Jacken und Taschen hängen an der Garderobe in einer Schule

Kinder- und Jugendpolitik nicht verreglementieren

Die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-NR) will den Bund via Verfassungsänderung zu einer aktiven Kinder- und Jugendpolitik verpflichten. Das Ziel, dem Schutz und der Förderung von Kindern und Jugendlichen Sorge zu tragen, ist zwar unterstützenswert, benötigt aber nicht noch einen weiteren Verfassungsartikel. Es bestehen bereits ausreichende gesetzliche Grundlagen. Die Aufgabe kann auf der Ebene von Gemeinden und Kantonen weit besser erfüllt werden als über gesamtstaatliche Regulierungen und Subventionen.

Die WBK schlägt dem Nationalrat eine Verfassungsergänzung vor, damit sich der Bund in der Kinder- und Jugendpolitik noch stärker engagieren kann. Wie die Kommission festhält, sind dabei «alle Bereiche wichtig, welche die Kinder- und Jugendpolitik wesentlich ausmachen: der Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Mitwirkung in Politik und Gesellschaft».

Einige Passagen im Bericht zur Vernehmlassung sind äusserst irritierend. So hält dieser fest, dass die Übergänge von Schule, Ausbildung und Einstieg in ein selbstständiges Leben weniger normiert und voraussehbar geworden seien. «Die Jugendlichen haben mehr Möglichkeiten und Chancen, die Orientierung an der Elterngeneration ist nicht mehr eine verlässliche Orientierungshilfe.»

Vorstoss will neue nationale Regulierungsstellen
Im Bericht wurde weiter kritisiert, dass heute allein die Kantone rechtliche Vorgaben für den Kinder- und Jugendmedienschutz machen können und dem Bund die Hände gebunden seien. «Es existiert heute auch keine Verfassungsgrundlage für die Schaffung einer nationalen Regulierungsstelle für den Jugendmedienschutz oder eines nationalen Kompetenzzentrums für elektronische Medien.» Aus liberaler Sicht läuten hier die Alarmglocken.

Dabei ist es nicht so, dass keine gesetzlichen Grundlagen bestünden. Sowohl Schutz als auch Förderung werden bereits ausreichend geregelt. Artikel 11 der Bundesverfassung garantiert Kindern und Jugendlichen einen Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung sowie auf die Ausübung ihrer Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit. Artikel 67 gibt dem Bund die Kompetenz, in der ausserschulischen Kinder- und Jugendpolitik tätig zu werden. Das Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (KJFG) regelt die Zusammenarbeit und Kompetenzentwicklung zwischen den verschiedenen Akteuren. Zudem verstärkt das nationale Programm «Jugend und Medien» die Präventionsanstrengungen im Medienbereich. Und auch zur Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft haben sich bereits verschiedene private und öffentliche Initiativen herausgebildet.

Keine Wissensanmassung durch den Bund
In vielen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen hat es sich in der Schweiz bewährt, nur so viele Kompetenzen wie nötig an eine höhere politische Ebene zu delegieren (Subsidiaritätsprinzip). Kantone und Gemeinden befinden sich auch bezüglich Schutz und Förderung der Kinder und Jugendlichen näher am Geschehen und wissen somit besser als der Bund, wo und wie einem allfälligen Missstand beizukommen ist.

Ein neuer Verfassungsartikel birgt die reale Gefahr einer Überregulierung und Kosten für Projekte, die an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbeizielen oder volkswirtschaftlich unsinnig sind. Die bestehende Aufgabenteilung in der Kinder- und Jugendpolitik funktioniert gut – es ist deshalb unnötig, dem Bund weitere Kompetenzen zu übertragen.