# 6 / 2022
30.06.2022

Lehren aus der Corona-Pandemie

Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie war und ist für alle Involvierten eine lehrreiche Zeit. Niemand in der Schweiz hat eine solche Gesundheitskrise bisher erlebt. Es mussten unerwartete Probleme angepackt werden. Und meistens waren rasche Entscheidungen notwendig. Es ist verständlich, dass in einer solchen Situation nicht alles rund läuft. Es gilt nun aber genau hinzuschauen, wie die Schweiz in der Krisenbewältigung besser werden kann. In diesem Kapitel werden einige Erkenntnisse hervorgehoben, die aus Sicht der Wirtschaft besonders wichtig sind.

2.1 Fehlende Krisenorganisation führte zu einem Verwalten der Krise

Kern eines aktiven Krisenmanagements ist es, auf verschiedene Entwicklungen vorbereitet zu sein und auf Unerwartetes rasch und zielgerichtet reagieren zu können. Das Führen in einer Krise erfordert von den Mitarbeitenden andere Kompetenzen als die übliche Arbeit in der öffentlichen Verwaltung. Leider war beim Bund zu Beginn der Corona-Pandemie zu wenig Wissen und Erfahrung darüber vorhanden, wie eine Pandemiebekämpfung effektiv und effizient geführt wird. Es gab kein übergeordnetes Krisenmanagement, sondern nur ein koordiniertes Verwalten der Krise.

Der Bund verfügt eigentlich über einen Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB). Gemäss Artikel 7 des Bundesgesetzes über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz ist dieser das Koordinationsorgan des Bundes «bei Katastrophen und Notlagen, für deren Bewältigung er zuständig ist, sowie bei bewaffneten Konflikten». Dieser Bundesstab wurde aber nie richtig eingesetzt. Stattdessen wurde am 20. März 2020, also über ein Monat nach dem ersten Corona-Fall in der Schweiz und erst vier Tage nach dem Lockdown, ein Ad-hoc-Krisenstab Corona (KSBC) einberufen, und der Bundesstab Bevölkerungsschutz wurde ihm unterstellt.. Der Ad-hoc-Krisenstab musste zuerst eine Geschäftsstelle aufbauen, während er bereits in hoher Kadenz wichtige Entscheidungen zu treffen hatte. Im Schlussbericht des Innendepartements (EDI) ist festgehalten, dass der Krisenstab Corona vor allem «Koordinationsplattform, Impulsgeber und Ventilfunktion der Departemente» war. Er hat nie von seinen Weisungsbefugnissen Gebrauch gemacht und wird von den Mitgliedern «eher als Begleit- denn als Entscheidungsgremium bezeichnet». Es war zudem nicht immer klar, «wie den Diskussionen (im KSBC) im Einzelnen Folge geleistet wurde». Die Prozesse in der Bundesverwaltung liefen zwar massiv schneller, waren aber grösstenteils gleich definiert wie in Normalzeiten. Es wurde einzig den departementalen Normal- und Krisenorganisationen ein neues Koordinationsgremium übergestülpt. Die Departemente konnten weiterhin eigenständig entscheiden. Es gab keine Instanz in der Verwaltung beziehungsweise im Krisenmanagement, welche die Umsetzung der Entscheide der Krisenstäbe einforderte.

Durch die Ansiedlung des Krisenstabs beim BAG bzw. EDI stand die Perspektive der Gesundheitsversorgung im Vordergrund. Obwohl es sich eindeutig um eine gesundheitliche Krise handelte, wäre es trotzdem wichtig, dass die weiteren Aspekte die gleiche Beachtung erhalten. So hat nicht jederzeit eine vollständige Güterabwägung stattgefunden, und wirtschaftliche Aspekte wurden nicht immer genügend berücksichtigt. So wurde beispielsweise zu Beginn der Pandemie der Wert von Schutzkonzepten in Unternehmen zu wenig anerkannt. Ebenso hat eine internationale Koordination in Bezug auf Reisebeschränkungen, Quarantäne usw. nicht immer ausreichend stattgefunden.

