# 05 / 2018
26.04.2018

NFA-Aufgabenteilung: Entwicklung eines Jahrhundertprojekts

TEIL 2: Übergang und Weiterentwicklung NFA

Umsetzung der NFA und erste Erfahrungen

Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen wurde am 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt. Der Übergang stellte finanzielle, aber auch organisatorische Fragen. Vor allem der Aspekt der Haushaltsneutralität führte zu Diskussionen: Die finanziellen Belastungen und Entlastungen, die durch den Systemwechsel entstanden, sollten für den Bund und die Kantone insgesamt ausgeglichen sein. Finanzielle Verschiebungen entstanden unter anderen aufgrund der Aufgabenentflechtung. Sie führten für die Kantone zu einer Mehrbelastung von 882 Millionen Franken. Die Mehrbelastung wurde vom Bund durch zweckfreie Beträge im Ressourcen- und Lastenausgleich abgegolten. Der erst im Rahmen der 1. NFA-Botschaft entwickelte Härteausgleich sollte zudem sicherstellen, dass kein ressourcenschwacher Kanton durch den Systemwechsel weniger erhalten würde als vorher. Die Haushaltsneutralität war ein zentraler Aspekt des NFA-Projekts und wurde früh nach dem Inkrafttreten der NFA überprüft: Ein Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) stellte im Mai 2009 fest, dass die Kantone im Jahr der Einführung der NFA (2008) um 100 Millionen Franken belastet worden waren. Bei der Neudotierung der Ausgleichsgefässe im Jahr 2011 (Festlegung der Grundbeiträge des Ressourcen- und Lastenausgleichs für die Vierjahresperiode 2012 bis 2015) wurde der NFA-Bundesbeitrag entsprechend erhöht.

Dass der Übergang nicht problemlos verlaufen würde, war erwartet worden. Die zuständige Projektgruppe 13 hatte vor übertriebenen Erwartungen gewarnt. Effizienzgewinne im personellen Bereich würden sich in der kurzen und mittleren Frist kaum einstellen. Dagegen wurde ein erhöhter Aufwand in der Einführungsphase in Aussicht gestellt. Die Entscheidstrukturen müssten von Beginn weg konsequent vereinfacht werden. Bei den Verbundaufgaben hätte sich der Bund wirklich auf die strategischen Aspekte zu beschränken und den Kantonen die notwendigen Spielräume bei der Umsetzung zu belassen. Die Kantone ihrerseits seien gefordert, die Spielräume für einen effizienteren Mitteleinsatz zu nutzen (Schlussbericht 2004, S. 37). Die konsequente Anwendung der neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen hätte jedoch «zweifellos» einen «merklichen» Abbau des administrativen Aufwands bei Bund und Kantonen zur Folge.

Aufschluss über die Umsetzung und Anfangsphase der NFA geben die ersten beiden Wirksamkeitsberichte NFA des Bundesrats. Gemäss Vorgaben im Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) untersucht der Bund alle vier Jahre sowohl den Finanzausgleich im engeren Sinn wie die interkantonale Zusammenarbeit und beschliesst darauf gestützt die Neudotierung der Ausgleichsgefässe. Die ersten beiden Wirksamkeitsberichte stellen zusätzlich den Übergang vom alten zum neuen Finanzausgleich dar. In diesem Zusammenhang enthalten sie auch eine Beurteilung der neuen Aufgabenteilung sowie eine Zwischenbilanz der neuen Arbeitsweise von Bund und Kantonen bei den Verbundaufgaben. 

Eine erste Beurteilung der Aufgabenteilung im ersten Wirksamkeitsbericht NFA über die Jahre 2008 bis 2011 beruht auf einer Umfrage der KdK vom Herbst 2009 bei den Kantonen. Die Ergebnisse waren zunächst im Föderalismus-Monitoringbericht 2009 veröffentlicht worden. Das von den Kantonen 2005 initiierte Föderalismus-Monitoring analysiert jährlich die Entwicklungen rund um den Föderalismus.

