# 03 / 2019
25.01.2019

Ausländische Investitionen – Erfolgsfaktor statt Gefahrenquelle für unsere Volkswirtschaft

Der gar nicht so «schrankenlose» Investitionsstandort Schweiz

Auch wenn sich die Schweiz im Grundsatz zwar – mit einigen Ausnahmen (z. B. Landwirtschaft) – als Volkswirtschaft mit hohem Öffnungsgrad und liberalen Rahmenbedingungen auszeichnet, präsentiert sich in Bezug auf den Investitionsstandort die Ausgangslage nicht ganz so eindeutig. Im internationalen Vergleich verfügt die Schweiz sogar über Investitionsschranken, die gesamthaft über dem OECD-Durchschnitt liegen. Während etwa China oder Indien noch markant höhere Hürden für ausländische Investoren aufweisen, präsentieren sich Schweden, Japan, Grossbritannien oder Deutschland als weniger restriktiv als die Schweiz.

Grafik 5: Einschränkungen für ausländische Investoren

Die Schweiz verhält sich bereits heute gegenüber ausländischen Investitionen restriktiver als der OECD-Durchschnitt.

Bei einer eingehenderen Betrachtung zeigt sich, dass die Schweiz insbesondere in den Bereichen Radio/TV, Elektrizität, Immobilien und auch im Transportwesen restriktiver ist als der OECD-Durchschnitt und wichtige Handelspartner. Von einem «schrankenlosen» Investitionsstandort Schweiz, wie es auch Vertreter des Parlaments vermuten (vgl. Postulat 18.3376 ), kann nicht gesprochen werden.

Grafik 6: Restriktionsgrad für ausländische Investoren

Kein «schrankenloser» Investitionsstandort Schweiz.

Konkret existiert eine Vielzahl von Vorschriften für ausländische Investoren in der Schweiz. So kennt etwa das Wettbewerbsrecht eine Fusionskontrolle mit dem Ziel, die Beseitigung des Wettbewerbs bei Firmenübernahmen zu vermeiden. Bei der Übernahme von kotierten Unternehmen regelt wiederum das Börsenrecht Meldepflichten für Beteiligungsübernahmen. Die nachfolgende Auswahl verdeutlicht, dass bereits heute eine Vielzahl von Instrumenten existiert, um bestehende Eigentumsverhältnisse systemrelevanter Infrastrukturen und Unternehmen wirkungsvoll zu schützen.

Sektorübergreifende Regelungen

Fusionskontrolle

Der Schutz des funktionierenden Wettbewerbs wird in der Schweiz in erster Linie über das Wettbewerbsrecht und das Binnenmarktgesetz sichergestellt. Deren Anwendung obliegt der Wettbewerbskommission, einer unabhängigen Bundesbehörde. Ihre Aufgabe ist die Bekämpfung von schädlichen Kartellen, die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, die Durchführung der Fusionskontrolle sowie die Verhinderung staatlicher Beschränkungen des Wettbewerbs und des interkantonalen Wirtschaftsverkehrs.

Meldepflichten

Ein an der Schweizer Börse kotiertes Unternehmen hat das nationale Börsenrecht zu befolgen, welches auch Regelmeldepflichten beinhaltet. Konkret müssen technische und administrative Informationen über die kotierten Effekten und den jeweiligen Emittenten (d. h. das Unternehmen, welches die Wertpapiere herausgibt) wie auch über die zum Handel zugelassenen Effekten rechtzeitig und in geeigneter Form zur Verfügung stehen. Dies kann etwa bei Überschreitung von Stimmrechtsgrenzen infolge Beteiligungserhöhung zutreffen. Damit soll ein geordneter und reibungsloser Effektenhandel gewährleistet werden.

Enteignungsgesetz

Werke im Interesse der Eidgenossenschaft oder von grossen Teilen des Landes können durch den Bund enteignet werden – verbunden mit entsprechenden Entschädigungen.

Landesversorgung

In schweren Mangellagen der wirtschaftlichen Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen kann der Bundesrat Interventionsmassnahmen ergreifen (u. a Pflichtlager, Preissteuerung, Enteignung).

Selbstregulierung

Ein Unternehmen kann sich im Rahmen des Privatrechts selbstständig vor einer Übernahme gegen seinen Willen durch andere Unternehmen schützen (feindliche Übernahme). Auf Basis des Gesellschaftsrechts bieten sich statuarisch verschiedene Optionen, so die Vinkulierung (Verweigerung der Übertragung von Namenaktien), die Stimmrechtsbeschränkung (Beschränkung der Stimmenmacht eines Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe) oder die Einführung von Stimmrechtsaktien (eine Stimme pro Aktie, unabhängig ihres Nennwerts).

