Industriezollaufhebung: fünf Fragen, fünf Antworten

Die Schweiz will die Importzölle auf Industriegüterimporte aufheben. Davon profitieren nicht nur die Unternehmen, sondern auch Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Volkswirtschaft insgesamt. Entsteht dadurch aber nicht eine grosse Lücke im Bundeshaushalt? Vergibt die Schweiz nicht unnötig Verhandlungsspielraum? Und werden tatsächlich die Preise sinken? Wir liefern Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Warum die Industriezölle aufheben?

Die Industriezölle wurden ursprünglich zum Schutz der inländischen Unternehmen eingeführt. Heute schaden sie nur noch – sowohl den Firmen (Zollabgaben und administrativer Aufwand) als auch den Konsumenten (hohe Preise) und der Volkswirtschaft. Der Bundesrat will die Zölle deshalb auf null Franken setzen, was economiesuisse begrüsst. Denn das heisst: jährlich rund 500 Millionen Franken weniger Zollabgaben, 100 Millionen Franken weniger administrativer Aufwand und etwa 350 Millionen Franken tiefere Konsumentenpreise. Demgegenüber würde gemäss Modellrechnungen das Bruttoinlandprodukt um 860 Millionen Franken steigen.

2. Wer füllt die Lücke im Bundeshaushalt, wenn Zolleinnahmen wegfallen?

Hebt der Bund die Importzölle auf, nimmt er ungefähr 500 Millionen Franken weniger ein. Da der Zollabbau die Wirtschaft aber ankurbelt, nimmt der Staat bei gleichbleibenden Steuersätzen mehr Steuern ein. Laut Modellrechnungen würden so 30 Prozent der wegfallenden Einnahmen kompensiert. Etwa 7 Millionen Franken könnte die Eidgenössische Zollverwaltung zudem an administrativem Aufwand einsparen. Die resultierende Lücke in der Bundeskasse von gut 300 Millionen wird durch die positive Gesamtwirkung mehr als aufgewogen.

Grafik aus dem dp: Die Auswirkungen der Industriezollaufhebung.

 

3. Schmälert die Schweiz nicht unnötig ihren Spielraum in Freihandelsabkommens-Verhandlungen?

Schon heute bietet die Schweiz ihren Verhandlungspartnern stets von Beginn weg den Nullzoll an für Industriegüter. Viel entscheidender sind für die Schweiz der Schutz des geistigen Eigentums, der Marktzugang im Dienstleistungsbereich und die Agrarzölle. Ausserdem bezahlen Entwicklungsländer, mit denen die Schweiz jüngst Freihandelsabkommen abgeschlossen hat oder mit denen sie um einen Abschluss bemüht ist – beispielsweise Indonesien, Malaysia, Argentinien, Brasilien oder Indien –, bereits heute keine Industriezölle. Der Vorteil ratifizierter Freihandelsabkommen im Bereich Industriezölle liegt für sie eher darin, dass die Zölle nicht mehr auf den MFN-Zollansatz der WTO angehoben werden können.

4. Werden Schweizer Firmen nicht noch stärker der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt?

Dies trifft auf gewisse Branchen durchaus zu. Und trotzdem befürworten sogar sie die Industriezollaufhebung. Denn nicht nur die Preise für fertige Konsumgüter, sondern auch jene für Vorleistungen sinken. Die Unternehmen haben somit tiefere Produktionskosten. Das steigert ihre Wettbewerbsfähigkeit – auch gegenüber ausländischen Konkurrenten. Nicht nur die Importe, sondern auch die Exporte werden deshalb angekurbelt. Gerade für die Exportnation Schweiz mit ihren hochspezialisierten Produkten ist die Zollaufhebung also sehr wichtig. Klar ist aber auch, dass die Zollaufhebung kein Allheilmittel ist. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ihm müssen weitere Massnahmen folgen, die die Handelskosten effektiv senken.

5. Kommt die Massnahme wirklich auch den Konsumenten zugute?

Durch die Zollaufhebung wird der Import von Konsumgütern günstiger. Bei funktionierendem Wettbewerb haben die Unternehmen grundsätzlich selbst Interesse, diese Einsparungen den Kunden weiterzugeben. Weil aber auch der Import von Vorleistungen weniger kostet, sinken die Produktionskosten der Unternehmen. Die Importe nehmen zu, was den Wettbewerb unter den Unternehmen nochmals stärkt und wiederum preissenkend wirkt. Insgesamt sinkt so das Preisniveau in der Schweiz um 350 Millionen Franken pro Jahr. Wobei die Sektoren Textilien, Bekleidung und Leder/Schuhe mit -3,6 Prozent den stärksten Preisnachlass zeigen.

Dossier Politik : Die Schweiz ohne Industriezölle: alle profitieren