Das im Epidemiengesetz vorgesehene «Koordinationsorgan Epidemiengesetz» (KOr EpG) , das für die Koordination mit den Kantonen zuständig wäre, wurde nicht eingesetzt, obwohl die Koordination zwischen den Kantonen nicht immer optimal war. Bezeichnenderweise herrschten daher beim Übergang in die besondere Lage im April 2020 Unklarheiten bezüglich der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen und taten sich die Kantone im Sommer und Herbst 2020 schwer, koordiniert aufzutreten und zu entscheiden.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Best-practice-Ansätze bezüglich geeigneter Massnahmen wurden von den Behörden oft spät und teilweise unkoordiniert berücksichtigt. Das BAG versuchte den mangelnden Einbezug der Wissenschaft durch die Gründung der Swiss National Covid-19 Science Task Force zu beheben, förderte damit aber auch die Kakophonie in der Kommunikation und verpasste es, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Krisenmanagement institutionell richtig einzubetten. Eigentlich gäbe es auf Ebene Bund die «Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung» (EKP) , die für die Unterstützung der Behörden bei der Bewältigung einer Pandemie geschaffen wurde. Doch sie scheint ihre Funktion während der Corona-Pandemie nicht wahrgenommen zu haben und spielte in der unmittelbaren Bekämpfung der Pandemie keine Rolle. Einer der Gründe dürfte sein, dass sie personell für eine Krisensituation zu dünn besetzt ist.

2.2 Mangelnde Vorbereitung und fehlendes frühzeitiges Planen in Szenarien

Exakte Prognosen sind stets eine schwierige Angelegenheit. In aussergewöhnlichen Situationen gilt dies ganz besonders, denn das Erstellen einer Prognose wird in Krisen um ein Vielfaches komplexer. Die grosse Unsicherheit muss in verschiedenen Szenarien abgebildet werden, damit rasch darauf reagiert werden kann. Diese Szenarien sollten breit gefächert mögliche Entwicklungen abbilden und nach ihrer Eintretenswahrscheinlichkeit gewichtet werden. Abgeleitet aus den unterschiedlichen Szenarien können unterschiedliche Eventualplanungen vorgenommen werden. Darin sollte verankert sein, wer wann welche Entscheidungskompetenzen hat.

Leider wurde dieser wichtige Grundsatz – Planen in Szenarien – in der Corona-Krise viel zu wenig angewendet. Das gilt sowohl auf Stufe Bund als auch für die Kantone, deren hoheitliche Aufgabe die Gesundheitsversorgung gemäss gültiger Gesetzeslage ist, worunter auch die Vorsorge für den Fall einer Epidemie fällt. Die Kantone müssten ihre Vorbereitungen laufend überprüfen und anpassen. Ebenso müssten sie sicherstellen, dass in den Unternehmen im Gesundheitswesen Risikoanalysen erstellt und angemessene Vorbereitungsmassnahmen getroffen wurden. Eine der Konsequenzen der mangelnden Planung war, dass vorbereitende Massnahmen (z.B. die Lagerhaltung von kritischen Gütern in den Spitälern) sträflich vernachlässigt wurden. So zeigte sich zu Beginn der Pandemie, dass beispielsweise nicht genügend Masken und Desinfektionsmittel vorrätig waren. Und die Planung der Kapazitäten auf den Intensivpflegestationen (IPS) war für den Normalbetrieb zwar ausreichend, erwies sich aber für den Krisenfall als ungeeignet. Die Koordination der schweizweiten Belegung der IPS-Betten erfolgte teilweise mit rudimentären Mitteln und der Ausbau der Kapazitäten musste ad hoc erfolgen, anstatt auf Vorhalteleistungen in Bezug auf Betten und ausgebildetes Personal zurückgreifen zu können. Als Konsequenz mussten zu viele sogenannt nicht dringliche Eingriffe verschoben werden, damit Belastungsspitzen gebrochen werden konnten.

