# 01 / 2019
14.01.2019

Institutionelles Abkommen Schweiz-EU – Fragestellungen und Einordnung

Positionierung und Entscheidungsprozess bei economiesuisse

economiesuisse unterstützt die Verhandlungen für ein Institutionelles Rahmenabkommen. Damit sollen drei Hauptziele erreicht werden.

1. Der heute mit den bilateralen Abkommen erreichte Integrationsgrad im Europäischen Binnenmarkt ist zu sichern.
Begründung: Nur bei einer zeitgerechten Anpassung der fünf Abkommen kann der Integrationsgrad beibehalten werden. Die EU hat verschiedentlich signalisiert, dass sie dies nicht mehr über einzelne Verhandlungen, sondern durch ein Institutionelles Abkommen machen will. Ohne Nachführung der fünf Abkommen verliert deren Inhalt an Geltung und der Integrationsgrad erodiert zunehmend.

2. Die Option auf eine spätere Weiterentwicklung des bilateralen Wegs mit neuen Abkommen ist beizubehalten.
Begründung: Dynamische Entwicklungen als Folge des technologischen Wandels, der Globalisierung, der Digitalisierung oder von sozialen Veränderungen werden zur Notwendigkeit neuer Abkommen zwischen der Schweiz und der EU führen. So sind bei der Stromversorgung, der Forschung, den Bankendienstleistungen, aber auch betreffend Datenhandel und Blockchain grenzüberschreitende Regelungen und Zusammenarbeit von Vorteil. Ohne ein Institutionelles Abkommen wird die Schweiz aber kaum noch Marktzugangsabkommen abschliessen können.

3. Die Rechtssicherheit ist zu verbessern.
Begründung: Bei einem Konflikt mit der EU oder einem EU-Mitglied innerhalb des Geltungsbereichs eines der fünf Abkommen kann die Schweiz ihre Interessen bisher nur auf dem Verhandlungsweg durchsetzen und ist damit auf den Goodwill der Partner angewiesen. Bei einem verbindlichen Streitschlichtungsverfahren als Teil des InstA erhielte die Schweiz jedoch ein neues Rechtsinstrument zur Durchsetzung ihrer Interessen.

Steht die Schweiz in Zukunft mit InstA besser oder schlechter da?

Die Entscheidsituation zur Beurteilung des Entwurfs kann auf folgende binäre Fragestellung reduziert werden: Ist die Schweiz in der Zukunft mit oder ohne InstA besser- oder schlechtergestellt? Dabei werden auch die künftigen Entwicklungen abzuschätzen sein. Wenn man annimmt, dass der Status quo ohne InstA nicht gehalten werden kann, dann wird das InstA entsprechend wertvoller für die Schweiz. Sollte es gar zu einer starken inhaltlichen Erosion der bestehenden bilateralen Abkommen kommen, würde der bilaterale Weg ohne ein InstA faktisch an Wert verlieren. Es wäre dann nicht mehr eine Situation mit Nadelstichen, sondern eine Entwicklung mit erheblichem Schadenspotenzial für den Schweizer Wirtschaftsstandort. Bei der Einschätzung der Eintretenswahrscheinlichkeit dieser Szenarien besteht eine erhebliche Unsicherheit. Hinzu kommt, dass sich die EU nach dem Brexit institutionell verändern wird. Auch ist sachpolitisch mit Anpassungen zu rechnen – etwa im Sozialversicherungsrecht.

Bei den zu erwartenden Konflikten stellt sich die Frage nach der Verhandlungsposition der Schweiz. Weder die FlaM noch die Forderung nach der Aufnahme von Teilen der EUBR sowie der Anpassung der Verordnung zur Koordination der Sozialversicherungen 883/2004 an das revidierte EU-Recht werden bei einer Ablehnung des InstA durch die Schweiz vom Tisch sein. Die EU wird weiterhin auf ihren Forderungen bestehen. Es ist daher zu beurteilen, ob die Schweiz mit oder ohne InstA eine vergleichsweise bessere Verhandlungsposition hat. So ist gut denkbar, dass am Ende eines Schlichtungsverfahrens die Schweiz nicht zur vollständigen Übernahme der EUBR verpflichtet wird. Je wahrscheinlicher ein solches Resultat, desto mehr stärkt das InstA die Stellung der Schweiz bei Verhandlungen über die Nachführung des FZA. Zudem müssten Massnahmen der EU im Fall, dass sich die Schweiz trotz eines entsprechenden Schiedspruchs weigert, eine Weiterentwicklung zu übernehmen, verhältnismässig sein bzw. deren Verhältnismässigkeit wäre schiedsgerichtlich überprüfbar.

Grafik 4

Die Gremien von economiesuisse werden den Entwurf hinsichtlich seines Zielerreichungsgrads bei den drei Hauptzielen und den weiteren Kriterien im Januar 2019 beurteilen. Dabei ist die staats- und wirtschaftspolitische Gesamtsicht ausschlaggebend.