Heinz Karrer avec des lecteurs du Blick

«Unternehmer müssten zu Hunderten oder Tausenden hinstehen»

Ist das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft der Grund für das Nein zur Unternehmenssteuerreform III? Der «Blick» lud sieben Leser ein, mit economiesuisse-Präsident Heinz Karrer über das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren. Fazit: Die Wirtschaft muss Vorbilder haben, die hinstehen und glaubwürdig kommunizieren.

Das Stimmvolk hat die Unternehmenssteuerreform III am 12. Februar 2017 mit 59,1 Prozent abgelehnt. Seither stehen Politik und Wirtschaft in der Kritik: Sie hätten, so die Medien, das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Gegen diesen Vertrauensverlust habe die Kampagne nichts ausrichten können. 

Was meint economiesuisse-Präsident Heinz Karrer dazu? Am Freitagmorgen stellte er sich den kritischen Fragen von sieben «Blick»-Lesern. Sie sind zwischen 36 und 69 Jahre alt – Jungunternehmer, Pensionäre oder auch (nach eigenen Angaben) «Vertreter der Unterschicht». 

Ein Angestellter im Risiko- und Versicherungs-Management (49) eröffnet die Diskussion: «Wirtschaft und Politik verlieren an Glaubwürdigkeit. Und dies ist personenbezogen.» Es gehe um Politiker, die Steueroptimierung verurteilen, es aber selbst tun. Oder alt Bundesräte, die über ihre Spesenrechnungen stolperten und trotzdem mit Verwaltungsratsmandaten überhäuft würden. Warum man dazu als Wirtschaftsverband nicht einfach Stopp sage?

«Wir hätten Szenarien aufzeigen sollen»

Einerseits glaubt Heinz Karrer, dass die direkte Demokratie überbordende Tendenzen korrigiere. Andererseits müsse die Wirtschaft stärker in den Dialog treten mit der Bevölkerung. Transparent kommunizieren, was ein Unternehmen braucht und was die Nachteile sein könnten. «Wir brauchen mehr Vorbilder, die sich exponieren. Heute, da jedes Negativbeispiel gleich in die Öffentlichkeit gelangt, müssten es Hunderte oder Tausende von Vorbildern sein.»

Fotos: kellenbergerkaminski.ch
Fotos: kellenbergerkaminski.ch

«War economiesuisse transparent mit der Medienkonferenz zur BAK-Basel-Studie? Diese zeichnete ein totales Katastrophenszenario, falls die Vorlage abgelehnt würde», führt ein Betriebsökonom (41) die Diskussion mitten ins Epizentrum. «Die Expertise der Wirtschaft ist wichtig, aber ich erwarte, dass Sie die Leute anständig informieren.»

Karrer rollt die Fragestellung der Studie auf und erklärt, dass deren Resultat richtig sei. «Wir haben uns gefragt, wie viel Wertschöpfung im schlimmsten Fall betroffen wäre.» Aber ja, im Nachhinein finde er, dass man unterschiedliche Szenarien hätte darstellen sollen. «Dann hätten wir differenzierter argumentieren können. Das ist eines unserer Learnings.» 

Warum glaubte der Mittelstand, dass er zurückstecken müsste?

Christian Dorer, Chefredaktor der «Blick»-Gruppe, wirft ein: «Nun, beide Seiten haben polemisiert. Warum hatte Herr Levrat mehr Erfolg mit seinen einfachen Sätzen?» Karrer konstatiert, dass es nicht gelungen sei aufzuzeigen, dass der Mittelstand langfristig von der Steuerreform profitieren würde. So wie es in den letzten 25 Jahren der Fall war durch die Unternehmenssteuersenkungen. In der öffentlichen Wahrnehmung sei die Vorlage nicht richtig ausbalanciert gewesen. 

Doch genau darum sei der Dialog so wichtig. «Bei komplexen Vorlagen, wo ich unsicher bin, muss auch ich einzelnen Personen vertrauen können.» Deshalb sei er überzeugt, dass es eine grosse Hebelwirkung hätte, wenn sich jede Unternehmerin und jeder Unternehmer in der Schweiz nur schon einen Tag im Jahr Zeit nähme für den Dialog mit der Bevölkerung.