Die Umfrage der KdK von 2009 zeigt, dass der Aufwand für die Umsetzung der Aufgabenentflechtung von den Kantonen unterschätzt worden war. Die Erfahrungen, nach Überwindung der Anlaufschwierigkeiten, waren jedoch grossmehrheitlich positiv (Föderalismus-Monitoringbericht 2009, S. 20). Als besonders aufwendig hatte sich in der Meinung vieler Kantone die Entflechtung im Nationalstrassenbereich erwiesen. Seitens der Kantone wurden aufwendige Eigentumsübertragungen und nach wie vor vorhandene Schnittstellenprobleme geltend gemacht. Der Bund seinerseits bezifferte bereits für das Jahr der Umsetzung 2008 Effizienz- und Effektivitätsgewinne in der Höhe von 120 bis 205 Millionen Franken. Die Gewinne wurden auf tiefere Preise beim betrieblichen Unterhalt und auf Optimierungen auf der Projektebene (Verzicht auf «nice-to-have»-Elemente bei Investitionen) zurückgeführt. Der jährliche Effizienzgewinn bei den Nationalstrassen bestätigt sich auch im zweiten Wirksamkeitsbericht NFA (2012 bis 2015).

In vielen entflochtenen Aufgabenbereichen erschwerten jedoch Übergangsfristen eine Beurteilung. So waren in den Bereichen Sonderschulen und Behinderteninstitutionen zum Zeitpunkt der ersten Umfrage die neuen kantonalen Ordnungen noch nicht überall umgesetzt. Auch für die Evaluation der Aufgabenteilung im zweiten Wirksamkeitsbericht NFA war der langwierige Reformprozess noch nicht abgeschlossen. Entsprechend konnte noch keine quantitative Beurteilung vorgenommen werden. Wie bei den Nationalstrassen wurde die Umstellung grundsätzlich als komplex und aufwendig bezeichnet. Einsparungen im administrativen Bereich konnten noch keine festgestellt werden. Gleichzeitig überwog das positive Bild: Die Entflechtung im Bereich der Sonderschulen wurde mehrheitlich als «gut und sinnvoll» beschrieben, jene bei den Behinderteninstitutionen als «positiv». Das lag insbesondere daran, dass das Angebot besser auf den Bedarf ausgerichtet und die Leistungserbringung somit effizienter ausgestaltet werden konnte (2. Wirksamkeitsbericht NFA, S. 130 ff.).

Zu den ersten Erfahrungen bei der Neuregelung der Verbundaufgaben führte die Eidg. Finanzkontrolle (EFK) im Jahr 2009 auf Bundesebene eine Prüfung durch. Die Prüfung zeigte, dass 2008 der überwiegende Teil der Bundesmittel nach wie vor in Form von Einzelobjektfinanzierungen ausgerichtet wurde. Allerdings befand sich zu diesem Zeitpunkt die Einführung der Programmvereinbarungen noch in der Anfangsphase. Zudem bestanden teilweise altrechtliche Verpflichtungen, die parallel zu den neuen Programmen ausgeführt wurden.

Die EFK-Erhebung in fünf Bundesämtern zeigte in der Tendenz eine stärkere Rolle des Bundes. Das, weil der Bund durch die Programmvereinbarungen mehr Steuerungsmöglichkeiten hatte und nicht mehr nur Kostenbeiträge bewilligen konnte. Mit der NFA seien falsche Anreize, die Subventionsbezüger zu unnötigen Projekten verleiteten, weggefallen. Wo die Programmvereinbarungen angewendet worden seien, hätten sich die administrativen Abläufe vereinfacht. Indirekte Einsparungen in Form von mehr Kapazitäten des Bundes bei der Behandlung von Gesuchen und eine wirksamere Mittelsteuerung seien die Folgen, nicht aber direkte Ersparnisse zum Beispiel in Form von Personalabbau. Trotz der teilweise flächendeckenden Anwendung von Programmvereinbarungen bezeichnete die EFK die Erwartungen als nur «teilweise erfüllt». Der Kulturwandel vom alten «Denken in Objektbeiträgen» zum neuen «Denken mit Zielen und Indikatoren» hätte erst begonnen.