Der Bund publizierte sehr spät erstmals Szenarien zur Entwicklung der Pandemie. Dies erfolgte erst am 30. März 2022 im Rahmen der Vernehmlassung zum «Grundlagenpapier zur mittel- und längerfristigen Entwicklung der Covid-19-Epidemie und zum Wechsel in die normale Lage». Davor wurden Forderungen nach der Entwicklung bzw. Veröffentlichung von Szenarien von den zuständigen Behörden als nicht realistisch zurückgewiesen, weil die Entwicklung der Pandemie nicht vorhersehbar sei und es daher auch nicht möglich sei, geeignete Massnahmen im Voraus zu definieren. Dadurch ging aber oftmals wertvolle Zeit verloren. Die Folge davon war, dass der Bundesrat sich alle zwei Wochen über grundlegende Fragen beugen musste. Die Pandemie trieb alle involvierten Akteure beim Bund und den Kantonen vor sich her. Sie konnten nur auf die neusten Entwicklungen reagieren, statt dass sie dank Planung in Szenarien vorbereitet waren. Mit einer guten Planung hätten sie mit mehr Ruhe situationsgerecht aus den vorbereiteten Optionen die angemessenen Massnahmen auswählen können. Beispiele dafür sind der zu langsame Start der Booster-Impfungen oder das Thema Testungen. Es hätte viel früher auf eine umfassendere Teststrategie gesetzt werden müssen, statt erst im März 2021.

2.3 Datenmanagement: Pandemiepolitik darf nicht im Blindflug betrieben werden

Die Schweiz befand sich während der ersten beiden Pandemiejahre weitgehend im Blindflug. Das Datenmanagement war mangelhaft. So gab es beispielsweise nie Echtzeitdaten zur Auslastung der IPS-Stationen in den einzelnen Spitälern, obwohl es früher entsprechende Systeme gab. Für die Euro 2008 wurde beispielsweise ein System für die Spitalbelegungsplanung verwendet, das damals permanent aufdatiert wurde. Via Lagedarstellung der nationalen Alarmzentrale konnten Bund und Kantone damals auf diese Informationen zugreifen. Während der Pandemie standen sie hingegen nicht ausreichend zur Verfügung. So mussten sich beispielsweise Angestellte auf den IPS-Stationen unterschiedlicher Spitäler teilweise über WhatsApp über die Auslastung und allfällige Verlegungen austauschen. Noch im Winter 2021/22 dauerte es gemäss Aussagen der Covid-19 Science Task Force zwei Wochen, bis dem Bund 90 Prozent der Neuhospitalisierungen bekannt waren. Anders gesagt: Der Bund wusste erst mit zwei Wochen Verspätung, wie sich die Situation in den Spitälern präsentierte, und auch dann waren die Daten immer noch sehr unvollständig. Auf Basis solch schlechter Daten ist ein rasches, zielorientiertes und effektives Handeln fast unmöglich. Dies führte unter anderem dazu, dass die Kapazitäten ineffizient genutzt wurden. Während einige Spitäler überlastet waren, verfügten andere über ausreichend Kapazitäten. Insgesamt wurden dem BAG im ersten Pandemiejahr 2020 gemäss einer Auswertung des Bundesamts für Statistik nur 64 Prozent der hospitalisierten Patientinnen und Patienten gemeldet, obwohl gemäss Epidemiengesetz eine Meldepflicht besteht.

Die Folgen der unzureichenden Digitalisierung im Gesundheitswesen haben sich deutlich gezeigt. Daten und Schnittstellen waren nicht ausreichend definiert und der Datenerhebungsprozess bei den Leistungserbringern nicht integriert. Die Folge davon war, dass es Medienbrüche und fehlende Datenlieferungen gab. Das Datenmanagement verursachte Zusatzaufwände, die hätten vermieden werden können. So mussten zum Beispiel die Ärzte für die Meldung von Covid-19-Erkrankungen ein zusätzliches, separates Meldeformular ausfüllen. Auch für ein schweizweit effektives und effizientes Testing, Tracing, Isolation und Quarantäne (TTIQ) sind effiziente, digitale Instrumente inklusive Einbindung der Tracing-App erforderlich.

