# 14 / 2019
03.10.2019

Sustainable Finance als Trend – Wo wollen wir hin?

Ausgewählte Schweizer Akteure im Bereich Sustainable Finance

Parlamentarische Bestrebungen

Politiker auf lokaler und nationaler Ebene verfolgen das Thema Sustainable Finance bereits seit der Jahrtausendwende. Seit 2017 wurden von allen Parteien – mit Ausnahme der SVP – insgesamt über 20 parlamentarische Interventionen eingereicht. Gewisse Vorstösse zielen zum Beispiel auf die steuerliche Entlastung von nachhaltigen Finanzprodukten ab.

Im Sommer 2019 wurde das Postulat 19.3127 als Antwort auf die Publikation von PwC (bezüglich ökonomischer und rechtlicher Konsequenzen des EU-Aktionsplans für den Schweizer Finanzsektor) eingereicht. Dieses verlangt die Beantwortung der Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzsektors vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit gewährleistet werden kann.

Solange parlamentarische Bestrebungen dahin zielen, Hindernisse bezüglich nachhaltigen Investitionsprozessen abzubauen, können sie von economiesuisse befürwortet werden. Einengende Regulierungsbestrebungen sind aus Sicht der Schweizer Wirtschaft jedoch klar abzulehnen.

Der Bund

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an den Arbeiten der zuständigen internationalen Finanzorganisationen und betreibt in diesem Bereich eine sowohl national wie international kohärente Politik.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 24. Februar 2016 die Grundsätze für eine konsistente Politik der Schweiz im Bereich der Finanzmarktpolitik im Zusammenhang mit der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit festgelegt. Demnach wird den marktwirtschaftlich getroffenen Massnahmen Vorrang eingeräumt. Dem Staat soll die Rolle eines Vermittlers und Fazilitators zukommen.

2017 haben das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) Pilottests zur Analyse der Klimaverträglichkeit von Finanzportfolien initiiert. Alle Schweizer Pensionskassen und Versicherungen konnten freiwillig, anonym und kostenlos ihre Aktien- und Unternehmensobligationenportfolien auf ihre Kompatibilität mit dem international vereinbarten Klimaziel, die globale Erwärmung deutlich unter 2 Grad zu halten, testen lassen.

Am 26. Juni 2019 hat der Bundesrat eine erneute Aussprache über einen nachhaltigen Finanzplatz Schweiz geführt und entschieden, eine (rein bundesinterne) Arbeitsgruppe einzusetzen. Unter anderem sollen die Auswirkungen der Entwicklungen in der EU im Bereich des Aktionsplans für nachhaltige Finanzanlagen für den Schweizer Finanzplatz untersucht werden. Zudem soll die Arbeitsgruppe auf einen Abschluss von Branchenvereinbarungen mit den Finanzmarktakteuren hinwirken. Diese sollen insbesondere zur Erhöhung der Transparenz und zu einer Selbstverpflichtung der Branche zu einer repräsentativen Teilnahme an den oben genannten Klimaverträglichkeitstests im Hinblick auf die Erreichung konkreter Ziele führen. Der Bund zielt auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit hin, so dass Kunden und Anlegern gegenüber klare Informationen und damit Entscheidungsmöglichkeiten geboten werden können. Hierzu wurde mit der Branche der Dialog intensiviert. Bis spätestens im Frühling 2020 soll ein Bericht der Arbeitsgruppe vorliegen. Zur Frage, ob und wie der Finanzmarkt reguliert werden soll, will der Bundesrat bis Ende 2019 erneut eine Diskussion anregen. Dabei sollen Rahmenbedingungen festgelegt werden, die es dem Schweizer Finanzplatz erlauben, im Bereich nachhaltiger Finanzen wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben.

Aus Sicht von economiesuisse ist positiv zu werten, dass der Bundesrat der Wirtschaft vorerst einen grossen Spielraum in der Sustainable Finance gewähren will. Die weiteren Entwicklungen – gerade auch in der neu eingesetzten Arbeitsgruppe – werden aber sorgfältig verfolgt. Die Standortbestimmungen des Bundes mittels Pilottests zur Klimaverträglichkeitsmessung der Portfolien werden in dieser freiwilligen Phase als nützlich betrachtet. Damit erhält die Thematik die nötige Aufmerksamkeit.

Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF)

Das SIF als nationales Kompetenzzentrum im Bank- und Finanzwesen misst dem Thema «Sustainable Finance» grosse Bedeutung zu. Es organisierte bereits mehrmals mit den zuständigen Bundesstellen und der Finanzbranche einen «Round Table» zum Thema. Als Ausfluss der Diskussion wurde der bisher verfolgte Ansatz bestätigt, wonach grundsätzlich auf Freiwilligkeit der Finanzbranche und nicht auf regulatorische Vorgaben gesetzt werden soll. Dies zeigt auf, dass die Branche der Auffassung ist, ihren Beitrag zur Erreichung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz (Pariser Klimaübereinkommen, Agenda 2030) aus eigenem Antrieb leisten zu können.

Schweizerische Bankiervereinigung

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) repräsentiert nahezu alle Banken in der Schweiz. Der Verwaltungsrat der SBVg hat «Sustainable Finance» zu einer strategischen Priorität der SBVg erhoben und im September 2019 ein Positionspapier zu «Sustainable Finance» verabschiedet. Ausserdem hat 2019 eine SBVg-Arbeitsgruppe zu Sustainable Finance ihre Tätigkeit aufgenommen. Der Verband setzt sich aktiv dafür ein, dass bestehende regulatorische Hürden in der Schweiz abgebaut und die Rahmenbedingungen für nachhaltige Finanzprodukte insgesamt weiter verbessert werden. Dazu steht die SBVg im Dialog mit allen relevanten Akteuren der Branche, der Behörden und der Zivilgesellschaft.

