Tag der Wirtschaft

Schweiz vor den Wahlen – wirtschaftspolitisch fit

Die diesjährige Jahresversammlung von economiesuisse befasste sich mit den bevorstehenden Parlamentswahlen und den Herausforderungen der nächsten Legislatur. «Von der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative hängen sowohl die Beschäftigung als auch Investitionsentscheide in der Schweiz ab», sagte economiesuisse-Präsident Heinz Karrer in seiner Ansprache. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga betonte, dass aussenpolitische Isolation und wirtschaftliche Partizipation am EU-Markt nicht zusammengehen. Gastreferent Aymo Brunetti zog Parallelen zwischen der heutigen wirtschaftspolitischen Situation und jener im Vorfeld der 1990er-Jahre, als trotz klarer Warnsignale wichtige Reformen verpasst wurden.

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Die Schockwellen der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die SNB und die Einführung von Negativzinsen stecken der Exportwirtschaft bis heute in den Knochen. Sie dürften sich in den kommenden Monaten gar verstärken. Mit Blick auf den Aussenhandel und andere Indikatoren stehen der Schweiz zweifelsohne noch schmerzhafte Anpassungen bevor. «Da überrascht es schon, wenn der Berner Politikbetrieb dies zwar zur Kenntnis nimmt, aber unbeirrt seinen gewohnten Gang zu gehen scheint, anstatt die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft nicht weiter zu verschlechtern», sagte economiesuisse-Präsident Heinz Karrer.

 

Verhältnis zu Europa klären

Die Schweiz sei bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative gegenüber der EU in einer schwierigen Verhandlungsposition, betonte Karrer. Denn wegen der Guillotine-Klausel innerhalb der Bilateralen Verträge I sei nicht nur die Personenfreizügigkeit, sondern die gesamte Marktintegration in Gefahr. Die Wirtschaft habe mit dem Schutzklauselmechanismus jedoch ein Umsetzungskonzept präsentiert, das volkswirtschaftliche Risiken beschränke und die Chancen auf einen Verhandlungserfolg mit der EU möglichst intakt halte. Der Erhalt der Bilateralen Verträge hänge aber nicht nur von der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative ab. Die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen werden beispielsweise von der EU zur Lösung im Bereich der Personenfreizügigkeit und als Bedingung für den erweiterten Zugang zum EU-Binnenmarkt vorausgesetzt. Neben diesen aussenpolitischen Variablen, die die Wirtschaft mitprägen kann, ist sie sich auch des eigenen Beitrags zur besseren Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials bewusst. Die im Januar von economiesuisse und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband lancierte Initiative «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz», die die Erwerbsquote unter älteren Personen, Frauen, Jugendlichen und Menschen mit Behinderungen verbessern will, wird darum mit vollem Engagement weitergeführt.  

 

Gefahr der wirtschaftspolitischen Selbstzufriedenheit

Einen Rück- und Ausblick nahm Gastreferent Aymo Brunetti, Professor am Departement Volkswirtschaftslehre der Universität Bern, vor. Die Schweizer Wirtschaft stehe heute sehr gut da. Das berge die Gefahr wirtschaftspolitischer Selbstzufriedenheit, wie sie auch im Vorfeld der 1990er-Jahre geherrscht habe. Trotz klarer Warnsignale habe man es damals verpasst, rasch wichtige Reformen aufzugleisen. Als man es schliesslich tat, waren die Kosten des wirtschaftlichen Einbruchs unnötig hoch. Heute seien bei vergleichbaren Themen wie damals wieder Warnsignale erkennbar: Die Bilateralen Verträge mit der EU sind in Gefahr, die Finanzierungslücke in den Sozialversicherungen und damit eine drohende Schuldendynamik sind absehbar und auch der Franken ist klar überbewertet. «Die Politik sollte solche Warnsignale ernst nehmen und nicht warten, bis sich die Situation wieder stark verschlechtert», mahnte Brunetti. Besonders die Sicherung des bilateralen Wegs und die Anpassung des Rentenalters an die demografische Entwicklung sollten in der kommenden Legislatur mit hoher Priorität angegangen werden. 

 

Wirtschaftliche Partizipation oder aussenpolitische Isolation

Über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU sprach Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in ihrem Grusswort der Landesregierung. Seit der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative im Februar 2014 sei eine grosse Verunsicherung spürbar. «Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU steht auf dem Prüfstand. Dieses Verhältnis zu klären, ist die vielleicht wichtigste politische Aufgabe der nächsten Jahre»; sagte Sommaruga. Denn die Schweiz habe zahlreiche offene Dossiers mit der EU. Eines müsse klar sein: «Aussenpolitische Isolation und wirtschaftliche Partizipation am EU-Markt – das geht nicht zusammen. Entweder wir schotten uns ab, oder wir sind Teil des europäischen Wirtschaftsraums. Wer behauptet, beides sei gleichzeitig möglich, der führt die Bevölkerung hinters Licht.»

 

Mit Blick auf weitere grosse politische Themen wie die Energiestrategie 2050, den automatischen Informationsausgleich in Steuersachen oder den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds hielt die Bundespräsidentin fest: «Ich zähle auf den Beitrag der Wirtschaft, wenn es darum geht, zukunftsweisende Reformprojekte zu beschliessen.» Denn: «In der direkten Demokratie ist von allen Akteuren die Bereitschaft nötig, im richtigen Moment Hand zu bieten zu einem Kompromiss.»

 

Die Erwartungen an die nächste Legislatur wurden auch während eines Panels mit Thomas Aeschi, Nationalrat SVP, Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin SP, Andrea Caroni, Nationalrat FDP, Christoph Franz, Präsident des Verwaltungsrats Roche Holding AG, Eva Jaisli, CEO PB Swiss Tools AG, und Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin CVP, angeregt diskutiert.

 

Die Bilder des Anlasses werden live unter http://ww.economiesuisse.ch/gallery veröffentlicht.