Im Gesundheitswesen fehlen wichtige digitale Grundbausteine

Während der Corona-Pandemie rächte sich das Fehlen von etablierten digitalen Prozessen. Das erforderliche Fundament an Technologien und Prozessen fehlte, da notwendige digitale Innovationen in den Jahren vor der Pandemie verschlafen wurden. Mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) und der elektronischen Identifikation (E-ID) fehlten zwei wichtige Grundbausteine, die eine etablierte, digitale Kommunikation zwischen Spitälern und Behörden vereinfacht hätten. Dies muss nun so rasch wie möglich korrigiert werden. Dabei sollten die Kompetenzen der Privatwirtschaft berücksichtigt werden; das Rad muss nicht neu erfunden werden.

Gemeinsam mit dem überfälligen digitalen Strukturwandel gilt es eine informierte und zielführende Entscheidung über die Sicherheit der digitalen Daten zu treffen. Der Trade-off zwischen Nutzen und Schutz muss so gelöst werden, dass die Daten gut geschützt werden, dies den Zweck eines digitalen Instruments aber nicht so stark einschränkt, dass der Nutzen die Kosten nicht mehr überwiegt. Mit einem elektronischen Patientendossier könnten Fragen der Datensicherheit grundsätzlich geregelt werden, so dass sie nicht bei jeder neuen Anwendung erneut verhandelt werden müssen. So können auch nutzerfreundliche Grundsätze wie das «once only»-Prinzip konsequent auf neue Tools angewendet werden und müssten wichtige Gesundheitsdaten nur einmal erhoben werden. Schliesslich bilden gut strukturierte Gesundheitsdaten ein riesiges Feld für die Forschung, falls die Patienten dafür ihre Einwilligung geben können. Mehr dazu finden Sie in unserem Dossierpolitik.

2.4 Verwirrliche Kommunikation

Eine gute Krisenkommunikation ist zentral. Der Bundesrat hat oft darauf gesetzt, dass Bevölkerung und Unternehmen die beschlossenen Massnahmen eigenverantwortlich umsetzen. Das setzt voraus, dass diese verständlich und nachvollziehbar vermittelt werden. Dies ist dem Bundesrat bei seinen Auftritten zu Beginn der Pandemie mehrheitlich gelungen. Doch je länger die Krise dauerte und je mehr Medienkonferenzen es gab, desto verwirrlicher wurde die Kommunikation. Weniger wäre manchmal mehr gewesen. Es gab viele Pressekonferenzen von Experten der Verwaltung oder der Wissenschaft im Medienzentrum des Bundes, und deren Aussagen haben sich teilweise oder dem Bundesrat widersprochen. So war es für die Bürgerinnen und Bürger manchmal schwer nachvollziehbar, was nun gilt. Zudem ging irgendwann das Gefühl der Dringlichkeit verloren, weil repetitiv eindringlich gemahnt wurde. In der akutesten Phase der Pandemie mit einem hohen Informationsbedürfnis war eine hohe Kadenz von Medienkonferenzen sicher angebracht. In den letzten Monaten fanden aber zu viele davon statt. Insbesondere die Kommunikation der Massnahmen durch den Bundesrat war für die Bevölkerung teilweise verwirrlich. Zuerst wurden Massnahmen vorgestellt, die in die Vernehmlassung geschickt wurden, und zwei Wochen später kommunizierte man dann, was nun wirklich gelten sollte. Es würde sich eine Hierarchisierung der Art der Mitteilung und des Überbringers der Botschaft anbieten: Der Bundesrat stellt nur finale Beschlüsse an Medienkonferenzen vor, Ankündigungen von Vernehmlassungen usw. werden von den zuständigen Personen aus der Bundesverwaltung kommuniziert.