Es zeigte sich, dass es nach wie vor Gründe gegen die Anwendung von Programmvereinbarungen (und für weiterhin klassische Einzelsubventionen) gab:

  • Komplexe Projekte: Projekte mit mehreren Subventionsbereichen, mehreren oder vielen Akteuren (mehrere Kantone, Gemeinden, Private) und/oder einer Abwicklungsdauer von mehreren Jahren. Sie verlangten gemäss Beobachtungen der EFK massgeschneiderte Lösungen. Da diese Projekte einen grossen Teil der Bundesbeiträge beanspruchten, war im Urteil der EFK auch in Zukunft mit klassischen Subventionen für weite Bereiche zu rechnen. 
  • Zu geringe Freiräume: Während der Bund die Strategie festlegt, sollen die Kantone operativen Spielraum für die Umsetzung erhalten. Diese Freiräume waren gemäss EFK nicht überall gross genug. Teilweise sei Altbewährtes lediglich neu verpackt worden. Auch erleichterten die Umschreibung messbarer Ziele und möglichst genauer Indikatoren zwar die Beurteilung der kantonalen Vertragserfüllung durch den Bund. Sie engten jedoch auch die kantonalen Umsetzungsfreiräume ein. Die Ausgestaltung der Verträge im Spannungsfeld zwischen Offenheit und Konkretisierung stellte eine Gratwanderung und eine Herausforderung für die künftige Entwicklung der Programmvereinbarungen dar.
  • Einseitige Verteilung der Bundesbeiträge: Die EFK-Prüfung zeigte, dass die Bundesbeiträge für Verbundaufgaben im Jahr 2008 hauptsächlich an die Gebirgskantone ausgerichtet wurden. Beiträge an Agglomerationen fielen insgesamt weniger ins Gewicht. Zwar stellte die EFK sachliche Gründe und Gesetzesgrundlagen für diese einseitige Verteilung fest. Trotzdem stellte sich die Frage, ob bei der Definition der Verbundaufgaben eine besondere Berücksichtigung der Probleme und Anliegen der Gebirgskantone stattgefunden hatte.

Als effizient hatten sich gemäss EFK Programmvereinbarungen dort erwiesen, wo Aufgaben in vielen Kantonen in grosser Zahl nach einheitlichen Leistungsstandards ausgeübt wurden (sog. courant normal). In der Anwendung der Programmvereinbarungen bei solchen standardisierbaren Leistungen wurde ebenfalls Entwicklungspotenzial geortet. Zusammenfassend bewertete der Bundesrat die ersten Erfahrungen mit dem neuen Instrument als «zufriedenstellend». Die bestehenden Mängel sollten im Hinblick auf die zweite Vierjahresperiode (2012 bis 2015) beseitigt werden.

In einer Umfrage der EFV von 2013 betreffend die zweite Wirksamkeitsperiode (2012 bis 2015) zur Zusammenarbeit in den Verbundaufgaben bzw. den Programmvereinbarungen fielen die Rückmeldungen von den kantonalen Stellen, Bundesämtern und Kantonsregierungen insgesamt positiv aus.

Die Bestandsaufnahme von 2013 zeigte, dass in den dafür geeigneten Verbundaufgaben zu einem Grossteil mit Programmvereinbarungen gearbeitet wurde. Einzelverfügungen gab es noch bei grossen Einzelprojekten wie zum Beispiel beim Hochwasserschutz oder bei den Schutzbauten Wald.
Festgestellt wurde, dass Bundesbeiträge im Rahmen von Programmvereinbarungen vor allem dort nicht pauschal oder global ausgerichtet wurden, wo dies aufgrund der Komplexität und Unvorhersehbarkeit nicht sinnvoll war. Statt Wirkungsziele wurden insbesondere in diesen Fällen nach wie vor Leistungsziele festgelegt.

