# 7 / 2017
09.11.2017

Digitalisierung: Keine unnötigen Experimente in der Steuerpolitik

Roboter besteuern

1. Sicherung der Staatsfinanzierung: Roboter werden bereits besteuert

Manche Beobachter befürchten einen Rückgang der Steuereinnahmen, falls Roboter einen zunehmenden Teil der Wirtschaftsleistung erbringen. Aus diesem Grund sei eine Art Einkommensteuer für Roboter notwendig. Doch Roboter, im Sinne technologisch fortschrittlicher und vielseitig einsetzbarer Maschinen, sind längst Alltag in der Industrie. Die entsprechende Wertschöpfung wird bereits heute besteuert. Die Wertschöpfung eines Unternehmens, welche nicht für Löhne verwendet wird, gilt als Kapitaleinkommen. Es handelt sich um eine Gegenleistung für die Bereitstellung von Kapital, welches den Einsatz von Maschinen und Robotern finanziert (siehe Grafik 1a.).

Das Kapitaleinkommen setzt sich aus den Zinsen und dem Gewinn zusammen. Zinsen werden in der Schweiz, genau wie Löhne, beim Empfänger mit der Einkommensteuer progressiv belastet. Der Gewinn wird zunächst mit der Gewinnsteuer und anschliessend beim Firmenbesitzer nochmals (teilweise reduziert) als Einkommen besteuert (siehe Grafik 1a.). Selbst bei einem ausschliesslich durch Roboter geführten Unternehmen ohne menschliche Arbeit würde somit bereits im heutigen Steuersystem die gesamte Wertschöpfung als Kapitaleinkommen besteuert (siehe Grafik 1b.).

Neben den direkten Steuern fällt mit der Mehrwertsteuer zudem auch die wichtigste indirekte Steuer auf der gesamten Wertschöpfung (inkl. derjenigen von Robotern) an. So lange also die Wirtschaftsleistung nicht schrumpft und die Wertschöpfung damit nicht zurückgeht, ist die Staatsfinanzierung mit dem heutigen Steuersystem gesichert. Eine Robotersteuer zu diesem Zweck ist folglich unnötig.

Grafik 1a

Kapitaleinkommen werden durch die Gewinn- aber auch die Einkommensteuer belastet.

Grafik 1b

Selbst bei einem ausschliesslich durch Roboter geführten Unternehmen ohne menschliche Arbeit wird bereits im heutigen Steuersystem die gesamte Wertschöpfung steuerlich erfasst.  

2. Finanzierung der Sozialwerke: Die Arbeit wird nicht ausgehen

Heute fallen Sozialabgaben in der Regel auf dem Lohn an. Falls menschliche Arbeit jedoch vermehrt durch Roboter erledigt wird, könnte die Basis für die Finanzierung der Sozialwerke wegfallen. Deshalb fordern gewisse Kreise eine Wertschöpfungsabgabe. Unter dem Begriff «Maschinensteuer» wurden solche Abgaben in Deutschland bereits in den 1970er Jahren diskutiert. Indem diese Form der Sozialabgaben nicht nur auf Löhnen, sondern auf der gesamten Wertschöpfung anfallen, soll die Finanzierung der Sozialwerke gesichert werden.

Aber trifft diese Prognose zu? Führt die Digitalisierung zu Erwerbslosigkeit? Ein erster Blick in die Daten zeigt, dass Länder mit hoher Roboterdichte wie etwa Deutschland, Japan und Korea tendenziell eher eine tiefe Erwerbslosigkeit aufweisen (siehe Grafik 2). Auch gemäss einer Umfrage der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz hat die Digitalisierung aktuell kaum Auswirkungen auf die Beschäftigung in Schweizer Unternehmen. (ETH KOF, Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft: Ergebnisse der Umfrage, KOF Studien, Nr. 93, Juni 2017.) Das erforderliche Qualifikationsnvieau der Arbeitsstellen steigt zwar, das deckt sich jedoch mit dem zunehmenden Bildungsniveau Schweizerischer Arbeitskräfte (siehe Grafik 4). Aktuell nehmen etwa technische, medizinische und soziale Berufe stark zu.