Leider hat die Schweiz nie die gewünschte Impfquote erreicht und haben sich gute technische Lösungen wie die SwissCovid-App nicht durchgesetzt. Selbst der Zertifikats-App wurde aus gewissen Kreisen Skepsis entgegengebracht. Die Grundaufklärung über den Nutzen einer Impfung hätte früher begonnen werden können, damit die Bevölkerung bereits vor dem konkreten Impftermin eine positive Meinung zum Thema Impfen hat. Ebenso hätte das Vertrauen in technische Lösungen in der Öffentlichkeit stärker gefördert werden können. Denn die SwissCovid-App und das Zertifikat sind aus Sicht der technischen Innovation als Erfolge zu werten.

2.5 Demokratische und föderale Entscheidungswege fördern die Akzeptanz

Es ist eine ausgewiesene Stärke, dass die meisten Entscheide in den demokratischen Strukturen partizipativ und unter Einbezug der relevanten Stakeholder gefällt werden konnten. Nur während der ausserordentlichen Lage hat der Bundesrat allein bestimmt. Nach dieser kurzen Phase war der Einbezug aller Gruppen jederzeit gegeben. Verständlicherweise war aufgrund der Dringlichkeit weniger Zeit für den Austausch und konnte nicht jedes Detail ausdiskutiert werden. Aber immerhin konnte sogar das Stimmvolk zweimal über das Covid-19-Gesetz abstimmen. Dies ist weltweit aussergewöhnlich.

Der Föderalismus hat seine guten und schlechten Seiten gezeigt. So konnten gute kantonale Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie, beispielsweise das Bündner Testmodell, vom Bund und den anderen Kantonen übernommen werden. Nichtsdestotrotz hätte die schweizweite Verbreitung guter kantonaler Beispiele oftmals schneller gehen können.

In der besonderen Lage zeigte sich die Schwierigkeit, dass Bund und Kantone überlappende Kompetenzen haben und sich nicht einig waren, wer entscheiden soll und manche Entscheidungen vor sich herschoben. Die Kantone haben im Sommer und Herbst 2020 teilweise darauf gewartet, dass der Bund schweizweite Regelungen beschliesst, während der Bundesrat wollte, dass jeder Kanton gemäss den gesetzlichen Vorgaben der besonderen Lage seine eigenen Massnahmen definiert. Es hat sich in dieser Zeit gezeigt, dass unangenehme Entscheidungen gerne dem Bund überlassen werden; sei es, weil man nicht Überbringer der negativen Nachrichten sein wollte, sei es, weil man die Kostenfolgen fürchtete. 2021 und 2022 hat dann grösstenteils der Bund entschieden, nach jeweiliger Konsultation der Kantone. Diese kurzfristigen Konsultationen waren zwar für die Entscheidungsfindung in und zwischen den Kantonen nicht optimal, da oftmals notwendige Absprachen verwaltungsintern und -extern nicht gemacht werden konnten. Immerhin hat der Einbezug die Akzeptanz der Entscheide in den Kantonen, welche die Massnahmen um- und durchsetzen mussten, erhöht. Ein früherer Austausch hätte den Kantonen aber geholfen, die neusten Massnahmen des Bundes rascher umzusetzen. Dies war beispielsweise beim Impfen nicht der Fall. Sie erhielten die Informationen vom Bund zu kurzfristig, zum Teil sogar gleichzeitig mit der Öffentlichkeit.

Ein weiterer Nachteil des Föderalismus war, dass die unterschiedlichen kantonalen Massnahmen für gesamtschweizerische Arbeitgeber in der besonderen Lage nicht immer einfach umzusetzen waren, da die Kantone für gewisse Massnahmen unterschiedliche Verfahren mit kantonalen Registrierungen und unterschiedlichen Abläufen oder Vorgaben vorgesehen haben (z.B. im Rahmen der Betriebsimpfungen oder Betriebstestungen). Die Ursache lag wohl auch darin, dass die Kantone die Lage unterschiedlich beurteilten.

