Zwei Personen auf einem modernen Gebäude

Unternehmensverantwortung: Gegenvorschlag ist vorbildlich

Seit Jahresbeginn ist in der Schweiz der Gegenvorschlag des Parlaments zur Unternehmensverantwortungsinitiative in Kraft. Das Gesetz ist in wichtigen Punkten der EU-Regulierung nachgebildet und geht bei einigen Punkten, beispielsweise bei der Kinderarbeit, sogar darüber hinaus. Die EU diskutiert derzeit eine Weiterentwicklung ihres Ansatzes. Dabei zeigt sich vor allem, dass extreme Haftungsinstrumente, wie sie die Initiative vorsah, kein Thema sind. Anstatt in Diskussionsmuster aus dem Abstimmungskampf zu verfallen, sollte die Schweiz nun vor allem Erfahrungen mit den neuen Bestimmungen sammeln.

Die EU-Kommission präsentierte letzte Woche ihren Richtlinienvorschlag zur Weiterentwicklung der bisherigen Regeln zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Dieser wird voraussichtlich für die nächsten Jahre die Basis für die politische Diskussion in der EU sein. Er richtet sich an EU-Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro und über 500 respektive 250 Mitarbeitenden. Unternehmen ausserhalb der EU sind betroffen, wenn sie in der EU mehr als 150 Millionen Euro respektive 40 Millionen Euro umsetzen. KMUs sind nicht direkt betroffen.

Der Schweizer Gegenvorschlag ist vorbildlich und modern

Die vormaligen Initianten der Unternehmensverantwortungsinitiative (UVI) deuteten den EU-Vorschlag als Meilenstein, der den neuen Gegenvorschlag der Schweiz bereits wieder alt aussehen liesse. Diese Behauptung ist offensichtlich falsch. Die EU schlägt nicht etwa die Instrumente der UVI vor. Was die EU vorschlägt, ist eine Weiterentwicklung ihrer bisherigen Regeln. Derjenigen, welche die Basis für die aktuelle Regelung in der Schweiz sind. Im Zentrum geht es vor allem um den Ausbau der Sorgfaltsprüfungspflichten. Vielsagend ist dabei insbesondere der Blick auf die vorgeschlagenen Sanktionierungsmassnahmen. Darin ist nirgends von einer Haftung mit Beweislastumkehr die Rede, ebenso wird auch nicht ausschliesslich auf Zivilhaftung gesetzt. Vielmehr wird ein Mix aus behördlichen Sanktionen und Haftung vorgeschlagen. Es obliegt den EU-Mitgliedstaaten, wie sie die Durchsetzung auf nationaler Ebene organisieren wollen. Die Haftung ist eingegrenzt und die Klägerschaft muss immer umfassend den Beweis der Sorgfaltspflichtsverletzung erbringen. Das ist ein grundlegender Unterschied zu den an der Urne verworfenen extremen Forderungen der UVI.

Aus Sicht der internationalen Gemeinschaft reguliert die Schweiz mit ihrem Gesetz den Bereich Menschenrechte und Umweltschutz modern und vorbildlich. Dies zeigt ein Blick auf die Übersicht von Shift, einem US-Kompetenzzentrum im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte eindrücklich. Unser Land ist in dieser wichtigen und objektiven Übersicht ausserdem eines derjenigen Länder, in dem die Regulierung bereits in Kraft ist.

Die Umsetzung des EU-Vorschlags bleibt weiter offen

Was die EU-Kommission zur Weiterentwicklung ihrer bisherigen Regeln vorschlägt, dürfte unter den EU-Mitgliedern zu kontroversen Diskussionen führen. Es ist noch völlig offen, wie das EU-Parlament und die EU-Mitglieder auf die Vorschläge reagieren werden und es regt sich bereits Kritik an wichtigen Punkten.

Kritisiert werden dabei unter anderem die vorgeschlagenen EU-Haftungsbestimmungen, die unklare Definition der Wertschöpfungskette, die Verantwortung der Geschäftsführer und dass aufgrund der neuen Regeln globale Lieferketten zum Nachteil armer Regionen gekappt werden könnten.

Schweizer Unternehmen sind bei der Umsetzung des Gegenvorschlags gefordert

Die Schweiz hatte sich mit ihrer Lösung an der bisherigen Regulierung in der EU orientiert. Sie ist daher auch in der Lage, auf Basis ihrer eigenen Regeln, souverän auch neue Regeln der EU nachzuziehen. Dabei muss deren Ausgestaltung und Umfang aber klar sein. In der EU ist man derzeit noch nicht soweit.

Daher ist es unangemessen, aus den aktuellen Entwicklungen in der EU bereits heute Forderungen nach weitgehenden Gesetzesverschärfungen in der Schweiz abzuleiten. Für unsere Unternehmen gilt es jetzt zuerst, die neuen Regeln der Schweiz anzuwenden und mit ihnen wichtige Erfahrungen zu sammeln.