffentliche Gelder als auch private Finanzströme eine Rolle spielen.

Wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Nachhaltigkeit entwickeln sich zu Kernthemen der Finanzwirtschaft. Diesen Trend spürt die gesamte Wirtschaft. Investoren wollen in Werte investieren, die ihren ethischen Grundsätzen entsprechen. Elemente der ökologischen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeit können finanzielle Risiken, aber auch Chancen darstellen. Nachhaltigkeitskriterien werden so immer öfter zu wichtigen Grundlagen für Investmententscheide. In der Schweiz gibt es kaum mehr eine Bank oder einen Vermögensverwalter, der kein nachhaltiges Anlageprodukt lanciert. Kürzlich hat die Bank Raiffeisen etwa die erste nachhaltige Anleihe im Schweizer Markt platziert.

Gerade in den letzten Jahren hat das Thema stark an Bedeutung und Dynamik gewonnen: Das Total der nachhaltigen Anlagen in der Schweiz umfasste Ende 2018 gemäss der Marktstudie von Swiss Sustainable Finance rund 717 Milliarden Franken – ein Plus von 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hinter dem kräftigen Zuwachs stecken nicht nur ethische Präferenzen, sondern auch ökonomische Überlegungen: Eine Metastudie des «Journal of Sustainable Finance & Investment» hat gezeigt, dass etwa 50 Prozent aller Studien einen positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Rendite belegen, während etwa 40 Prozent einen neutralen und nur zehn Prozent einen negativen Zusammenhang sehen.

Grundsätzlich spielt Sustainable Finance in drei Bereichen eine Rolle:

  1. Vermögensverwaltung; hier spielt die Schweiz durch die grossen verwalteten Vermögen als Intermediär eine wichtige Rolle.

  2. Finanzierungen; darunter zählen neben Firmenfinanzierungen (Kredite, Ausgabe von Anleihen und Aktien) auch Privatkredite und Hypotheken. 

  3. Risikomanagement; das betrifft alle Prozesse, die die Beurteilung von Risiken umfassen – insbesondere den Einbezug von ESG-Risiken (Environment-, Social-, Governance-Risiken).

Der Begriff «Sustainable Finance» bezieht sich jedoch nicht nur auf Akteure des Finanzsektors. Zunehmend möchten auch Unternehmen wissen, wie ihre Investoren sie sehen und analysieren. Investoren und Kreditgeber wollen durch den Einbezug von ökologischen und sozialen Kriterien die mittel- und langfristigen Risiko- und Ertragspotenziale von Unternehmen – insbesondere von börsennotierten Unternehmen in Sektoren, die eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung des Klimawandels und bei der Anpassung an den Klimawandel spielen – besser einschätzen können. Wenn es den Unternehmen nicht gelingt, Investoren davon zu überzeugen, dass sie gestützt auf Nachhaltigkeitskriterien als «investierbar» gelten, kann dies in gewissen Fällen zu höheren Kapitalkosten führen.

Klimadiskussion als Treiber

Hinter den Entwicklungen stehen neben einer Veränderung des Anlageverhaltens auch politische Forderungen. Solche Forderungen werden unter anderem im Zusammenhang mit der (inter-)nationalen Klimapolitik gestellt. So verlangt das Pariser Klimaabkommen, das die Schweiz ratifiziert hat, auch eine klimafreundliche Ausgestaltung der Finanzflüsse. Das Financial Stability Board (FSB), die Dachorganisation der Bankaufsichtsbehörden und Zentralbanken, empfiehlt via ihre Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) die Offenlegung von klimabedingten finanziellen Risiken durch Firmen im Finanzsektor, aber auch in den Energie-, Transport-, Industrie- und Landwirtschaftssektoren.

Tatsächlich reduzieren zum Beispiel immer mehr Versicherungsgesellschaften global ihre Geschäfte mit Kohleunternehmen. Als eine der grössten Versicherungsgesellschaften der Welt kündigte beispielsweise Chubb im Juli 2019 an, künftig keine neuen Kohlekraftwerke und -minen mehr versichern zu wollen. Zudem würden Geschäftsbeziehungen mit Firmen beendet, die mehr als 30 Prozent ihrer Einkünfte im Kohlegeschäft erzielten. Aus Sicht der Wirtschaft ist es zentral, dass alle Sektoren und Branchen an den aktuellen Entwicklungen teilnehmen können.

Auch auf nationaler Ebene gibt es politische Geschäfte, die die Erreichung der Klimaziele mit den Prozessen der Finanzbranche zu verknüpfen versuchen. Hierunter fallen unter anderem die Totalrevision des CO2-Gesetzes und die Gletscher-Initiative. Im Rahmen ihrer Beratung zur Schweizer Klimapolitik hat die UREK-S am 16. August 2019 kommuniziert, dass auch der Finanzsektor einen Beitrag leisten müsse, um die Emissionsverminderungsziele zu erreichen. Allerdings könne die Ausarbeitung entsprechender Regeln nicht im Rahmen der Totalrevision des CO2-Gesetzes erfolgen. Eine erste Bestimmung schlägt die Kommission nun jedoch bereits vor. Mit einem neuen Artikel im CO2-Gesetz sollen die FINMA und die Schweizerische Nationalbank verpflichtet werden, regelmässig die klimabedingten finanziellen Risiken zu überprüfen.

Um weitergehende Massnahmen zu eruieren, hat der Ständerat im September 2019 unter anderem ein Postulat mit dem Titel «Klimaverträgliche Ausrichtung und Verstärkung der Transparenz der Finanzmittelflüsse in Umsetzung des Übereinkommens von Paris» (19.3966) angenommen. Im Rahmen des Postulats soll der Bundesrat aufzeigen, wie die Schweiz das erreichen kann. Zudem erwartet die Kommission vom Bundesrat Massnahmen, damit Schweizer Unternehmen transparenter über die Klimaauswirkungen und Klimarisiken ihrer Tätigkeiten informieren.

Der Bundesrat will dem Übereinkommen von Paris insofern gerecht werden, als dass er vorerst mit freiwilligen Massnahmen der Finanzmarktakteure auf eine klimaverträgliche Ausrichtung der Finanzflüsse hinwirken will. Diese Haltung zeigt sich im Gesetzesentwurf zur Totalrevision des nationalen CO2-Gesetzes. Ein Beispiel für freiwillige Massnahmen der Branche ist das «PACTA»-Pilotprojekt, an dem sich 17 internationale Banken, darunter die Credit Suisse und UBS beteiligen. Darüber hinaus hat der Bundesrat derzeit noch keine Regulierungen vorgesehen (für mehr Details siehe unten). economiesuisse unterstützt den Bundesrat mit einer vorerst freiwilligen Phase zur Umsetzung von «klimafreundlichen» Massnahmen in der Schweizer Finanzmarktbranche.