# 13 / 2019
13.09.2019

Annahme der Kündigungsinitiative bedeutet das Ende des bilateralen Wegs

Kontingente verschärfen den Fachkräftemangel

Die Kündigungsinitiative würde der Wirtschaft nicht nur massiv zusetzen, weil es den Unternehmen den Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen in die EU erschwert. Sie würde auch dem Arbeitsmarkt schaden. Die Schweiz leidet unter einem Fachkräftemangel, der sich in Zukunft noch weiter zuspitzen wird. Ökonomen der UBS rechnen damit, dass in den nächsten zehn Jahren ein zusätzlicher Bedarf von 300'000 Arbeitskräften entstehen wird. Um darauf zu reagieren, müssen Unternehmen weiterhin flexibel Angestellte auch in Europa rekrutieren können. Diese Zuwanderer haben dazu geführt, dass es in der Schweiz mehr Arbeitsplätze gibt, von denen auch Einheimische profitieren. So haben Wissenschaftler dargelegt, dass die Neuanstellung einer höher qualifizierten Person in einem Unternehmen nachgelagert bis zu fünf weitere Stellen schafft. Und 74 Prozent der jüngst aus der EU in die Schweiz gekommenen Personen arbeiten in Berufsgruppen mit hohen oder sehr hohen Qualifikationsanforderungen. Seit 2002 sind in der Schweiz über 700'000 neue Stellen entstanden, rund die Hälfte davon konnten Schweizer besetzen. Die EU- und EFTA-Bürger ergänzen also die hiesigen Angestellten. Ohne Personenfreizügigkeit würden Schweizer Firmen wieder mit einem Kontingentsystem leben müssen. Unternehmen müssten für jeden ausländischen Angestellten einen Bundesangestellten bemühen, die Rekrutierung von Spezialisten aus der EU wäre somit teurer und zeitintensiver.

Die Bundesverwaltung überprüft regelmässig die Auswirkung der Zuwanderung über die Personenfreizügigkeit auf den Arbeitsmarkt. Und die Berichte sprechen eine klare Sprache: Es gibt keine Belege für einen generellen Lohndruck und die Zuwanderung stützt die erste Säule der Sozialwerke. Die Schweizer Löhne sind in den letzten Jahren stets um ungefähr 1,1 Prozent gewachsen. Gleichzeitig bezahlen die EU-Zuwanderer 26,1 Prozent der Einnahmen der AHV und IV, beziehen aber nur 15,3 Prozent der Ausgaben. Nur bei der Arbeitslosenversicherung sind Ausländer aus EU-/EFTA-Staaten mit 31,1 Prozent zu 24,4 Prozent mehr Bezüger als Finanzierer.

Zielführende Massnahmen für Arbeitslose über 50 Jahren wichtig

Der Fachkräftemangel ist für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Herausforderung. Während die Kündigung der Personenfreizügigkeit diesen verstärken würde, hat der Bundesrat jüngst verschiedene Massnahmen ausgearbeitet, die einen positiven Effekt haben könnten. Dabei ist ein wichtiger Teil Personen über 50 Jahren gewidmet. Wirtschaftlich betrachtet ist das wichtig, da diese Gruppe rund 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung ausmacht. Mit verschiedenen Bildungs- sowie Informationsprogrammen sollen diese Arbeitnehmenden schneller und einfacher wieder in den Arbeitsmarkt gelangen, nachdem sie arbeitslos geworden sind. Denn es zeigt sich, dass arbeitslose über 50-Jährige mit neun Monaten deutlich länger brauchen als jüngere Arbeitnehmende, um wieder einen Job zu finden. Gleichzeitig muss aber auch beachtet werden: Die Situation für über 50-Jährige auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ist nicht prekär. Die Erwerbstätigenquote bei dieser Altersgruppe liegt bei 73 Prozent, was international ein Spitzenwert ist. Während die Erwerbslosenquote gemäss Internationaler Arbeitsorganisation bei den 40- bis 54-Jährigen bei 4,2 Prozent und bei den 55- bis 64-Jährigen bei 4,0 Prozent liegt, ist sie bei den 25- bis 39-Jährigen mit 4,9 Prozent höher als bei den älteren Arbeitnehmenden. Somit liegt der Schluss nahe, dass auch die über 50-Jährigen in der Schweiz vom Erfolg des bilateralen Wegs profitieren.

Seit dem Rekordjahr 2013 ist die Zuwanderung stark zurückgegangen (siehe Abbildung 4). Denn es ist die wirtschaftliche Dynamik – also Arbeitgeber, die Angestellte brauchen –, die diese bestimmt. Boomt die Wirtschaft, nimmt die Zuwanderung zu. Umgekehrt nimmt sie ab, wenn Schweizer Firmen weniger Aufträge haben. Die Personenfreizügigkeit hat sich für Schweizer Arbeitgeber wie Arbeitnehmer bewährt. Die Erfahrungen mit den Kontingentsystemen in der Vergangenheit waren anders: Für Arbeitnehmer bedeuten sie viel Bürokratie, die Zuwanderung haben sie ebenfalls nicht gebremst. Das belegt auch der Blick in die Vergangenheit: Hunderttausende Migranten wanderten zwischen 1950 und 1971 in die Schweiz ein, 300’000 waren es von 1984 bis 1990. Damals hatte die Schweiz Kontingente.

Abbildung 4