Unternehmenssteuerreform II: Fakten statt Spekulationen

Die aktuelle Diskussion um die Folgen der letzten Unternehmenssteuerreform ist geprägt von Spekulationen über mögliche Einnahmenausfälle des Bundes. Die damit einhergehende und mit Schlagworten wie „Steuergeschenke“ begleitete Kritik hält einer genaueren Prüfung nicht stand.

Die in diesen Tagen von linker Seite erhobenen Vorwürfe an den Bundesrat sind erheblich. So ist von „gezinkten Karten“ bei der Unternehmenssteuerreform II und von „Steuergeschenken“ die Rede. Ein Teil der Medien hat die Kritik ungeprüft übernommen und mit Worten wie „Pfusch“ oder „Betrug“ verschärft. Gerade die lautesten Kritiker scheinen sich aber am wenigsten mit der Materie befasst zu haben.  

Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II wurde das Kapitaleinlageprinzip eingeführt: Kapital, das von Aktionären über das nominelle Aktienkapital hinaus einbezahlt wurde (sogenanntes Agio), soll steuerneutral auch wieder zurückbezahlt werden können. Das macht Sinn und gilt in den meisten anderen Ländern schon länger. Das alte System führte zu einer ungerechtfertigten Doppelbesteuerung. Die Behauptung, das Kapitaleinlageprinzip erlaube es den Unternehmen, Gewinne steuerfrei an die Aktionäre zu verteilen, ist schlicht falsch und zeugt von einer erstaunlichen Nichtbefassung mit den Fakten. Gewinnanteile (Dividenden) bleiben weiterhin steuerbar, auch wenn in bestimmten Unternehmen ein Teil des Gewinns vorübergehend zugunsten der Kapitalrückzahlung zurückbehalten wird.

Die Aufgabe der Besteuerung bei der Rückzahlung von Agio wurde auf Kapital begrenzt, das von Aktionären nach dem 31. Dezember 1996 einbezahlt wurde. Systematisch richtig wäre eine Steuerneutralität der Rückzahlung von sämtlichem alten und neuen Agio. Die zeitliche Beschränkung ist das Ergebnis eines politischen Kompromisses.



Der von der Steuerverwaltung geschätzten Verringerung des Einnahmenüberschusses von 1,2 Milliarden Franken aus Verrechnungssteuern im Jahr 2011 wird ein Rückgang der Rückerstattungen im Jahr 2012 gegenüberstehen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die in den letzten Tagen unter dem Titel „Steuerausfälle“ ins Feld geführten Beträge als weit übertrieben. Zudem sind sie auch spekulativ: Verrechnungssteuereinnahmen sind generell mit hohen Unsicherheiten verbunden. Voraussagen in diesem Bereich sind nur schwer möglich und treffen auch praktisch nie zu. Vielmehr sind Abweichungen in Milliardenhöhe die Regel (siehe Grafik). So war der gegenüber dem Budget resultierende Einnahmenüberschuss von 1,7 Milliarden Franken aus der Verrechnungssteuer denn auch einer der Gründe für den überraschend guten Rechnungsabschluss 2010.