Keine subtil beeinflussten Möchtegernkritiker ausbilden

Derzeit befindet die schulpolitische Schweiz über einen gemeinsamen Lehrplan für alle 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone. Dieser Lehrplan 21 (LP21) hat es in sich. Nicht nur ist sein Name Programm für das 21. Jahrhundert, er will auch zahlreiche Kompetenzen vermitteln, Bildungsziele harmonisieren und Mindestansprüche für den Unterricht festlegen. Doch leider ist der LP21 dogmatisch und verzerrt. Für einmal stehen nicht dem Physiker, sondern dem Ökonomen die Haare zu Berge.

Auch wenn der Ansatz des LP21 begrüssenswert ist – beim konkreten Inhalt muss teils fundamental nachgebessert werden. Bei den Kompetenzbereichen, die sich mit Wirtschaft beschäftigen, fokussiert der LP21 viel zu stark auf Konsumentscheidungen. Mindestens so wichtige und weniger emotional aufgeladene Teile der Wirtschaftswissenschaften wie die Funktionsweise von Märkten, der Wohlstand, die Rolle des Staats, Steuern oder Hintergründe von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit werden höchstens am Rande thematisiert. Der LP21 sollte die möglichst wertfreie Vermittlung von Inhalten unterstützen. Das wird schwierig, wenn beispielsweise explizit ein fairer Tausch thematisiert wird. Ein Tausch ist prinzipiell immer fair, da er sonst nicht stattfinden würde. Eine mögliche Ausnahme, bei der einer der Tauschpartner eine übermächtige Position einnimmt, implizit zur Regel hochzustilisieren, ist nicht nur fahrlässig, sondern auch falsch.

Was tun? Solche Punkte müssen korrigiert werden. Noch wichtiger sind aber die Lehrpersonen und Lehrmittel. Um richtig verstanden zu werden: Wir erwarten keine wertfrei argumentierenden Sprechautomaten im Schulzimmer. Für den Lerneffekt mindestens so wichtig ist eine mit Feuer-und-Flamme vorgetragene Botschaft oder ein Plädoyer einer engagierten Lehrkraft, die aus ihrer persönlichen Sichtweise keinen Hehl macht und diese zur Diskussion stellt. Das macht den Unterricht lebendig und die Schülerinnen und Schüler kritisch. Wir brauchen keine uniformen, Dogmen nachbetenden Schülerinnen und Schüler, die Ja und Amen sagen, sondern wache Geister mit der Lust am Debattieren, einem kritischen Hinterfragen ihrer eigenen Position und der Fähigkeit, Pro und Kontra sorgfältig abzuwägen. Subtil beeinflusste und der Aufklärung abgeneigte Möchtegernkritiker sind nicht geeignet, Innovationen zu erzielen und den Wohlstand der Schweiz zu halten oder auszubauen.