Wohlstand lässt sich nicht einfrieren

Kürzlich habe ich einer Frau zugehört, wie sie über unsere Konsumgesellschaft gelästert und eine neue Zurückhaltung gefordert hat. Sie arbeite in der kantonalen Verwaltung und käme auch mit 60 Prozent Lohn aus. Wenn alle etwas bescheidener leben würden, wäre die Welt gerettet. Denken wir das Beispiel zu Ende: Wenn alle nur noch 60 Prozent arbeiten würden, dann würden die Steuereinnahmen allein schon aufgrund der Steuerprogression stark einbrechen. Zudem würde die Wirtschaft beeinträchtigt, weil die Zahl der Arbeitsstunden (ohne massiv höhere Zuwanderung) zusammenschrumpfen würde. Alles in allem müsste der Staat aufgrund der Steuerausfälle massiv sparen. Davon wäre auch der Lohn unserer Verwaltungsangestellten betroffen: Ihr Lebensstandard wäre nicht zu halten.

Wer sich für ein Nullwachstum oder gar eine «Décroissance» stark macht, weil er unseren heutigen Wohlstand für ausreichend hält, geht von einem falschen Wachstumsbegriff aus. Denn in einer Gesellschaft, in der die Grundbedürfnisse der allermeisten Menschen gedeckt sind, ist ein «immer mehr» nicht die treibende Kraft wirtschaftlicher Entwicklung. Es braucht tatsächlich niemand drei Waschmaschinen oder vier Rasierapparate. Was wir hingegen benötigen, sind andere und verbesserte Produkte und Dienstleistungen. Also: ein Laptop anstatt einer Schreibmaschine, neue Impfstoffe, effizientere Verkehrsmittel, besser isolierte Häuser oder eine Kinderkrippe im Dorf. Selbstverständlich könnten wir darauf verzichten. Doch Wohlstand lässt sich nicht bewahren, indem man ignoriert, dass die Welt und auch die Menschen und ihre Bedürfnisse sich verändern.

Negative Begleiterscheinungen sollen damit nicht negiert werden. Doch sind wirtschaftliche Entwicklung, Fortschritt und Innovation auch in der Schweiz nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Es lohnt sich, die Argumente zum Thema Wachstum genauer anzuschauen. Einige Beispiele finden Sie auf www.warum-wachsen.ch