# 11 / 2016
11.11.2016

Die leeren Versprechen der Vollgeld-Initiative

Mit leeren Versprechen zu mehr Unsicherheit

Vertrauenswürdigkeit des Frankens gefährdet

Anstatt den Fall Louisiana und Münzgeld mit Vollgeld und damit Äpfel mit Birnen zu vergleichen, sollten Äpfel mit Äpfeln verglichen werden, um den ungewissen Ausgang des Vollgeld-Experiments mit verschiedenen Szenarien zumindest ungefähr skizzieren zu können. Einen Anhaltspunkt bietet das vermeintlich stärkste Argument der Initianten – die Sicherheit des Vollgeld-Frankens.

Weil Zahlungsverkehrskonten ausserhalb der Bilanz geführt würden, ist Vollgeld von Bankenkrisen nicht mehr tangiert. Die ausgegebenen Franken sind stets auf dem eigenen Konto vorhanden und könnten somit jederzeit abgehoben werden. Selbst wenn alle Kunden ihr Vollgeld gleichzeitig abheben wollen, verursacht dies keine Probleme für die Bank. Während dadurch zwar Bank Runs eliminiert werden, würde eine weit grössere Gefahr – ein Run auf die Währung – geschaffen werden. Aktuell führt die SNB auf der Passivseite das Notenbankgeld und auf der Aktivseite einen Mix aus Devisenanlagen, Aktien, Gold und Obligationen. Obschon heute teilweise kritisiert wird, dass die SNB in Euro denominierte Wertschriften in ihren Büchern hält, wäre die Situation unter Vollgeld-Bedingungen ungleich schlimmer. In einem solchen System führt die Nationalbank gar keine Aktiven mehr in ihrer Bilanz. Vollgeld würde als Aktivum definiert und anschliessend an den Staat und die Bevölkerung verschenkt. Es werden somit keine Vermögenswerte erworben, um Vollgeld in Umlauf zu bringen, sondern Vollgeld wird ganz einfach als Vermögenswert definiert.

Diese Praxis könnte das Vertrauen in den Schweizer Franken erschüttern. Wie bereits Voltaire bemerkte, strebt jede Papierwährung schliesslich zu ihrem intrinsischen Wert: Null. Vollgeld würde früher oder später dasselbe Schicksal erleiden, wenn die SNB auf der Aktivseite keine Devisen, Aktien, Gold und Obligationen mehr besässe. Das Vertrauen in den Schweizer Franken könnte schwinden und in einer panischen Flucht aus dem Franken enden. Mit Blick auf historische Vergleiche ist dies leider ein realistisches Szenario.

Die historische Bilanz von Aktivgeld ohne inneren Wert

Die Abwertung von Münzen war überall auf der Welt stets ein beliebtes Mittel, um vermeintliche Gratiseinnahmen zu generieren. Mit verschiedenen Methoden wurde der innere Wert einer Münze verringert und so eine Seigniorage erzielt. Im Byzantinischen Reich wurde der ursprünglich reinen Goldmünze günstigeres Silber beigemischt, wobei der Nominalwert beibehalten wurde. Der Silberanteil wurde stetig erhöht, bis die Münze nur noch aus Silber bestand, was das Vertrauen in die Währung beschädigte und schliesslich in einem Währungskollaps endete. In Japan wurde das Gewicht der Münze regelmässig verringert, bis deren Wert nur noch einem Bruchteil des ursprünglichen entsprach. Die japanische Bevölkerung verwendete fortan Reis als Zahlungsmittel.

Das ebenfalls als Aktivgeld konzipierte Vollgeld besitzt im Gegensatz zu den Münzen gar keinen inneren Wert. Insofern dürfte der Vertrauensverlust in eine solche Währung mindestens ebenso drastisch ausfallen wie in diesen historischen Vergleichen.

Eine Währungskrise hätte einschneidende Konsequenzen für die Schweizer Bevölkerung. Die Kaufkraft des Frankens würde erodieren und damit auch der Wohlstand der Schweiz. Jegliche Vorteile, die die Schweiz aufgrund ihrer wertstabilen Währung seit dem vorletzten Jahrhundert aufgebaut hat, würden so praktisch über Nacht vernichtet.

Mit Vollgeld wäre zwar die Gefahr von Bank Runs eliminiert, die Schweiz würde sie aber bloss gegen das hohe Risiko einer Flucht aus dem Franken eintauschen.

Mit Vollgeld sind Sparguthaben nicht geschützt

Unbestritten: Bank Runs und Bankenkrisen können hohe volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Das Vollgeld-System verhindert jedoch nur Bank Runs, nicht aber Bankenkrisen. Der Unterschied ist bedeutend. Ein Bank Run entsteht, wenn viele Kunden gleichzeitig ihr Geld bei der Bank abheben möchten. Aufgrund des Geldschöpfungsmultiplikators ist die Bank nicht in der Lage, alle Gelder gleichzeitig auszuzahlen. Sie wird illiquid, kann eventuell andere Banken in den Strudel hineinziehen und das gesamte Bankensystem gefährden. Einen solchen Bankensturm gibt es im Vollgeldsystem nicht. Hingegen kann eine Bank Konkurs gehen, wenn ihre Kreditnehmer die Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Da bei Vollgeld nur die Zahlungskonten sicher sind, würden im Konkursfall die Sparer weiterhin ihr Geld verlieren. Die heutige Einlagensicherung gewährleistet jedoch, dass sämtliche Einlagen eines Kunden bis zu 100’000 Franken bei in- und ausländischen Geschäftsstellen einer Bank geschützt sind.