Verjährungsrecht: Härtefallregel statt Fristausdehnung

Gutes wollen und Gutes tun geht nicht immer einher. Gerade bei der aktuellen Diskussion zur Revision des Verjährungsrechts zeigt sich, dass gut gemeinte Eingriffe weder den gewünschten Erfolg haben, noch taugliche Lösungen darstellen. economiesuisse setzt sich daher für eine Härtefallregelung ein und lehnt eine folgenreiche Ausdehnung der Verjährungsfristen ab.

In wenigen Tagen wird sich der Nationalrat mit der Revision des Verjährungsrechts befassen. Vorgeschlagen werden unter anderem Anpassungen bei den Verjährungsfristen, die im Zusammenhang mit Personenschäden von heute zehn auf 30 Jahre ausgedehnt werden sollen. Das Ziel dieser aussergewöhnlichen und im Zivilrecht sehr ungewöhnlichen Ausdehnung sind die sogenannt latenten Schäden. Schäden, die sich erst viele Jahre nach dem schädigenden Ereignis zeigen und damit erst nach Eintritt der Verjährung auftreten. Die Diskussion zu diesem Thema ist stark von den tragischen Fällen von Asbestgeschädigten geprägt, die aufgrund der eingetretenen Verjährung keinen Schadenersatzanspruch mehr geltend machen konnten.

Doch kriegt man das Problem der latenten Schäden mit einer Ausdehnung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre in den Griff? Hilft man mit diesem erheblichen und ausserordentlichen Eingriff in unser Rechtssystem den Asbestopfern? Hat man die Mehrkosten für Unternehmen bedacht, die damit faktisch gezwungen werden, ihre Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz weit über die 10-jährige Aufbewahrungsfrist von Art. 962 OR hinausgehend aufzubewahren? Und gibt es ansonsten überhaupt Probleme mit dem etablierten und historisch gewachsenen Verjährungsrecht in der Schweiz? In all diesen Fällen ist die Antwort ein klares Nein.

Ein latenter Schaden kann nach beliebig langer Zeit auftreten, 30 Jahre sind entsprechend eine willkürliche Regelung. Die im Raum stehenden Vorschläge gelten für die Zukunft und nicht für Asbestopfer. Zudem führen die massiven und gleichzeitig nicht abgestimmten Eingriffe in das Zivilrecht zu einer Destabilisierung des Systems mit unvorhersehbaren Kosten und Folgen.

economiesuisse für alternative Lösung über Härtefallregel
Die Wirtschaft schlägt daher einen komplett anderen Lösungsansatz vor. Statt die Verjährungsfristen in unverhältnismässiger Weise immer weiter zu strecken, ist an den bestehenden und bewährten Fristen festzuhalten. Zusätzlich soll aber eine spezielle Härtefallregelung eingeführt werden, die es bei Personenschäden in Ausnahmefällen ermöglicht, trotz Verjährung zu klagen. Dies erfordert aber eine saubere und systematische Einbindung in das Rechtssystem. Den Herausforderungen im Zusammenhang mit den Asbestopfern wiederum ist in einer spezialgesetzlichen Regelung zu begegnen.

Der Nationalrat soll daher im Sinne der Stabilität unserer Rechtsordnung und im Interesse aller Beteiligten die Vorschläge seiner Kommission zur Revision des Verjährungsrechts zurückweisen und Nichteintreten beschliessen. Sonst gilt für ihn beim Verjährungsrecht, frei nach Goethe: «Er ist die Kraft, die Gutes will und Schlechtes schafft.»