# 7 / 2021
04.06.2021

Die Pandemie als Chance: ein Katalysator für Innovation in Unternehmen

Erkannte und genutzte Chancen

Wie im voranstehenden Abschnitt diskutiert wurde, erleichterten der Digitalisierungsschub und die zusätzliche freie Zeit aufgrund weniger Termine und Reisetätigkeiten den Veränderungsprozess in den Unternehmen. Doch welche Chancen konnten Schweizer Unternehmen und Wirtschaftsverbände während der Corona-Pandemie tatsächlich nutzen? Welche Möglichkeiten eröffneten sich ihnen, die zuvor in dieser Form nicht bestanden?

Abbildung 3 gibt einen Überblick über die in den Interviews am häufigsten genannten Chancen.

Die Krise eröffnete entsprechend für viele Unternehmen Möglichkeiten, die Produktivität zu steigern, die Kosten zu senken, Innovation voranzutreiben, den Umsatz zu steigern oder die Qualität zu verbessern. Mit anderen Worten ergeben sich die Chancen der Pandemie nicht bloss in einem spezifischen Bereich, sondern quer durch die unternehmerische Tätigkeit hinweg. Vielfach spielt die Digitalisierung dabei eine entscheidende Rolle. Doch ob die Chance auch genutzt worden ist oder nicht, hängt von einem erfolgreichen Veränderungsprozess ab, der deutlich über das Ersetzen von sozialer durch digitale Interaktion hinausgeht.

Im Folgenden vertiefen wir einige Chancen:

Umsatzsteigerung

Zusätzlichen Umsatz liess sich nicht nur aufgrund einer pandemiebedingt höheren Nachfrage erzielen. Interessanter sind jedoch jene Fälle, in denen der Umsatz durch zusätzliche Massnahmen erhöht werden konnte:

  • Produktentwicklung: Mehrere Unternehmen nutzten die frei gewordene Zeit sehr gezielt für die Weiterentwicklung bestehender Produkte und Dienstleistungen oder für deren Neuentwicklung bis hin zur Marktreife.
  • Digitalisierung des Verkaufs: Aufgrund der Reichweite ihrer Online-Vertriebskanäle konnten Unternehmen neue Kundengruppen erschliessen oder bestehende Potenziale besser nutzen.

Verbesserung der Produktivität

Die beschleunigte Digitalisierung hat in vielen Fällen Kostenreduktionen und eine Steigerung von Produktivität und Effizienz ermöglicht. Einige Beispiele:

  • Besprechungen werden in digitaler Form effizienter, weil sie leichter geplant werden können und weniger Zeit mit Smalltalk verloren geht.
  • Homeoffice ermöglicht es, die Kosten für Büroflächen zu verringern. In mehreren Fällen wurden ganze Gebäude oder Standorte aufgegeben.
  • Die verstärkte Anwendung von Online-Marketing ermöglicht eine deutlich bessere Erfolgskontrolle als in der klassischen Werbung.
  • Mit der stark gestiegenen Akzeptanz digitaler Interaktion können Kundenkontakte teilweise automatisiert und in einigen Fällen auch Geschäftslokale aufgegeben werden.
  • Durch den Online-Direktkontakt mit der Kundschaft kann die Stufe Grosshandel vermehrt übersprungen werden. Ausserdem verringert der digital einfachere Austausch mit Know-how-Trägern in den Unternehmenszentralen den Bedarf nach regionalen technischen Kundendienstleistungen – mit entsprechenden Kosteneinsparungen.
  • Digitalisierung von Veranstaltungen: Durch neue Online-Formate für Lern-, Fortbildungs- und sonstige Veranstaltungsangebote entstand die Möglichkeit, an diesen ohne Reise- und Verpflegungskosten teilzunehmen. Somit konnten sich mehr Menschen aus entfernten Regionen – zum Beispiel aus Entwicklungsländern – die Teilnahme leisten.

Qualitätsverbesserung in Prozessen

Weitere Chancen, welche sich durch die verstärkte Digitalisierung von Prozessen ergaben, betreffen die Qualität der entsprechenden Interaktionen. Drei Beispiele:

  • Die Erfassung von Informationen direkt durch die Kundinnen und Kunden anstatt durch Mitarbeitende einer Verkaufs-Hotline verringert die Fehlerquote.
  • Die elektronische Übergabe von Informationen erleichtert deren Analyse, so können Kundenbedürfnisse und Prozessverbesserungspotenziale einfacher erkannt werden.
  • Die Beteiligung an Online-Besprechungen ist häufig besser als bei physischen Terminen.

Innovation

Die Pandemie stellt für manche Unternehmen ein «Window of opportunity» dar: Die teilweise Aufweichung der Alltagsstrukturen führte zu neuen Freiräumen und Offenheit. Führungskräfte und Know-how-Träger in Unternehmen nutzten dies, um Inspiration zu suchen und neuartige Entwicklungen voranzutreiben. Die ungewohnte Situation führte aber auch zu neuen Kontakten, beispielsweise mit Wettbewerbern, Behörden oder potenziellen Kunden.

Erkennen von Talenten

Im radikal veränderten geschäftlichen Umfeld konnten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden von anderen Seiten kennenlernen. Dies ermöglichte ihnen, verborgene Talente und Potenziale zu entdecken. Mehrere befragte Unternehmen zogen daraus Konsequenzen und nahmen personelle Umbesetzungen vor.

CO2-Reduktion

Die massiven Reisebeschränkungen während der Pandemie und das gleichzeitige Implementieren digitaler Ersatzlösungen ermöglichten es den Unternehmen, ihre CO2-Emissionen entsprechend zu reduzieren. Da sich die Ersatzlösungen bewährt haben, könnte der Effekt anhaltend sein.

Erkennen der hohen Bedeutung der sozialen Interaktion

Die Digitalisierung förderte das Bewusstsein für die Bedeutung persönlicher Interaktion. Viele Interviewpartner berichteten im Zusammenhang mit der Nennung der Chance-Digitalisierung und den Chancen, die auf der Digitalisierung aufbauen, dass im Spiegelbild der digitalen Interaktion ihr Bewusstsein für die Bedeutung der persönlichen Interaktion gewachsen sei: Informelles, Zufälliges, Kreativität, Emotionales, Humorvolles, Kontaktaufnahme, Diskretion, Vertraulichkeit, Inspiration, Stimmungswahrnehmung, Flurfunk, Zwischentöne, Gemeinschaftsenergie, Feinstoffliches seien oft unstrukturiert und in der digitalen Welt schwieriger zu bewerkstelligen als bei einem physischen Austausch. Dank der Pandemie wurde es möglich, die Wirkung von persönlicher Interaktion während ihres teilweisen Fehlens in den Unternehmen klarer zu erkennen.