Europakarte mit grosser Markierung für kleine Schweiz

Souveräner Kleinstaat Schweiz: ein Auslaufmodell?

Corona und der Weg aus der Krise standen am heutigen Tag der Wirtschaft im Zentrum. Präsident Heinz Karrer warnte vor den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und appellierte an die Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sich auf die wirtschaftspolitischen Erfolgsfaktoren zurückzubesinnen. Bundesrätin Viola Amherd mahnte, an der Schuldenbremse festzuhalten, damit die Schweiz auch künftige Krisen meistern könne. Und IWF-Chefökonomin Gita Gopinath sprach über die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns weltweit und über den zunehmenden Druck auf sichere Häfen wie die Schweiz.

Globale Herausforderungen wie Pandemien oder Klimawandel erfordern eine internationale Zusammenarbeit, die lösungsorientiert und für alle Staaten fair ist. Allerdings machen die Grossmächte derzeit ihren Einfluss in der Weltwirtschaft stärker geltend und die Macht des Stärkeren setzt sich in der internationalen Politik wieder vermehrt durch.

Was bedeutet das für kleine Staaten wie die Schweiz? Ist der erfolgreiche Kleinstaat ein Auslaufmodell? Wie kann sich die Schweiz international behaupten und nach der Corona-Krise wieder zum Erfolg zurückkehren? Diese und viele weitere Fragen standen im Zentrum des heutigen Tags der Wirtschaft von economiesuisse, der zum ersten Mal als reine Onlineveranstaltung durchgeführt wurde.

«Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden nun nach und nach sichtbar. Sie sind dramatisch», sagte Heinz Karrer in seiner Ansprache. Sowohl die Binnenwirtschaft wie auch die Exportindustrie leiden. Und die wirtschaftliche Krise sei noch lange nicht ausgestanden, betonte er. Die Politik habe es nun in der Hand, die Weichen für die Zeit nach Corona so zu stellen, dass unsere Volkswirtschaft bald wieder so stark sein wird wie vorher.

Was also ist zu tun? Erstens müssten sich kleine Staaten wie die Schweiz auf völkerrechtliche Verträge berufen und diese auch durchsetzen können – falls nötig mit juristischen Mitteln und unabhängig von der politischen Gewichtsklasse eines Landes, sagte Karrer. Zweitens brauche die Schweiz eine Rückbesinnung auf ihre Stärken, die dem Land wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand gebracht hätten. Zum Erfolgsmodell Schweiz gehört laut Karrer etwa die Fokussierung des Staates auf seine Kernaufgaben. Zur Basis unseres Erfolgs gehörten auch die Freiheitsrechte wie Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsgarantie, eine unabhängige Nationalbank und eine griffige Schuldenbremse. Als Exportland brauche die Schweiz jetzt mehr denn je wirtschaftliche Offenheit, Innovation, Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheiten.

«Wir dürfen unseren Wirtschaftsstandort nicht unnötig schwächen!», warnte er. Zum Beispiel durch eine Annahme der Kündigungsinitiative am 27. September. Diese gefährde das ganze Vertragspaket der Bilateralen I. Sie seien aber das Fundament, auf dem die Schweiz ihre Beziehungen mit der EU geregelt hat. Dank der Bilateralen ist die Schweizer Volkswirtschaft stark gewachsen. Die Kündigungsinitiative würde diese Erfolgsgeschichte beenden. Die EU ist und bleibt die weitaus wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Deshalb lehnt die Wirtschaft die schädliche Vorlage entschieden ab.

Auch eine Annahme der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) am 29. November würde den Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen, warnte Heinz Karrer. Zielführender als die Initiative sei der Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament. Die Wirtschaft unterstütze diesen griffigen Gegenvorschlag und lehne diese extreme Initiative dezidiert ab.

Die Corona-Krise sei zwar massiv, aber sie habe nicht alles zerstört. Die wirtschaftliche, institutionelle und gesellschaftliche Struktur der Schweiz sei weiterhin intakt. Heinz Karrer: «Die bewährten wirtschaftspolitischen Erfolgsfaktoren der Schweiz helfen uns auf dem Weg zurück zur alten Stärke!»

Mit Blick auf die Zukunft steht die Schweiz also vor der Entscheidung: mehr Staat oder mehr Eigenverantwortung? Was ist zu tun, in diesen Zeiten? Soll die Schweiz zum Beispiel ihren Selbstversorgungsgrad erhöhen? Diese Frage wurde in der Jugenddebatte engagiert diskutiert. Gewarnt wurde auch hier vor einer Abschottung der Wirtschaft, bei der es am Ende nur Verlierer gäbe.

Im Talk mit Moderator Urs Gredig sprach Gita Gopinath, die Chefökonomin des IWF, über die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns in vielen Ländern der Welt. Sie zeigte auf, wie die Regierungen mit der Pandemie umgingen, aber auch, welche Nachwirkungen Corona auf die Regulierungen hatte und wie der Druck auf sichere Häfen wie die Schweiz verstärkt wurde.

Wie der Bund die Coronakrise bisher gemeistert hat und ob der Wirtschaft ausreichend Rechnung getragen wurde, haben vier Parlamentarierinnen und Parlamentarier diskutiert, die im Herbst neu in die eidgenössischen Räte gewählt wurden: Mike Egger (Nationalrat SVP), Johanna Gapany (Ständerätin FDP), Simon Stadler (Nationalrat CVP) und Gabriela Suter (Nationalrätin SP). Auch in dieser Debatte zeigte sich, dass es keine einfachen Rezepte gibt. Wohl aber Faktoren, die der Schweiz seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand gebracht haben.

Bundesrätin Viola Amherd wies im Gespräch mit Urs Gredig eindringlich auf die hohe Bedeutung der Schuldenbremse hin. Gesunde Staatsfinanzen seien enorm wichtig, um als Volkswirtschaft auch Krisensituationen wie diese überstehen zu können.

In seinem Grusswort betonte auch der neue Präsident Christoph Mäder, wie wichtig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bleibt. Gerade jetzt dürfe die Attraktivität des Standorts Schweiz nicht mit riskanten Experimenten wie die Kündigungsinitiative oder die UVI gefährdet werden.

Zum Schluss verabschiedete sich Heinz Karrer von den Gästen. Noch bis zum 27. September wird er sich «mit Schwung und Leidenschaft» gegen die Kündigungsinitiative engagieren. Heinz Karrer: «Zu viel steht auf dem Spiel, um gerade jetzt die Hände in den Schoss zu legen.»

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