Sektorspezifische Regelungen

Nebst sektorübergreifenden Regeln bieten sektorspezifische Vorschriften sowie das Staatseigentum in zahlreichen Bereichen einen wirksamen Schutz sowohl gegen private als auch gegen staatliche ausländische Übernahmen. Gleichzeitig gilt aber im Grundsatz auch das Primat der Marktkräfte. Staatliche Eingriffe sollen nur subsidiär und nur dort erfolgen, wo es unerlässlich ist.

Finanzsektor

Es ist Aufgabe der FINMA, Anleger, Gläubiger und Versicherte zu schützen. Hierfür lizenziert und überwacht sie Finanzdienstleister in der Schweiz (mikroprudenzielle Aufsicht) und greift nötigenfalls mit Zwangsmitteln ein. Über die Stabilität des Finanzsystems wacht die Schweizerische Nationalbank (makroprudenzielle Aufsicht). Hierzu kann sie für den inländischen Bankensektor als Ganzes Vorschriften erlassen (z. B. Kapitalpuffer). Die Regulierung und die Aufsicht über den Finanzmarkt können auch Fragen der Herkunft von Investoren berücksichtigen (siehe Finanzmarkt: Regulierung mit Mass statt Totalumbau, dossierpolitik ).

Immobilien

Die «Lex Koller» (Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland) verbietet Ausländern ohne Niederlassung in der Schweiz den Erwerb von Grundstücken oder die Investition in Wohnimmobiliengesellschaften. Einzig unter Beizug eines lokalen Partners sind Beteiligungen bis 33 Prozent zulässig. Erlaubt ist jedoch der Grundstückserwerb für betriebliche Zwecke.

Verkehr

Infrastrukturen befinden sich entweder in direktem Bundes- und Kantonsbesitz (Strassen) oder im Besitz von Transportunternehmen (Schiene). Die Transportunternehmen sind wiederum grossmehrheitlich öffentlich-rechtliche Aktiengesellschaften gemäss Obligationenrecht. Ausländische Investitionen sind aufgrund dieser Ausgangslage und weiterer gesetzlicher Bestimmungen (Personenbeförderungsregal des Bundes) nicht vorgesehen. Unreguliert ist nur der Freizeitverkehr (z. B. Kapitalpuffer). Beim Güterverkehr gilt auf der Schiene und auf der Strasse grundsätzlich freier Wettbewerb. Ausländische Investitionen in Verkehrsunternehmen sind also grundsätzlich zulässig.

Energie

Die strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft – namentlich die Wasserkraftwerke, die Stromnetze sowie die Gasnetze – befinden sich grossmehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand. Zudem ist im Fall der Wasserkraft sichergestellt, dass die Kraftwerke langfristig dem Willen der öffentlichen Hand nicht entgleiten und nach Ablauf der Konzessionsdauer zwingend an die Gemeinden und Kantone heimfallen. Ein derzeit im Parlament diskutierter Vorstoss möchte jedoch die strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller stellen, was zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen würde.

Telekommunikation

Im Festnetz- und Mobilfunkbereich gilt im Grundsatz der Vorrang des Wettbewerbs. 49 Prozent der Swisscom-Anteile sind ohne Restriktionen an der Börse handelbar. Der Bund behält jedoch mit seinem Mehrheitsanteil die Kontrolle. Massgebende Wettbewerber sind teilweise oder vollständig im ausländischen Besitz. Restriktionen gelten lediglich bei öffentlich-rechtlichen Gesellschaften wie Stadt- und Elektrizitätswerken, die auch Glasfasernetze betreiben.

Gesundheit und Bildung

Beide Bereiche unterliegen zu grossen Teilen der Aufsicht der Kantone. Im Bereich der Grundversorgung sind entsprechende Einrichtungen überwiegend in Form von öffentlich-rechtlichen Organisationen aktiv und somit vor der Kontrolle ausländischer Investoren geschützt. Private Einrichtungen haben zudem ebenfalls umfangreiche gesetzliche Auflagen und Qualitätsanforderungen zu erfüllen.

Wasserversorgung

Es besteht kein Wettbewerbsmarkt, sondern die verfassungsmässig (Art. 76 BV) verankerte Hoheit von Bund und Kantonen. Letztere nehmen ihre Aufgaben grösstenteils über die Elektrizitätswerke wahr. Vereinzelt haben diese ihr Aktionariat sanft geöffnet, allerdings vorwiegend im Rahmen eng definierter «Public-Private Partnerships».

