# 12 / 2016
15.11.2016

Bundesfinanzen 2017 bis 2020: Herausforderungen unverändert hoch

Kommentar und Position economiesuisse

Schuldenbremse einhalten

Der Weg zu einem bereinigten Voranschlag könnte dieses Jahr zur Rechenschieberei werden. Am Ende wird der Voranschlag aber den Vorgaben genügen. Das Gesetz verlangt es so, und vom Parlament ist anzunehmen, dass es sich an die gesetzlichen Vorgaben hält. Herauskommen wird ein Resultat, wie es ähnlich aus den letzten Jahren schon bekannt ist: ein Sollergebnis im Bereich einer schwarzen Null. Der Weg dahin könnte heuer aber anspruchsvoller werden.

Das Parlament wird die Massnahmen des Stabilisierungsprogramms aller Voraussicht nach nicht voll übernehmen und den Voranschlag – er enthält sämtliche Massnahmen – punktuell anpassen, das heisst um zusätzliche Mittel aufstocken. Bei der Bildung und Forschung sowie in der Landwirtschaft könnte dies vor allem der Fall sein. Bleiben die Aufstockungen im Bereich von 100 bis 150 Millionen Franken – so gross ist der Puffer, der noch verplant werden kann – könnte die Rechnung aufgehen, und es bleibt die Frage, wie das Parlament mit dem ausserordentlichen Zahlungsbedarf umgeht, den der Bundesrat im Asylbereich plant. Folgt das Parlament dem Bundesrat, könnte das Budget trotz Abstrichen am Stabilisierungsprogramm schlank durchgehen. Folgt es ihm nicht, muss das Parlament die Frage beantworten, wie die gesamten Mehrausgaben im Asylbereich in ein Budget eingebaut werden, das über keine Luft mehr verfügt. Möglich ist, dass es statt der vom Bundesrat geplanten 850 Millionen Franken Asylmehrausgaben nur die Hälfte beschliesst, weil es von tieferen Asylzahlen ausgeht. Falls die Gesuchszahlen effektiv doch höher liegen sollten und Zusatzausgaben notwendig würden, könnten diese nachträglich noch als ordentlicher Nachtragskredit oder notfalls als ausserordentlicher Zahlungsbedarf beschlossen werden – das Gesetz lässt diese Möglichkeiten offen. Alternativ könnten auch lediglich Asylmehrausgaben von beispielsweise 600 Millionen Franken beschlossen werden, was den ausserordentlichen Zahlungsbedarf entsprechend senken würde.

Die Antwort auf die Frage, ob in der aktuellen Lage ein Teil der Asylmehrkosten als ausserordentlicher Zahlungsbedarf behandelt werden soll, ist am Ende eine politische. Das Gesetz sieht diese Möglichkeit vor. In der Botschaft zur Schuldenbremse wurde das Asylwesen als Beispiel für eine «nicht steuerbare Eventualität, die eine Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse nötig macht», erwähnt. Ein ausserordentlicher Zahlungsbedarf wurde im Zusammenhang mit Asylausgaben bereits einmal getätigt. Einen Präzedenzfall würde das Vorgehen also nicht darstellen. Die Ergänzungsregel zur Schuldenbremse von 2010 stellt sicher, dass ausserordentliche Zahlungen die Schuldenbremse nicht umgehen können. Das ist das vorrangige Interesse, auch der Wirtschaft: dass die Schuldenbremse, die für die Schweiz finanzpolitisch einen Erfolgsfaktor sondergleichen darstellt, ohne Abstriche eingehalten wird. Eine Aufweichung, auch eine Anpassung der Schuldenbremse, lehnt die Wirtschaft in jeder Form ab. Ob die gegebenen gesetzlichen Spielräume der Schuldenbremse effektiv genutzt werden, ist letztlich eine Frage, die die Politik unter Abwägung der Handlungsalternativen beantworten muss. 

Strukturelle Überforderung des Bundeshaushalts

Zur mittelfristigen Entwicklung: economiesuisse hat sich dazu im Frühling ausführlich geäussert. Die Beurteilung des Handlungsbedarfs fällt unverändert aus. Der Bundeshaushalt ist bis 2020, dem aktuellen Betrachtungszeitraum, strukturell überfordert und muss ausgabenseitig entlastet werden. Diese Erkenntnis besteht nun seit fast zwei Jahren – seitdem im Winter 2015 klar geworden ist, dass die damaligen mittelfristigen Annahmen zur Einnahmenentwicklung erheblich zu hoch waren und nach unten korrigiert werden müssen. Der Bundesrat nahm rasche Korrekturen bei den Ausgaben vor, unter anderem beschloss er das erwähnte Stabilisierungsprogramm 2017 bis 2019. Doch die Politik hat die veränderte Ausgangslage bis heute nur teilweise nachvollzogen. Nicht anders sind wichtige, grosse Ausgabenbeschlüsse der letzten Zeit einzuschätzen: ob im Verkehr, bei der Armee oder im Sozialbereich – überall hat das Parlament die finanziellen Vorgaben des Bundesrats teilweise massiv übertroffen. Insbesondere der Fall ist dies bei der Reform der Altersvorsorge 2020. Hier drohen dem Bund, folgt man den bisherigen parlamentarischen Beschlüssen, Mehrausgaben von bis zu 1 Milliarde Franken. Es handelte sich um jährliche Mehrbelastungen, die gesetzlich stark gebunden wären, im Rahmen von Entlastungsprogrammen kaum gekürzt werden könnten und andere, gesetzlich wenig gebundene Ausgaben verdrängen würden. Ein für den Bundeshaushalt – die gesamte Bundespolitik – schädlicher Prozess, der weiter verstärkt würde.