Auch nach zahlreichen Verbesserungen bei der Anwendung der Programmvereinbarungen zwischen den ersten beiden Vierjahresperioden orteten die Kantone einen Anpassungsbedarf . In erster Linie forderten sie, dass sich der Bund noch stärker auf die Festlegung der strategischen Ziele beschränke. Zudem war die Regelungsdichte nach wie vor zu hoch und sollte abgebaut werden . Insbesondere im Natur- und Landschaftsschutz sollten der Handlungsspielraum der Kantone weiter ausgedehnt und der administrative Aufwand verringert werden.

Die NFA bis heute: Diskussionen und Handlungsbedarf

Die Aufgabenentflechtung war – neben der Neuordnung des Finanzausgleichs – das zentrale Element der NFA-Reform. Auch wenn im Verlauf der Projektphase aus vorab politischen Gründen das Entflechtungsvolumen sukzessive reduziert worden war, führte die NFA doch zu einer substanziellen finanziellen Entflechtung der beiden Staatsebenen. Gemäss 1. NFA-Botschaft wurden 5,5 Milliarden Franken oder 46 Prozent des gesamten Vor-NFA-Finanzierungsverbunds von Bund und Kantonen entkoppelt. Für die ressourcenstarken Kantone betrug der Abbau im Durchschnitt 62 Prozent, für die ressourcenschwachen Kantone 41 Prozent (S. 2516).

Weiterführen der Aufgabenentflechtung

Ungeachtet der Übergangsprobleme wird die Aufgabentrennung als richtig und wünschbar betrachtet – letztlich auch als ein grosser Erfolg. Offensichtlich ist aber dennoch, dass der Entflechtungsprozess nicht das Ergebnis gebracht hat, das aufgrund des hohen Grades an föderaler Verflechtung möglich gewesen wäre. Die Frage, ob die Aufgabenentflechtung fortgesetzt werden soll, wurde denn auch bald nach Inkrafttreten der NFA wieder gestellt. Grundlegende Probleme von Verbundaufgaben wie Doppelspurigkeiten, komplexe Abhängigkeiten und unklare Verantwortlichkeiten scheinen letztlich nicht anders als durch eine Auflösung des Verbunds lösbar zu sein. Der Eindruck, dass heute die Verflechtungen entgegen der NFA-Ziele wieder zunehmen und ein Trend zu neuerlicher Zentralisierung besteht, hat der Diskussion um eine nochmalige, weitergehende Aufgabenentflechtung zusätzlich Auftrieb gegeben.

Bereits im ersten mehrjährigen Föderalismus-Monitoringbericht 2011-2013 hielten die Kantone fest, dass es entgegen der Ziele der NFA und allen Bemühungen zur Separierung der Staatsebenen teilweise wieder zu neuen Aufgabenverflechtungen (z.B. im Verkehr) gekommen ist. Neue Abgrenzungsprobleme, finanzielle Belastungen und Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit seien die Folge. Ein stärkerer Zentralisierungsdruck schränke die kantonale Handlungsautonomie ein. Diese Entwicklung sei auf Bundesbeschlüsse, das internationale Umfeld und Volksentscheide zurückzuführen. Die Kantone waren aber auch selbstkritisch: sie nähmen teilweise bewusst Kompetenzverschiebungen an den Bund im Austausch für neue Bundessubventionen in Kauf (z.B. im Gesundheits- und Sozialwesen).

Als Antwort auf diesen Befund forderten die Kantone eine erneute Aufgabenüberprüfung. Diese sollte nicht nur die Entflechtung verbliebener Verbundaufgaben zum Ziel haben, sie sollte auch Tendenzen zu neuen Verflechtungen und Zentralisierungen untersuchen. Entflechtungspotenzial bei den bestehenden Verbundaufgaben wurde bei der individuellen Prämienverbilligung, den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, im Verkehrs- und Infrastrukturbereich (z.B. Hauptstrassen) sowie bei kleineren Verbundaufgaben wie Wald, Jagd und Fischerei geortet.