Fraglich ist, ob sich diese positive Entwicklung künftig fortschreiben lässt. Gemäss einer aktuellen Metastudie von Polynomics hängt dies davon ab, wie «digitalisierungstauglich» die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz bleiben. (Polynomics, Digitalisierung und Arbeitsmarktfolgen – Metastudie zum Stand der Literatur und zu den Entwicklungen in der Schweiz, im Auftrag der Fondation CH2048 unter Beteiligung des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes SAV.) Wichtig ist eine zukunftsfähige Ausgestaltung in den Bereichen Wettbewerbsrecht, Datenschutz, Bildungs- und Forschungspolitik, Arbeitsrecht, Sozialversicherungen und Sozialpartnerschaft. Ziel muss somit sein, die Schweiz wirtschaftlich weiterhin wettbewerbsfähig zu halten. Damit wird die technologische Entwicklung nicht Arbeitsstellen vernichten, sondern im Gegenteil eine ganze Reihe neuer Arbeitsformen und Jobs hervorbringen. Gelingt das, wird auch eine Wertschöfpungsabgabe zur Finanzierung der Sozialwerke unnötig sein.

Ein klar absehbares Problem für die Sozialwerke ist der demografische Wandel. Eine Abgabe auf der gesamten Wertschöpfung ist im Bereich der Sozialwerke keine neue Lösung, sondern in der Schweiz längst Tatsache. Bereits seit 1999 wird die AHV durch ein Mehrwertsteuer-«Demografieprozent» mitfinanziert. Trotz Ablehnung der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Rahmen der «Altersvorsorge 2020» dürfte künftig die Mehrwertsteuer verstärkt zur Finanzierung der AHV eingesetzt werden müssen.

Grafik 2

Länder, die mehr Roboter einsetzen, haben tendenziell eine geringere Erwerbslosigkeit.

Grafik 3

Dank guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Anteil des Arbeitseinkommens in der Schweiz seit Jahrzehnten konstant. Der Einkommensanteil des Kapitals nimmt nicht zu.

3. Umverteilung: Der Einkommensanteil des Faktors Arbeit ist in der Schweiz konstant

Mit der Digitalisierung wird vorausgesagt, dass die Einkommen der Kapitalbesitzer auf Kosten der Arbeitseinkommen zunehmen. Entsprechend soll das Kapital bzw. die Unternehmensgewinne aus der Digitalisierung stärker besteuert und die Einnahmen daraus an Arbeitskräfte umverteilt werden. Eine sinkender Anteil der Arbeitseinkommen lässt sich in vielen Industriestaaten bereits seit 1980 beobachten. Für die Schweiz zeigt sich in einer Studie der ETH KOF jedoch kein derartiger Trend (siehe Grafik 3). (Siegenthaler und Stucki, Dividing the pie: the determinants of labor’s share of income on the firm level. KOF Working Paper Nr. 352, Februar 2014.) So fliessen in der Schweiz seit 1980 konstant über 65 Prozent des gesamten Einkommens als Lohn an die Arbeitskräfte. Gemäss einer aktuellen Untersuchung hat die Lohnquote 2017 gar ein neues Rekordhoch erreicht. (Credit Suisse, Monitor Schweiz, September 2017, S.7.) Der traditionell liberale und flexible Arbeitsmarkt, das duale und durchlässige Bildungssystem und damit verbunden die rekordhohe Erwerbsbeteiligung (OECD, Labor force participation rate.) sind mit Blick auf eine gleichmässige Einkommensverteilung zentrale Erfolgsfaktoren der Schweiz.

Bereits in der Vergangenheit hat die technologische Entwicklung nicht nur Arbeitsstellen vernichtet, sondern auch immer eine ganze Reihe neuer, hochproduktiver Jobs hervorgebracht. Aktuell nehmen soziale, medizinische und technische Berufe stark zu. Der Einsatz von neuen Technologien erhöht dabei die Produktivität der Arbeitskräfte, was sich in steigenden Löhnen niederschlägt. Eine zusätzliche Steuer auf dem Kapital erscheint daher unnötig.

Eine Robotersteuer ist zudem eine äussert ineffiziente Form der Kapitalbesteuerung. Die Abgrenzungsprobleme sind kaum beherrschbar. Was macht einen Roboter zu einem Roboter? Ist es der Ersatz menschlicher Arbeit? Dann wären allerdings sämtliche Maschinen und Apparate betroffen, auch Geldautomaten, Taschenrechner und Geschirrspüler. Ist die Autonomie das entscheidende Kriterium? Dann wäre die schwer erfassbare künstliche Intelligenz von Computerprogrammen zu besteuern. Eine Robotersteuer ist damit in jedem Fall administrativ extrem aufwendig. Insbesondere im Vergleich zu den bestehenden Steuern auf dem Kapital (Kapital-, Vermögens- Erbschaftssteuern) sowie dem Kapitaleinkommen (Gewinnsteuern und progressive Einkommensteuern auf Zinsen und Dividenden).

