SVP-Wahlkampf gegen unsere Freiheit

«Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst», sagte einst Abraham Lincoln. Gilt das auch für die Personenfreizügigkeit der Schweiz mit der EU? Diese garantiert nämlich uns Schweizerinnen und Schweizern die Freiheit, in einem beliebigen EU-/EFTA-Land zu arbeiten, wie umgekehrt den EU-/EFTA-Bürgern in der Schweiz. Offensichtlich gilt die Aussage von Lincoln auch hier. Bei einer Kündigung der Personenfreizügigkeit würden auch wir massiv an Freiheit einbüssen.

Diese Freiheit interessiert Sie gar nicht, weil Sie weder in München noch Paris arbeiten wollen und Sie deshalb gar nicht betroffen sind? Betroffen sind Sie aber sowieso: Denn wenn Unternehmen in der Schweiz nicht das Personal rekrutieren können, das sie dringend brauchen, dann gehen eben unsere Arbeitsplätze zu den Leuten – ins Ausland. Und es wäre schlecht für uns alle, wenn so gut bezahlte Stellen verloren gingen. Oder aber Dienstleistungen können bei uns nicht mehr in gleichem Umfang oder Qualität angeboten werden, weil Tramchauffeure, Gärtnerinnen, Bäcker oder Ärztinnen fehlen.

Europakarte

Positiv formuliert führt die Personenfreizügigkeit für Schweizer, EU-Bürger und die hiesigen Unternehmen zu Wohlstand in unserem Land. Diese Freiheit soll nun abgeschafft werden: Heute hat die SVP-Parteileitung nach mehrmaliger Verschiebung die Lancierung der Volksinitiative zur Kündigung und Verbot der Personenfreizügigkeit traktandiert. Das Hinauszögern der letzten Monate ist politisch nachvollziehbar. Aber nicht etwa, weil man sich den Angriff auf unsere Freiheit noch einmal überlegen wollte. Der Grund liegt wohl eher bei den Fakten.

Bei Kündigung der Personenfreizügigkeit würden wir zwar weiterhin ausländische Fachleute und Hilfskräfte brauchen, aber diese nur nach Fütterung des staatlichen Papiertigers bekommen, wenn überhaupt.

Die Zuwanderung von EU-/EFTA-Bürgern ist seit 2013 stark gesunken und im ersten Halbjahr 2017 mit netto 15'000 so tief gewesen wie noch nie seit einem Jahrzehnt. So tiefe Zahlen sind schlecht für die Kündigungsinitiative. Dank der verzögerten Lancierung kann die Migration zwar als Thema gesetzt werden, ohne das Risiko einer verlorenen Volksabstimmung kurz vor den Parlamentswahlen im Jahr 2019 einzugehen. Die Abstimmung findet erst danach statt. So legitim dieses Politmarketing im Hinblick auf die Wahlen ist, so schädlich ist das Ansinnen für unseren Wohlstand. Denn bei Kündigung der Personenfreizügigkeit würden wir zwar weiterhin ausländische Fachleute und Hilfskräfte brauchen, aber diese nur nach Fütterung des staatlichen Papiertigers bekommen, wenn überhaupt. Anstelle der heutigen Personenfreizügigkeit würde der Arbeitsmarkt wegen der Kündigungsinitiative durch staatliche Bürokratien verwaltet werden müssen. «Von allen Plagen, mit denen Gott der Herr unser Wirtschaftsleben heimsucht, ist die Bürokratie die weitaus schlimmste», sagte der Schriftsteller Ephraim Kishon. «Die Bürokratie ist nicht etwa ein Versagen der Regierung. Das glauben nur die Optimisten. Die Bürokratie ist die Regierung selbst.»