Was die Durchführung von Programmvereinbarungen betraf, dauerte die Kritik an. Die Regulierungsdichte sei zu hoch, durch Übersteuerungen seitens des Bundes und unverhältnismässigen bürokratischen Aufwand würden die Handlungsspielräume der Kantone eingeschränkt. Nur wenn sich der Bund auf die strategischen Vorgaben beschränke, könnten die Kantone ihre Eigenständigkeit wahren und die Transaktionskosten tief halten.

Ein weiterer Kritikpunkt betraf Lastenverschiebungen innerhalb von Aufgaben und hohe Kostendynamiken. Konkret ging es um die Vollzugstätigkeit der Kantone. Die Kantone vollziehen gemäss Bundesverfassung grundsätzlich ohne Abgeltung Bundesrecht. Die Kantone fanden nun, dass die Vollzugsvorgaben laufend zugenommen hätten. Auf das neue NFA-Prinzip der finanziellen Äquivalenz verweisend, forderten sie vom Bund eine (stärkere) finanzielle Beteiligung. Zudem kritisierten sie die hohen Mehrkosten für die Kantone infolge direkter Lastenverschiebungen (z.B. bei der Integration von Ausländern) oder Aufgabenintensivierungen (z.B. bei der Spitalfinanzierung). Weil bei verschiedenen kantonalen Aufgabenschwerpunkten namentlich im Sozial- und Gesundheitsbereich die Kostendynamiken demografiebedingt besonders hoch seien, forderten sie auch hier mehr Bundesunterstützung bzw. neue Einnahmequellen wie z.B. einen Mehrwertsteueranteil.

Um den Anliegen Druck zu verleihen, lancierte die KdK im Herbst 2015 eine breite Aufgabenüberprüfung. Diese mündete in einen Positionsbezug der Kantone, der im Juni 2016 verabschiedet wurde. Zentrale Forderungen waren: klare Verantwortlichkeiten bei den Verbundaufgaben, mehr kantonaler Handlungsspielraum beim Aufgabenvollzug und ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes. Weil dieser viele Entscheidungen vorwegnähme, müsse er sich auch finanziell stärker engagieren.

Daneben wurden neue Entflechtungsmöglichkeiten skizziert. Für die EL wurde beispielsweise vorgeschlagen, dass der Bund künftig die gesamte Finanzierung der Existenzsicherung übernimmt, den Kantonen im Gegenzug Bundesaufgaben von finanziell gleichem Umfang übertragen würden. Ziel sei ein Gesamtwerk, in dem durch Aufgaben- und Finanzierungsverschiebungen weder der Bund noch die Kantone finanziell stärker belastet würden – das bekannte Modell der NFA-Globalbilanz.

Die Forderungen der Kantone fanden auf Bundesebene Gehör. Ende 2014 beauftragte das Bundesparlament den Bundesrat, zusammen mit dem dritten Wirksamkeitsbericht eine vollständige Analyse der Verbundaufgaben sowie Vorschläge zu einer allfälligen Neuverteilung vorzulegen. Grundlage des Auftrags war eine Motion (13.3363), die 2013 von der Finanzkommission des Nationalrats (FK-NR) eingereicht worden war. Die KdK hatte gegenüber den Kommissionsmitgliedern erläutert, dass es in vielen Bereichen nur mit einer weiteren Aufgabenentflechtung möglich sein würde, zweckmässige und kostengünstige Lösungen für die Aufgabenerfüllung im Staat zu finden.