2.6 Probleme an der Wurzel anpacken: Kurzarbeitsentschädigung und Liquiditätshilfen als effizienteste Wirtschaftshilfen

Der Bund unterstützte die Direktbetroffenen stark. Als wichtigste Instrumente haben sich die Kurzarbeitsentschädigung (15,1 Milliarden Franken in den Jahren 2020 und 2021), der Corona-Erwerbsersatz (4 Milliarden Franken in den Jahren 2020 und 2021) und die Covid-19-Überbrückungskredite im Umfang von 16,9 Milliarden Franken zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen erwiesen. Sie haben einerseits sichergestellt, dass die Kaufkraft in der Bevölkerung und damit die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen grösstenteils erhalten blieb. Andererseits bewirkten sie, dass Unternehmen mit Liquiditätsengpässen weiter produzieren konnten. Dadurch konnten die gesunden wirtschaftlichen Strukturen durch die akutesten Phasen der Pandemie gerettet werden. Die Instrumente waren zielgerichtet: Das Geld ist tatsächlich bei den Betroffenen, bei denen der Schaden angefallen ist, angekommen. Sie zeigten somit eine direkte Wirkung, eine Kettenreaktion konnte verhindert und der Konjunktureinbruch in Grenzen gehalten werden. Ergänzt wurden diese beiden wichtigsten Instrumente (Covid-19-Kredite und Kurzarbeitsentschädigung) insbesondere durch das Härtefallprogramm im Umfang von 4,7 Milliarden Franken «à fonds perdu» und 226 Millionen Franken an gesprochenen Darlehen, Bürgschaften und Garantien. Die Härtefallprogramme waren insbesondere für die geschlossenen Branchen wichtig, obwohl damit der notwendige Strukturwandel teilweise aufgehalten wurde, worauf beispielsweise die unterdurchschnittliche Anzahl von Konkursen in dieser Periode hindeutet.

Am Beispiel der Covid-19-Kredite zeigt sich, dass eine Zusammenarbeit der Behörden mit der Privatwirtschaft rasch zu guten Lösungen führen kann, wenn für die Erarbeitung und Implementierung solcher Notmassnahmen im Sinne der Miliztradition der Schweiz auf das Know-how des Privatsektors (im Falle der Covid-19-Kredite auf die Banken) zurückgegriffen werden kann. Ebenso haben die Unternehmen gezeigt, dass sie mit geeigneten Schutzkonzepten ihre Belegschaft ohne detaillierte behördliche Anweisungen gut schützen können. Insbesondere in internationalen Firmen wurden teilweise bereits im Februar oder März 2020 Schutzkonzepte implementiert – also noch vor dem Lockdown. Danach haben die Unternehmen sich laufend an die neusten behördlichen Vorgaben angepasst. Dabei waren aber bei gewissen Themen, wie zum Beispiel der Bedeutung guter Raumluftqualität, unternehmerische Kreise den Behörden oftmals einen Schritt voraus. Sobald die Behörden sich nicht auf grundsätzliche Regulierungen beschränkten, sondern zu stark in die Details eingriffen, wurde es verwirrlich. Ein drastisches Beispiel sind die im Frühling 2020 erlassenen Bestimmungen, was im Detailhandel noch verkauft werden darf, oder welche Betriebe systemrelevant sind und nicht geschlossen werden, oder welche Eingriffe in Spitälern noch durchgeführt werden dürfen. Während der nachfolgenden Covid-19-Wellen konnten die Spitäler freier agieren. Sie haben es dabei besser geschafft zu entscheiden, für welche Operationen sie noch Kapazitäten haben und welche sie verschieben müssen. Dadurch mussten nach den jeweiligen Wellen weniger Operationen nachgeholt werden, ohne dass die IPS-Stationen während der Wellen massiv überlastet waren.