# 5 / 2016
10.06.2016

Naturwissenschaft und Technik: für die Schweiz ein Muss

MINT-Förderung ist unabdingbar

PISA-Tests als Weckruf

Lange Zeit hat man die geschilderte Situation mehr oder weniger gleichgültig zur Kenntnis genommen. Ein Wecksignal waren die im Jahr 2000 erstmals durchgeführten PISA-Tests (Programme for International Student Assessment). Die Leistungen der Schweizer Schülerinnen und Schüler wurden damals sogar schlechter eingestuft als der Durchschnitt der OECD-Staaten, insbesondere in den Bereichen Lesen und Naturwissenschaften. Dieser Befund war für ein Hochlohnland mit grossem Stolz auf sein Bildungssystem ein herber Dämpfer. Zwar gibt PISA nur einen beschränkten Einblick in die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, doch der Handlungsbedarf war offensichtlich. Ein Land wie die Schweiz, das wirtschaftlich so stark auf Innovation und technisches Know-how angewiesen ist, muss sich langfristig sehr deutlich vom OECD-Mittelwert abheben und an der Weltspitze orientieren. Die Bildungspolitik nahm das Thema auf und misst diesen Fächern heute wieder mehr Gewicht bei. Mit Erfolg: Die Mittelwerte der Schweizer PISA-Erhebungen liegen seit 2003 in jedem der getesteten Kompetenzbereiche immerhin statistisch signifikant über dem Mittelwert der OECD, auch wenn noch Luft nach oben vorhanden ist. Erfreulich sind die Leistungen in Mathematik, wo die Schweiz in der vorderen Ländergruppe zu finden ist. 

Grafik 2

PISA-Durchschnittswerte der Schweiz und der OECD-Länder (15-jährige Schülerinnen und Schüler)

Werte, die signifikant über dem OECD-Durchschnitt liegen, sind fett markiert

Berufliche Anforderungen stiegen

Neben den PISA-Zahlen haben auch die zahlreichen Aufrufe und Initiativen aus der Wirtschaft ihre Wirkung nicht verfehlt. Dass die MINT-Kompetenzen und die entsprechende Berufsbildung gestärkt werden müssen, gilt heute weitherum als unbestritten. Der Staat hat sie sich auf seine Fahnen geschrieben, die Universitäten und Fachhochschulen haben reagiert, und nicht zuletzt wird die Problematik auch immer wieder in den Medien thematisiert. Der allgegenwärtige technologische Wandel und insbesondere die Digitalisierung machen augenfällig, dass es sich die Schweiz nicht leisten kann, ihre Nachwuchsförderung in diesem Bereich zu verschlafen. Auf dem Spiel steht nicht weniger als langfristige Sicherung des Werk- und Innovationsplatzes Schweiz. Und es reicht nicht aus, den Status quo zu verteidigen, denn die Anforderungen an MINT-Fachkräfte in der Wirtschaft steigen permanent. Heute wird in fast allen entsprechenden Berufen ein deutlich höheres Kompetenzniveau verlangt als noch vor zehn Jahren. Tätigkeiten in der Industrie – zum Beispiel Polymechanikerin, Automatiker, Elektronikerin, Laborant oder Softwareentwickler – sind anspruchsvoller geworden, weil die Aufgaben heute vielseitiger und komplexer sind. Die jungen Menschen benötigen deshalb hohe Kompetenzen in den MINT-Fächern, um eine anspruchsvolle Lehre erfolgreich abschliessen zu können. Und diese Anforderungen sind längst nicht mehr nur auf die industriellen Berufe beschränkt. Heute wird auch von kaufmännischen Angestellten erwartet, dass sie eine Homepage selbstständig bewirtschaften können, und in vielen handwerklichen Berufen kommen informatische Anwendungen zum Einsatz. 

Die Tendenz ist eindeutig: MINT-Fächer werden in Zukunft für immer mehr Berufe an Bedeutung zulegen. Da sich das Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Themen aber in den seltensten Fällen erst im Erwachsenenalter entwickelt, muss es bereits in der Volksschule geweckt werden. Und die Voraussetzungen dafür sind durchaus vorhanden. Denn diese Behauptung sei hier gewagt: Nahezu alle Erstklässler finden ihre ersten Rechenoperationen spannend, sind von einfachen physikalischen Experimenten fasziniert oder lösen gerne ein Problem mithilfe des Computers. Von Skepsis oder Technikfeindlichkeit ist diesen jungen Menschen noch nichts anzumerken. Die Herausforderung auf Stufe Volksschule und später auch auf der Sekundarstufe besteht also darin, diese anfängliche Entdeckerfreude zu erhalten und das Interesse an MINT-Themen bis ins Erwachsenenalter zu verankern.