Damit der Bundeshaushalt die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen kann, müssen – Stand heute – die Mehrausgaben gemäss Finanzplan von 9,5 Milliarden Franken bis 2020 um 2 Milliarden Franken gesenkt werden. Das Ausgabenwachstum würde dann noch etwas mehr als 7 Milliarden Franken betragen. Bei einem 70-Milliarden-Franken-Haushalt stellt auch ein solches Wachstum (10 Prozent in vier Jahren oder 2,4 Prozent jährlich) insbesondere in einer finanzpolitisch herausfordernden Zeit noch immer eine ansehnliche Grösse dar. Fakt ist jedoch, dass dieses Wachstum ungleich verteilt ist. Ausgaben, die gesetzlich gebunden sind, haben Priorität. Das sind namentlich die Ausgaben der Sozialen Wohlfahrt, des Bereichs Finanzen und Steuern sowie des Verkehrs. Beim Verkehr hat das Parlament, ebenso wie bei der Armee, eine politische Priorität gesetzt. Insbesondere der Bereich der Sozialen Wohlfahrt wächst aber vor allem deshalb so stark, weil das Kostenwachstum in verschiedenen seiner Teilbereiche stark ist und der Bund aufgrund gesetzlicher Vorgaben voll an diesem Wachstum partizipiert. Darin liegt ein Hauptproblem gebundener Ausgaben: Sie nehmen kraft eines gesetzlichen Autopiloten unter Umständen über lange Zeit stark zu, obwohl die politischen Prioritäten zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für eine Periode vielleicht anders gelegt würden. Anders gesagt: Bei Aufgaben ohne starke gesetzliche Ausgabenbindungen politische Schwerpunkte zu setzen, wird zunehmend schwieriger, je mehr gebundene Ausgaben bestehen. Zur Problematik der gebundenen Ausgaben hat sich economiesuisse im Frühling ausführlich geäussert.

Die Schuldenbremse verpflichtet dazu, Einnahmen und Ausgaben dauerhaft im Gleichgewicht zu halten. Dieser ersten, grundlegendsten, von der Bundesverfassung verlangten Verpflichtung muss das Parlament mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre erst noch nachkommen. Wichtige Schritte zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt sind die rasche Verabschiedung des Stabilisierungsprogramms in der geplanten Höhe von 1 Milliarde Franken, der Beschluss der Reform der Altersvorsorge 2020 ohne AHV-Leistungsausbau und andere massive Zusatzbelastungen für den Bund sowie grundsätzlich der Verzicht auf neue Aufgaben und Aufgabenintensivierungen mindestens bis 2020. Sofern nötig, gehört zu dieser Liste auch die Unterstützung eines weiteren Stabilisierungsprogramms.

Kosten der Unternehmenssteuerreform III sind verhältnismässig

Ein Wort noch zur Unternehmenssteuerreform III. Es trifft zu, dass auch dieses Projekt beim Bund ab 2019 zu Mehrausgaben von bis zu 1,3 Milliarden Franken führt. Mehrausgaben darum, weil der Bund die Kantone bei der unumgänglichen Weiterentwicklung ihrer Steuersysteme über die Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer unterstützt. Mindereinnahmen wird der Bund durch die Reform kaum haben. Im Sinne der Fokussierung der Reform hat das Parlament auf sämtliche steuerlichen Verbesserungen, die im Vorfeld diskutiert wurden, verzichtet. Einzige Ausnahme ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer, die neuerdings auch von der EU-Kommission empfohlen wird. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer schlägt beim Bund 2019 mit Kosten von 40 Millionen Franken und 2020 mit solchen von 140 Millionen Franken zu Buche. Ausgaben in dieser Grössenordnung liegen im Streubereich und werden kompensiert durch Mehreinnahmen, die der Bund hat, indem er zwei Sonderbesteuerungen auf Bundesstufe abschafft (die sogenannte Prinzipalgesellschaft und die Swiss Finance Branche). Schaffen es die Kantone, durch Weiterentwicklung ihrer Steuersysteme attraktiv zu bleiben, ist der Bund der Erste, der von diesen Bemühungen profitiert: Sämtliche Firmen werden beim Bund voll besteuert – das ist heute so und wird auch in Zukunft so bleiben. Dafür, dass den Kantonen die Weiterentwicklung gelingt, sorgt die Unternehmenssteuerreform III. Würde die Reform scheitern, fehlten den Kantonen die steuerpolitischen Grundlagen ebenso wie – unverzichtbar – die angepassten Ausgangslagen im nationalen Finanzausgleich NFA. Die Kantone würden auch vom Bund finanziell im Stich gelassen. Ob die erfolgreiche Weiterentwicklung der Schweizer Unternehmensbesteuerung unter diesen Bedingungen noch gelänge, ist mehr als fraglich. Die Steuererträge wären akut gefährdet – Steuererträge, die für den Bund wichtig sind und auf die zur Finanzierung der von ihnen geforderten und geförderten ausgebauten staatlichen Leistungen auch jene Kreise setzen, die das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III führen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Schweiz mit der Unternehmenssteuerreform III ein zukunftsträchtiges, ausserordentlich Erfolg versprechendes neues System zur Firmenbesteuerung haben wird. Der Preis für die Erlangung eines solchen Systems ist für den Bund ebenso wie für die Kantone und Gemeinden nicht vernachlässigbar, aber absolut verhältnismässig. Gelingt das Projekt – Voraussetzung dafür ist ein Ja der Stimmberechtigten am 12. Februar 2017 – wird der Preis für alle letztlich ein kleiner sein.