Der Bundesrat hat im März 2018 den dritten Wirksamkeitsbericht zur NFA 2016 bis 2019, der sich jedoch nur noch auf den Finanzausgleich (i.e.S.) und die interkantonale Zusammenarbeit konzentriert, in die Vernehmlassung gegeben. Erwartet wird, dass der Bundesrat im Herbst 2018 zeitgleich mit der Botschaft zum Wirksamkeitsbericht die vom Parlament verlangte Analyse der Verbundaufgaben vorlegt. Das weitere Vorgehen im «Projekt Aufgabenteilung 2» wird sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt entscheiden. Die Kantone ihrerseits haben an der Plenarversammlung der KdK vom März 2018 erneut ihre Unterstützung für eine Weiterführung der Aufgabenteilung ausgesprochen. Sie wollen insbesondere die Bereiche Soziale Sicherheit (EL, IPV), Bildung (Berufsbildung) und Verkehr (Finanzierung Bahninfrastrukturfonds) angehen. Gleichzeitig sollen aber auch Fragen zur Lastenverteilung, wie zum Beispiel im Bereich Gesundheit, aufgenommen werden. Die KdK schlägt vor, das Projekt nach der Erarbeitung der Steuerreform (Steuervorlage 17) und der Optimierung des Finanzausgleichs (3. Wirksamkeitsbericht) aufzunehmen.

Umsetzung der neuen staatspolitischen Grundsätze

Neben dem Thema der Aufgabenentflechtung hat die Umsetzung der neuen staatspolitischen Verfassungsgrundsätze der Subsidiarität, fiskalischen Äquivalenz und kantonalen Autonomie in der Aufgabenerfüllung zu reden gegeben. In der Planung der NFA hatten die Kantone befürchtet, dass die Prinzipien im politischen Tagesgeschäft nur ungenügend angewendet würden und leere Hüllen blieben. Wie sich nach Inkrafttreten der NFA zeigen sollte, waren diese Befürchtungen zumindest teilweise begründet.

Angestossen durch die kantonale Kritik betreffend die zunehmende Zentralisierung verlangte des Bundesparlament 2012 einen Bericht vom Bundesrat (Postulat Stadler 12.3412). Darin sollte er Verstösse gegen die neuen föderalistischen Verfassungsgrundsätze aufzeigen. Der im September 2014 gelieferte Bericht bestätigte tatsächlich eine «gewisse» Zentralisierungstendenz. Zahlreiche seit Annahme der NFA beschlossene Gesetzesbestimmungen hätten dem Bund zusätzliche Einwirkungsmöglichkeiten und Kompetenzen zugeteilt (namentlich in Vollzugsbereichen). Die Kompetenzverlagerungen seien jedoch «nicht Selbstzweck, sondern zu einem guten Teil systembedingt», verursacht durch gesellschaftliche oder technologische Veränderungen. Dem Zentralisierungstrend sei zu gegebenem Zeitpunkt und im Rahmen eines Gesamtpakts mit einer generellen Aufgabenüberprüfung oder materiellen Bereinigung des Bundesrechts entgegenzutreten, so der Schluss des Berichts.

Im Detail wurden unter 16 finanziell relevanten Vorlagen acht Fälle identifiziert, in denen das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz verletzt worden waren. Verstösse gegen das Subsidiaritätsprinzip betrafen das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (Einrichtung regionaler Naturpärke), das Bundes-Sportobligatorium für die Schule, den Verfassungsartikel «Musikalische Bildung» und die Vorlage für die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI). Verstösse gegen die fiskalische Äquivalenz betrafen ebenfalls die FABI-Vorlage (diese ging zulasten der Kantone, die mitbezahlen mussten, ohne adäquat mitbestimmen zu können), die Einrichtung regionaler Naturpärke, den Gewässerschutz sowie Prämienverbilligungen für Kinder und Jugendliche. In den drei letztgenannten Fällen war es der Bund, zu dessen Lasten das Äquivalenz-Prinzip verletzt wurde. Den Grundsatz der kantonalen Eigenständigkeit fand der Bundesrat generell gut respektiert.

In der Gesamtbeurteilung fand der Bundesrat die Verfassungsgrundsätze insgesamt gut eingehalten. Dies insbesondere auch darum, weil ein grosser Ermessensspielraum bei der Anwendung der Grundsätze bestand und weil die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit fehlte, d.h. Verstösse nicht vor Gericht eingeklagt werden konnten (und können). Die Kantone hatten in der NFA-Planung die Justiziabilität der föderalistischen Prinzipien im Rahmen einer einzuführenden Verfassungsgerichtsbarkeit für Bundesgesetze gefordert, waren mit dieser Forderung beim Bund aber nicht durchgedrungen.

