# 8 / 2017
16.11.2017

Bundesfinanzen: Jetzt Spielraum schaffen

Kommentar und Position economiesuisse

Neben den vom Bundesrat vorgeschlagenen Ausgabenkorrekturen von 1 Milliarde Franken prägt der unerwartete Geldsegen aus der Ablehnung der Altersvorsorge 2020 die Budgetdiskussion. Für die Verwendung der freigewordenen Mittel liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch. Gemäss Vorgaben der Schuldenbremse müssen die Überschüsse in den Schuldenabbau fliessen. Der Bundesrat möchte einen Teil des Geldes zur Aufstockung der Einlage in den Bahninfrastrukturfonds verwenden. Die Finanzkommission des Ständerats schliesst sich diesem Vorschlag mehrheitlich an. Die Finanzkommission des Nationalrats wiederum lehnt den Vorschlag ab und will den gesamten Überschuss in die AHV leiten.

economiesuisse orientiert sich an den ursprünglichen Budgetbeschlüssen des Bundesrats. Die frei gewordenen Mittel aus der Ablehnung der Altersvorsorgereform ändern grundsätzlich nichts an der Ausgangslage. Der Spielraum ist frei zu halten und, wie es das Gesetz vorsieht, dem Schuldenabbau zuzuführen.

Konkret empfiehlt economiesuisse, in der Budgetberatung wie folgt zu verfahren:

  • Das Budget 2018 ist grundsätzlich in der vom Bundesrat ursprünglich beschlossenen Form umzusetzen.

Die Kürzungen, die der Bundesrat vorschlägt, sind gut legitimiert und notwendig, um die Anforderungen der Schuldenbremse im aktuellen Planungszeitraum zu erfüllen. Selbst wenn sich das Bild mit der Ablehnung der Altersvorsorge 2020 verändert hat: der Bund braucht finanzielle Spielräume und muss diese jetzt schaffen, um verschiedene grössere Projekte, die in den nächsten Jahren geplant sind, umzusetzen. Zu den Projekten gehört an erster Stelle die Steuervorlage 17. Diese wird sich im Gegensatz zu den anderen Projekten selbst finanzieren – das Wachstum der Firmensteuereinnahmen beträgt bis 2021, also dem Jahr, in dem die Steuervorlage spätestens in Kraft treten muss, 2 Milliarden Franken. Ein Betrag, der mehr als doppelt so hoch ist, als das, was die Steuervorlage den Bund kurzfristig kosten wird. Weitere Projekte, beide mit Preisschildern in Milliardenhöhe, sind die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und die Reform der Ehepaarbesteuerung. Eine grosse Zahl kleinerer Vorhaben steht zudem im Raum. Werden die Ausgaben bereits heute auf einen Pfad gelenkt, der dank angepasstem Wachstum dazu führt, dass finanzielle Spielräume dereinst vorhanden sind, wird das die Umsetzung der Vorhaben massgeblich vereinfachen. Heute Prioritäten setzen hilft, die Prioritäten von morgen umzusetzen. Mit anderen Worten: das Budget, wie es der Bundesrat geplant hat, ist grundsätzlich ohne Abstriche zu beschliessen. Die getroffenen Korrekturen an den Ausgaben sind sodann auch in den Finanzplanjahren bis 2021 weiterzuführen.

  • Die aufgrund der Ablehnung der Reform der Altersvorsorge nicht benötigten Mittel sind frei zu halten und vollumfänglich für den Schuldenabbau zu verwenden. Dadurch kann nicht nur der Bundeshaushalt dauerhaft entlastet werden. Es wird auch ein Zeichen gegen das problematische Wachstum der gebundenen Ausgaben gesetzt.

Weil der Bundesrat für das Budget mit der Annahme der Altersvorsorge 2020 gerechnet hatte, fragt sich, was mit den durch die Ablehnung der Reform frei gewordenen Mitteln von 442 Millionen Franken geschieht. Der Bundesrat will einen Teil davon in den Bahninfrastrukturfonds leiten. Nach einer anderen Idee sollen die Gelder dennoch der AHV zukommen. economiesuisse lehnt beide Vorschläge ab. Nicht nur gilt es, wie oben dargestellt, das Ausgabenwachstum für die Schaffung künftiger Spielräume zu dämpfen. Die neue Ausgangslage trägt auch dazu bei, den Schuldenabbau fortzusetzen. Weniger Schulden helfen dem Bund, Zinskosten zu sparen. Dank des Schuldenabbaus konnte seit der Einführung der Schuldenbremse ein beträchtlicher finanzieller Spielraum von 850 Millionen Franken geschaffen werden. Dieses Geld steht dauerhaft zur Verfügung. Es hilft, neue Projekte zu verwirklichen, und gibt Flexibilität und Sicherheit. Der Schuldenabbau zahlt sich doppelt und dreifach aus.