Verteidigung

Der Technologiekonzern RUAG ist als privatrechtliche Aktiengesellschaft organisiert. Ihre Aktien befinden sich jedoch komplett im Eigentum des Bundes. Eine Übernahme durch ausländische Investoren ist damit ausgeschlossen. Weiter ermöglicht das Nachrichtendienstgesetz dem Bundesrat, zusätzliche Tätigkeiten zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz auszuüben.

Von liberal bis stark restriktiv – Regulierungsansätze anderer Länder

Verschiedene Länder verfügen über konkrete gesetzliche Grundlagen für die Kontrolle ausländischer Investitionen im Land. Die entsprechenden Regulierungen betreffen meist Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie als strategisch definierte Infrastrukturen oder Schlüsseltechnologien. Entsprechende Vorschriften reichen von blossen Meldepflichten für bestimmte Sektoren oder Beteiligungsgrenzen bis hin zur zwingenden Genehmigung ausländischer Investitionen. Meistens sind keine Rekursmöglichkeiten bei negativen Behördenentscheiden vorgesehen. Im internationalen Vergleich lässt sich somit kein einheitliches Bild in Bezug auf staatliche Investitionskontrollen zeichnen. Auch wurden in einzelnen Staaten Regeln liberalisiert liberalisiert (z. B. China), während andere restriktivere Vorschriften für ausländische Investoren eingeführt haben (z. B. USA).

Nicht nur, aber insbesondere betreffend strategische Infrastrukturen und Schlüsseltechnologien besteht die Gefahr, dass nicht primär Sicherheits-, sondern vermehrt auch industriepolitische und protektionistische Überlegungen eine Rolle spielen. Die Schweiz verfügt richtigerweise nicht über eine solche interventionistisch ausgeprägte Industriepolitik. Zudem sind die entsprechenden Kriterien, welche Investitionskontrollen rechtfertigen, nicht selten unscharf gefasst und lassen beträchtlichen Interpretationsspielraum offen, was investitionsbereite Unternehmen verunsichern kann.

Tabelle 1: Matrix mit einem Vergleich ausgewählter Staaten

International unterschiedliche politische Hürden für ausländischen Investitionen.

Nebst nationalstaatlichen Regelungen existieren auch auf multilateraler Ebene Prinzipien und Verhaltensregeln in Bezug auf ausländische Investitionen. So verpflichten der OECD-Code für die Liberalisierung im Kapitalverkehr und die OECD-Guidelines für Empfängerländer ausländischer Investitionen im Bereich der nationalen Sicherheit die unterzeichnenden Staaten unter anderem dazu, bei entsprechenden Regulierungen Prinzipien wie Transparenz, Nichtdiskriminierung, Verhältnismässigkeit und Rechenschaftspflichten einzuhalten. Darüber befasst sich eine OECD-Deklaration spezifisch mit den Herausforderungen bezüglich staatlich kontrollierter Investoren Leitlinien im Umgang mit ausländischen Investoren formulierten 2016 auch die G-20-Staaten. Schliesslich untersagt das WTO-Abkommen über den Dienstleistungshandel ausländische Investoren in bestimmten Sektoren gegenüber inländischen Konkurrenten zu diskriminieren.

Hoher administrativer Aufwand für Verwaltung und Wirtschaft

Mit staatlichen Investitionskontrollen sind nicht selten beträchtliche Aufwände seitens der Unternehmen und der kontrollierenden Behörden verbunden. Entscheide gegen ausländische Investitionen sind dennoch relativ selten. Eine aktuelle Auswertung der UNCTAD verdeutlicht dieses Ungleichgewicht von Aufwand und Ertrag: 2016 wurden in Kanada von 737 Fällen lediglich drei Investitionen untersagt. In den USA war es 2016 bis 2017 von 172 Fällen gar nur ein einziger. Auch mit den geplanten Regelungen der EU wäre ein beträchtlicher Mehraufwand verbunden: Gemäss einer Analyse von Copenhagen Economics wären künftig bis zu 1000 Fälle jährlich zu prüfen. Als Konsequenzen genannt werden zusätzliche Kosten für Verwaltung und Unternehmen, zeitliche Verzögerungen bei Investitionsentscheiden und auch ein möglicher Rückgang an Direktinvestitionen.

Tabelle 2: Aufwand und Resultat von Investitionskontrollen

Staatliche Investitionskontrollen: Ungleichgewicht von Aufwand und Ertrag.