Letztlich, schloss der Bundesrat, sei für die Qualität des Föderalismus entscheidend, dass die neuen NFA-Grundsätze – die «grundlegenden Maximen des schweizerischen Bundesstaats» – in der Praxis effektiv gelebt würden. Als Beitrag von seiner Seite schlug er vor, die Einhaltung der Grundsätze in relevanten Gesetzgebungsprojekten standardmässig zu prüfen. Diese Massnahme soll zur besseren Gewährleistung der Prinzipien führen und dem Zentralisierungstrend entgegenwirken. 

FAZIT

Die Stärkung des Föderalismus war das zentrale Anliegen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA). Die NFA löste das bis Ende 2007 geltende und historisch gewachsene Transfersystem des alten Finanzausgleichs ab. Dieser wies eine Vielzahl von Mängeln auf. Der Bund hatte immer zahlreichere Aufgaben übernommen, die Kantone waren immer mehr zu reinen Vollzugsorganen geworden. Die vielen Verbundaufgaben und Verbundfinanzierungen hatten die effiziente Verwendung öffentlicher Gelder unmöglich gemacht.

Die 2008 in Kraft getretene NFA stellte den Schweizer Föderalismus auf eine neue Grundlage. Verfassungsmässig, indem die Grundprinzipien der Subsidiarität, der fiskalischen Äquivalenz und der kantonalen Autonomie bei der Aufgabenerfüllung ins schweizerische Grundrecht, die Bundesverfassung, aufgenommen wurden. Auf der operativen Ebene, indem zahlreiche von Bund und Kantonen gemeinsam ausgeübte Aufgaben entflochten und in die alleinige Verantwortung der einen oder der anderen Staatsebene übertragen wurden. Die klarere Zuweisung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten hat die Effizienz, die Effektivität und Transparenz in der Erfüllung und Finanzierung vieler öffentlicher Aufgaben in der Schweiz verbessert. Neben der Neuordnung des eigentlichen Finanzausgleichs – der Ausgleichszahlungen zwischen dem Bund, den ressourcenstarken und den ressourcenschwachen Kantonen – ist die Aufgabenentflechtung das zentrale Element der NFA-Reform.

Trotz der unstrittigen Erfolge der als «Jahrhundertwerk» gehandelten Reform bleiben Probleme und Aufgaben. Zahlreiche Verbundlösungen bestehen nach wie vor. Mit Programmvereinbarungen und Pauschalbeiträgen wird teilweise versucht, Verbundaufgaben effizient und möglichst reibungslos zu gestalten – wie die Erfahrung zeigt, gelingt dies teilweise, teilweise bleiben aber die alten Probleme bestehen. Kantone kritisieren die starke Präsenz des Bundes und die hohe Regelungsdichte; der Eindruck, lediglich Vollzugsorgane ohne echte Mitsprache, aber mit hohen Kostenbürden zu sein, besteht weiter und scheint sich wieder verstärkt zu haben. Eine Tendenz zu neuen Verflechtungen und Zentralisierungen läuft den NFA-Zielen zuwider und deutet auf eine nur ungenügende Umsetzung der neuen föderalistischen Verfassungsgrundsätze hin.

Von stabilen Verhältnissen, einem Gleichgewicht der Staatsebenen, scheint der helvetische Föderalismus also noch weit entfernt. In welche Richtung die Entwicklung gehen soll und gehen kann – das sind Fragen, die heute und für die nächste Zeit aktuell sind. Zur Diskussion steht ein neues Projekt zur Aufgabenentflechtung – die «Aufgabenteilung 2». Ob diese an die Hand genommen wird, soll der Bundesrat im Herbst entscheiden.