Die Verwendung der Mittel für die AHV wäre das falsche Signal. Das geplante Beitragsregime der Altersvorsorgereform hätte den Bund erheblich belastet und namentlich zu neuen gebundenen Ausgaben im hohen dreistelligen Millionenbereich geführt. Die Mittel hätten an anderen Orten gefehlt; z.B. bei der Bildung und Forschung, der Landwirtschaft oder der Landesverteidigung. Die notwendige Neuauflage der Reform gibt nun die Möglichkeit, eine bessere Lösung zu finden. Der Einsatz der 442 Millionen Franken für die AHV würde diese Bestrebungen unterlaufen, weil signalisiert würde, dass die problematische Lösung trotz allem umgesetzt werden kann. Das Parlament hat dem Bundesrat den verbindlichen Auftrag gegeben, die gebundenen Ausgaben, die bereits fast zwei Drittel der Bundesausgaben umfassen, zu reduzieren und auf neue gebundene Ausgaben zu verzichten (Motion 17.3259). Die Konsequenz aus diesem Auftrag ist, dass die frei gewordenen Mittel auch frei gehalten werden und 2018 regelkonform in den Schuldenabbau fliessen.

  • Der verbleibende Spielraum von ungefähr 100 Millionen kann für gezielte Massnahmen mit volkswirtschaftlich optimaler Wirkung eingesetzt werden.
    Der BFI-Bereich steht hierbei im Vordergrund.

Normalweise scheint es angezeigt, einen gewissen Spielraum – einen „Puffer“ – zu erhalten: nur weil Geld da ist, muss man es nicht ausgeben. Unter der Voraussetzung, dass das Budget bzw. die Entlastungsmassnahmen umgesetzt und die zusätzlichen 442 Millionen Franken wie dargestellt frei gehalten werden, erscheint es aktuell vertretbar, den verbleibenden Überschuss einzusetzen und Aufstockungen vorzunehmen. Diese sollten jedoch gezielt sein.

Im Vordergrund steht für economiesuisse der Bereich Bildung, Forschung und Innovation (BFI), der einen wichtigen Grundpfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs darstellt. Als Land ohne natürliche Ressourcen hat es die Schweiz verstanden, einen führenden Bildungs- und Forschungsplatz aufzubauen. Die ETH liegt dabei an der Spitze und nimmt als Leuchtturm national und international eine wichtige Vorreiterrolle ein.

Die Qualität der Schweizer Bildung und Forschung ist herausragend und die Innovation ein Schlüssel für den Fortschritt. Um den wirtschaftlichen Erfolg und damit den Wohlstand weiterzuführen, sind die Ausbildung von Fachkräften, eine starke Forschung und den Transfer von Wissen zentral. Angesichts der Herausforderungen für den Forschungs- und Werkplatz Schweiz macht deshalb ein gezieltes und effizientes Aufstocken der Mittel für Bildung und Forschung volkswirtschaftlich Sinn. economiesuisse schlägt vor, das Wachstum bei den Bildungsausgaben zu glätten und dem Bereich für 2018 zusätzlich 86 Millionen aus dem verbleibenden Überschuss von ungefähr 100 Millionen zur Verfügung zu stellen. Die Mittel sind mehrheitlich für den ETH-Bereich zu verwenden, sodann für die kantonalen Universitäten, die Fachhochschulen und die KTI.

Expertengruppe Schuldenbremse: Überschüsse des Bundes für die AHV nur unter Bedingungen

Eine Expertengruppe hat sich im Zusammenhang mit der Prüfung von Anpassungen an der Schuldenbremse mit der Frage der Verwendung von Überschüssen (u.a. für die AHV) auseinandergesetzt. Weil es in den letzten Jahren immer wieder zu unvorhergesehenen Überschüssen gekommen ist, wird von verschiedenen Seiten gefordert, diese für andere Zwecke als den Schuldenabbau zu verwenden.

Für die Expertengruppe gibt es aktuell keinen Anlass, Änderungen vorzunehmen – weder an der Schuldenbremse selbst noch an der Art und Weise der Verwendung von Überschüssen. So hat das Eidgenössische Finanzdepartement in diesem Jahr neue Mechanismen eingeführt, die dazu führen sollen, dass es in Zukunft grundsätzlich zu weniger unerwarteten Überschüssen kommt. Dies, weil die Ausgaben flexibler budgetiert werden können und bei den Einnahmeschätzungen methodische Verbesserungen vorgenommen wurden, die Prognosefehler reduzieren. Falls es in den nächsten Jahren dennoch zu «nachhaltigen und beträchtlichen» Budgetunterschreitungen kommen sollte, stellt dies gemäss Expertengruppe ein Zeichen für eine zu hohe Steuerbelastung dar. Tiefere Steuern wären demnach einer Erhöhung der Ausgaben vorzuziehen.

Sollte die Verwendung von Überschüssen für Zwecke anders als den Schuldenabbau dennoch politisch gewünscht sein, dann würde dafür gemäss Expertengruppe einzig die AHV in Frage kommen. Gemäss den Experten ist diese Variante ausschliesslich unter der Voraussetzung, dass die AHV ebenfalls über eine Schuldenbremse verfügt, gerechtfertigt. Denn nur dann könnten Überschüsse dazu beitragen, eine aufgrund der Demografie drohende Verschuldung der AHV zu verhindern oder zu verringern. Ohne Schuldenbremse würde das strukturelle Problem der AHV durch zusätzliche Mittel nur verdeckt und das Verschuldungsproblem würde sich mangels Gegenmassnahmen noch verschlimmern. In diesem Fall, so die Expertengruppe, würde die Verwendung von Überschüssen für die AHV die Schuldenbremse faktisch aufweichen.