Grafik 4

Mit dem technologischen Fortschritt steigen die Bildungsanforderungen. Dank einem erfolgreichen Bildungssystem nimmt aber auch das Bildungsniveau der Schweizer Arbeitskräfte stetig zu.

4. Technologischer Fortschritt bedeutet Wohlstand: Eine Verlangsamung wäre kontraproduktiv

Die Digitalisierung weckt Ängste vor einer Beschleunigung des technologischen Wandels. Befürchtet wird, dass die Menschen über zu wenig Zeit verfügen, um sich an die neue Situation im Zeitalter der Digitalisierung anzupassen. Deshalb fordert zum Beispiel Bill Gates, den Fortschritt durch eine Steuer auf dem Einsatz von Robotern gezielt zu verlangsamen. So soll den Menschen genügend Zeit verschafft werden, um etwa von Umschulungsangeboten Gebrauch zu machen.

Doch da der technologische Fortschritt den allgemeinen Wohlstand steigert, erscheint dies kontraproduktiv. Wenn Güter dank Robotern effizienter hergestellt werden, dann profitieren alle Konsumenten von tieferen Preisen und die Angestellten von höheren Löhnen. Eine Verlangsamung des Wandels würde den Wohlstand insgesamt verringern. Eine Robotersteuer würde auch zu einer Abwanderung innovativer, technologieintensiver Unternehmen in Länder ohne eine solche Steuer führen. Dadurch könnten in der Schweiz gar mehr Arbeitsstellen verloren gehen als durch den Einsatz von Robotern.

Sinnvoller ist es, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass alle vom technologischen Fortschritt profitieren können. Dazu gehört etwa ein leistungsfähiges Bildungssystem. Dies erlaubt es den Menschen dank gutem Bildungsrucksack aktiv am steigenden Wohlstand teilzuhaben. Die Schweiz ist mit dem bewährten dualen und durchlässigen Bildungssystem und vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten bestens aufgestellt.

Dazu gehört auch ein tragfähiges System der sozialen Sicherheit, das temporäre Einkommenseinbussen auffängt und die Menschen auf dem Weg zurück ins aktive Wirtschaftsleben unterstützt. Mit dem umfassenden und gezielt wirksamen Sicherungsnetz bestehend etwa aus der Arbeitslosen-, der Invaliden-, der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der beruflichen und privaten Vorsorge, den Ergänzungsleistungen, der Sozialhilfe sowie der Individuellen Prämienverbilligung hat die Schweiz gute Erfahrungen gemacht.

Eine Verlangsamung des technologischen Wandels erscheint deshalb klar nachteilig. Die Finanzierung des Bildungs- und Sozialsystems basiert nicht zuletzt auf einer erfolgreichen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Eine bewusste Behinderung des technologischen Fortschritts würde den Erfolg der Schweizer Wirtschaft akut gefährden.

Fazit

Eine spezifische Robotersteuer ist unnötig, denn Kapitaleinkommen werden bereits heute breit besteuert. Nicht zuletzt wäre die Robotersteuer eine administrativ äussert aufwendige und stark verzerrende Form der Kapitalbesteuerung.

economiesuisse setzt sich ein für wettbewerbsfähige wirtschaftliche Rahmenbedingungen ein, etwa in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung, Forschung und Infrastruktur. Diese Rahmenbedingungen stellen sicher, dass die technologische Entwicklung nicht Arbeitsstellen reduziert, sondern im Gegenteil eine ganze Reihe neuer Arbeitsformen und Jobs hervorbringt.

Robotersteuern sind innovationshemmend und damit sowohl wirtschafts- wie sozialpolitisch kontraproduktiv. Unternehmen würden weniger in neue Technologien investieren und somit international den Anschluss verpassen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft wäre gefährdet. Damit droht der Abbau von Arbeitsplätzen sowie der Verlust der Grundlage für die Finanzierung eines leistungsfähigen Bildungs- und Sozialsystems.