# 6 / 2017
17.08.2017

Altersvorsorge 2020 bringt grosse finanzielle Zusatzbelastung für den Bund

Zahlreiche weitere Gründe sprechen für ein Nein

Eine Reform, die keine ist

Zusätzlich zu den negativen Auswirkungen der Reform auf den Bundeshaushalt enthält die vorliegende Vorlage auch zahlreiche weitere Pferdefüsse, die dazu führen, dass eine breite Allianz ein Nein empfiehlt. 

Eine Reform zeichnet sich dadurch aus, dass sie ein bestehendes System für die Herausforderungen der Zukunft fit macht. Bei der Reform der Altersvorsorge 2020 ist dies, gemessen an den Zielen des Bundesrats, just nicht der Fall. Die finanzielle Stabilisierung der AHV reicht nicht einmal bis 2030. Bereits 2027 wird die AHV erneut ein Defizit von einer Milliarde Franken aufweisen. Ohne einschneidende Gegenmassnahmen vergrössert sich dieses Defizit in der Folge Jahr für Jahr. Der Ausbau der AHV um 70 Franken pro Monat wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger, der die strukturellen Probleme zusätzlich verschärft. Auch die vorgesehene Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte reicht nicht aus, um den AHV-Ausbau nachhaltig zu finanzieren. 

Gemäss den Projektionen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) wird die AHV trotz der Mehrwertsteuererhöhung (0,6 Prozentpunkte), dem zusätzlichen Lohnabzug (0,3 Lohnprozent) und der Angleichung des Frauenrentenalters (65 Jahre) schon 2027 erneut rote Zahlen in Milliardenhöhe schreiben. Die Reform bringt trotz dieser massiven Zusatzfinanzierung keine Lösung für die AHV, wird für die Bevölkerung und die Wirtschaft aber hohe und unnötige Zusatzkosten nach sich ziehen. Wegen der demografischen Entwicklung belastet der Rentenausbau die AHV-Rechnung vor allem nach 2030 stark, weil dann die geburtenstärksten Jahrgänge in Pension gehen – Babyboomer werden zu «Rentnerboomer». Mit dieser Hypothek würde das Umlagedefizit bereits 2035 wieder sieben Milliarden Franken betragen – pro Jahr. 

Ungerechte Reform für Jung und Alt

Die Schweizer Altersvorsorge basiert auf einem gut austarierten und breit abgestützten Generationenvertrag. Dieser wird mit der vorliegenden ungerechten AHV-Reform klar gebrochen. Von der ungerechten Reform profitieren nur wenige – im Gegenzug verlieren viele:

  • Zwei-Klassen-AHV: Da der AHV-Zustupf nur für Neurentner vorgesehen ist, haben gegenwärtige Rentner das Nachsehen. Anders als die erwerbstätige Übergangsgeneration können sie kein weiteres Alterskapital in der zweiten Säule ansparen. Zwar haben sie für ihre Pensionskassenrenten einen höheren Mindestumwandlungssatz, dies aber auf einem weit tieferen Alterskapital. Denn die obligatorische berufliche Vorsorge wurde erst 1985 eingeführt. Viele ältere Personen leben daher mit einer kleinen Rente aus der Pensionskasse, erhalten aber keine 70 Franken an ihre AHV-Rente. Umgekehrt müssen sie diesen Ausbau durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer aber mitfinanzieren. 
  • Rentenerhöhung mit der Giesskanne: Besonders hart trifft die Reform Arbeitnehmende mit tieferen Einkommen. Sie leiden besonders unter höheren Pensionskassen- und AHV-Lohnbeiträgen, die zu Lohnkürzungen führen. Darüber hinaus belastet die höhere Mehrwertsteuer ihr Haushaltseinkommen zusätzlich. Zwar werden auch sie den AHV-Zuschlag erhalten, jedoch finanzieren sie vorher mit den höheren Lohnbeiträgen jahrelang den AHV-Ausbau mit der Giesskanne mit. Davon profitieren auch viele, die von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes gar nicht betroffen sind. Genau dies hat das Volk im Herbst 2016 mit dem klaren Nein zur AHVplus-Initiative abgelehnt. Hinzu kommt, dass ausgerechnet die ärmsten Neurentner, die Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL), leer ausgehen. Sie erhalten zwar die 70 Franken, aber im Gegenzug werden ihnen die Ergänzungsleistungen um denselben Betrag gekürzt. Da die Ergänzungsleistungen im Gegensatz zur AHV steuerbefreit sind, haben sie am Schluss weniger Geld im Portemonnaie. 
  • Ungedeckter Check: Am härtesten trifft die AHV-Reform die Jungen. Sie schultern die höhere Mehrwertsteuer, haben wegen der steigenden Lohnabzüge Ende Monat weniger Lohn auf dem Konto, werden von zukünftigen Reformmassnahmen infolge der demografischen Entwicklung betroffen sein und müssen zusätzlich noch für den ungedeckten Check des AHV-Ausbaus geradestehen. Ob sie dereinst in den Genuss der 70 Franken kommen, ist mehr als zweifelhaft. Die Reform führt damit zu einem klaren Bruch des Generationenvertrags.