Damit der Finanzplatz Schweiz zu einem weltweit führenden Hub für «Sustainable Finance» werden kann, müssen aus Sicht der SBVg folgende Punkte konsequent weiterverfolgt werden: 

 

  • Leitlinien für Finanzintermediäre:
    Die Branche entwickelt derzeit Empfehlungen, wie ESG-Kriterien in Produkte, Dienstleistungen und den Beratungsprozess eingebunden werden können.
  • Attraktives Anlageuniversum sicherstellen:
    Die heutigen Wettbewerbsnachteile bei der Ausgabe und Erstellung von nachhaltigen Finanzprodukten müssen abgebaut werden. Durch die Abschaffung der Stempelsteuer und die Anpassung der Verrechnungssteuer können gerade auch für nachhaltige Produkte die Rahmenbedingungen gestärkt werden.
  • Exportfähigkeit stärken:
    Nur wenn die Schweizer ESG-Expertise und -Produkte exportiert und international vertrieben werden können, kann die Schweiz zur nachhaltigen Lenkung der Finanzflüsse beitragen. Dafür muss der Marktzugang für Schweizer Finanzdienstleistungen konsequent verbessert werden.
  • Verbesserungen der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger (BVV2):
    Eine Fokussierung auf die «Prudent Investor Rule» unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien sorgt dafür, dass Pensionskassen das ihnen anvertraute Vorsorgevermögen bereits ab dem ersten Franken zum Wohl ihrer Destinatäre nachhaltig anlegen.
  • International koordinierter Ansatz:
    Die Schweiz muss die internationalen Entwicklungen miteinbeziehen. Sowohl von der Thematik wie auch von der Dynamik her sind ein Alleingang und eine isolierte Fokussierung auf Einzelthemen der falsche Ansatz.

Swiss Sustainable Finance (SSF)

Das Ziel von Swiss Sustainable Finance (SSF) ist es, die Position der Schweiz auf dem globalen Markt für Sustainable Finance mit Aufklärungsarbeit und Netzwerkbildung zu stärken. Der 2014 gegründete Verein ist in Zürich, Genf und Lugano vertreten. SSF hat 132 Mitglieder, darunter eine Vielzahl von Finanzinstituten. Der Verein ist in der Begleitgruppe «Sustainable Finance» des SIF vertreten. SSF stellt fest, dass die Meinungen der betroffenen Schweizer Akteure zum Thema Sustainable Finance noch nicht final gebildet sind; entsprechend sei die Führung von Dialogen in diesem Bereich als positiv zu werten.

In Genf gibt es Sustainable Finance Geneva, ein Verein für Finanzfachleute mit Interesse an Sustainable Finance, der auch von Genève Place Financière unterstützt wird. Die beiden Vereine vertreten Zürich und Genf im International Network of Financial Centres for Sustainability (FC4S).

SFAMA

Die SFAMA erarbeitet in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Swiss Sustainable Finance Guidelines für die Umsetzung nachhaltiger Asset-Management-Lösungen. Sie sollen für die Fonds- und Asset-Management-Industrie ein hilfreiches Tool sein und zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit beitragen.

Schweizer Zivilgesellschaft und Medien

Trotz der intensiven Bestrebungen der Finanzbranche versuchen derzeit mehrere Schweizer NGO Druck für Sustainable Finance aufzubauen. Greenpeace beispielsweise hat Berichte zu Finanzierungen von Credit Suisse und UBS publiziert. Seit 2012 ermutigt WWF Schweiz den Finanzsektor, Nachhaltigkeitskriterien in ihre Investitions- und Kreditentscheidungen zu integrieren. PwC Schweiz und WWF Schweiz haben basierend auf dem LCR Services-Rechtsgutachten (siehe weiter oben) eine Studie zu den ökonomischen und rechtlichen Auswirkungen des EU-Aktionsplans «Finanzierung nachhaltigen Wachstums» auf die Schweiz verfasst. Darauf aufbauend fordern PwC und WWF Schweiz unter anderem, dass der Bundesrat die Bundesverwaltung beauftragt, einen Sustainable Finance-Aktionsplan für die Schweiz auszuarbeiten. Dieser solle legislative Massnahmen und Anreize umfassen, damit die Schweiz in der Sustainable Finance ihre Führungsrolle zurückgewinnt. In der Klima-Allianz Schweiz haben sich mehr als 70 Organisationen aus dem Bereich Umweltschutz zusammengetan, um das Bewusstsein der Schweizer Öffentlichkeit für die Klimafolgen des Finanzsektors zu erhöhen.

Zuletzt wurden neue und extremere Aktivitätsformen angewandt. Am 8. Juli 2019 besetzten Aktivisten die Eingänge von CS und UBS am Zürcher Paradeplatz. Mit dem Protest versuchten sie zu verhindern, dass Angestellte der Bank das Gebäude betreten. Wie die Sprecherin von Collective Climate Justice sagte, fordern die Aktivisten mit dieser Aktion die Finanzinstitute auf, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren (Tages-Anzeiger vom 9. Juli 2019). Die Organisatoren kündigten schweizweit weitere ähnliche Aktionen an. Diese Entwicklung schätzt economiesuisse als schädlich und kontraproduktiv für das Anliegen ein.

Auch die breite Bevölkerung wird immer stärker mit dem Thema Sustainable Finance konfrontiert. Die Medienberichterstattung zu Fragen der Sustainable Finance hat seit 2015 erheblich zugenommen. Die SSF-Website erwähnt mehr als 70 Medienberichte für das Jahr 2018.