Was wären die Herausforderungen einer Aufgabenteilung 2? Wie schon bei der NFA I würde sich auch bei einer neuen Reform die eindeutige Zuweisung von Aufgaben an die eine oder andere – die «richtige» – Staatsebene als grosse Knacknuss erweisen. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt die möglichst bürgernahe Aufgabenerfüllung, was für viele heutige Verbundaufgaben eine kantonale Lösung nahelegte. Absehbar ist allerdings, dass für viele Fälle weder vom Grundsatz der Subsidiarität noch vom Prinzip der fiskalischen Äquivalenz harte Zuweisungskriterien ableitbar sind: häufig besteht ein Ermessensspielraum. Wie schon in der Planungsphase der NFA I werden politische Überlegungen Entscheide beeinflussen (wer darf bestimmen und gestalten?), und beharrende Kräfte werden für den Erhalt des Status-quo sprechen («nicht alles mag gut sein, aber so schlecht ist es auch nicht»). Eminent schliesslich werden Fragen der Finanzierung sein. Die Kantone machen heute schon hohe Kostendynamiken bei Kernaufgaben geltend und verlangen vom Bund zusätzliche Mittel und Finanzierungen. Dass die Grenze zwischen Verbund- und Vollzugsaufgaben nicht immer klar eingehalten wird oder werden kann, zeigt das Spannungsverhältnis zwischen den in der Verfassung festgelegten föderalistischen Elementen (z.B. Vollzugsföderalismus vs. fiskalische Äquivalenz). Eine Fortsetzung der Aufgabenentflechtung müsste auf jeden Fall von Anfang an die Finanzierungsfrage einbeziehen und dafür Lösungen entwickeln. Dass Lösungen gefunden werden können, hat die NFA I gezeigt. Der Wille, auch neue Wege zu prüfen und die Bereitschaft, solche effektiv auch zu beschreiten, könnte diesbezüglich entscheidend sein.

Für die Wirtschaft ist eine funktionierende NFA wichtig. economiesuisse, früher der Vorort, hat die Ziele und Inhalte dieses für die Schweiz grundlegenden Projekts stets unterstützt. Eine klare Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen den staatlichen Ebenen ist auch aus wirtschaftlicher Sicht zu begrüssen. Ein undurchsichtiger, ineffizienter Föderalismus ist teuer – nicht nur, weil Steuermittel zu wenig gezielt und wirksam eingesetzt werden, sondern auch, weil die Legitimation des ganzen föderalistischen Staatsaufbaus leidet. Das Gegenstück zum Föderalismus, der Zentralstaat, ist für die Wirtschaft keine Option. Viele Zentralisierungstendenzen werden von der Wirtschaft kritisch beurteilt. Dezentrale, bürgernahe Lösungen haben sich auch empirisch als besser erwiesen – im Fiskalbereich, aber auch darüber hinaus. Ein gut funktionierender Föderalismus bedarf sorgfältiger Pflege; wenn die Geschichte der NFA eines gezeigt hat, dann dies.

Seit der Inkraftsetzung der NFA sind zehn Jahre vergangen. Das vorliegende dossierpolitik legt nahe, dass vieles erreicht wurde und vieles bei sorgfältiger Planung und politischem Mut und Willen möglich ist – dass es nun aber auch an der Zeit ist, die Föderalismuspflege weiterzuführen. Der Entscheid des Bundesrats, das Projekt «Aufgabenteilung 2» aufzunehmen, wird mit Spannung erwartet.

Fortsetzung folgt

Im Rahmen des Projekts zur Aufgabenentflechtung stellt sich die Frage, welche Verbundaufgaben sich für eine weitere Entflechtung eignen würden und wie eine solche Entflechtung konkret aussehen könnte. Wie oben angesprochen, liegt die Herausforderung in der Zuteilung der Aufgaben an die geeignete Staatsebene und den damit verbundenen finanziellen Fragen.

economiesuisse wird einzelne Aufgabengebiete mit Verflechtungen, die im Verlaufe des NFA-Prozesses nicht berücksichtigt oder fallengelassen wurden, vertiefter analysieren und in loser Abfolge Möglichkeiten für eine Entflechtung skizzieren, Vor- und Nachteile aufzeigen und versuchen, die finanziellen Auswirkungen der Entflechtung zu erfassen.

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