Digitales Graubünden: Menschen wollen den Wandel für sich nutzen

Viele Bündnerinnen und Bündner erkennen im digitalen Wandel vor allem Chancen und begegnen ihm mit einer offenen Grundhaltung. Es gibt auch viel Verständnis für die Ängste der Menschen. Den Ruf nach dem Staat hält man jedoch für eine schlechte Bewältigungsstrategie. Dies ist das Fazit von «Digitales Graubünden – Leben und Wirtschaften in der Zukunft», einem Diskussionsabend, zu dem economiesuisse, Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden sowie somedia die Bevölkerung am vergangenen Mittwoch nach Chur eingeladen haben.

Wie verändern sich Leben und Wirtschaften durch den digitalen Wandel – in Graubünden und allgemein? Was befürchten die Menschen? Und was kann jeder persönlich tun, um von der Digitalisierung zu profitieren? Das wollten die Gastgeber – allen voran Heinz Karrer, Präsident von economiesuisse – von der Bevölkerung in Graubünden wissen.

«Ich könnte meine Arbeit ohne Digitalisierung nicht durchführen», «die Digitalisierung macht es möglich: ich kann in einem Bergtal dezentral wohnen und arbeiten, obwohl sich die Büros meines Arbeitgebers in Zürich befinden», «damit dies möglich ist, brauchen wir eine einwandfrei funktionierende, leistungsfähige und moderne Infrastruktur»: So und ähnlich konnte man es an den Tischen hören.

 

Viele Chancen, aber sie müssen genutzt werden

Die Teilnehmenden sahen im digitalen Wandel in erster Linie Chancen für Graubünden: Chancen für neue Berufsfelder, Jobs, Geschäftsmodelle, neue Dienstleistungsangebote und Produkte. Die Chancen müssten aber auch gepackt werden. Beispielsweise, indem man stets offen und flexibel bleibe und dynamisch auf Veränderungen reagiere. Wer bereit sei, sich ständig zu verändern, profitiere vom Wandel insgesamt. Entsprechend würden Bildung und Weiterbildung immer wichtiger. Neu ist die wahrgenommene Beschleunigung der Veränderungen, egal ob im Beruf oder im Privaten. In Chur war man sich einig: Schon früher gab es tief greifende Veränderungen, deren Folgen waren aber nicht so schnell ersichtlich wie heute.

Weitere Stimmen meinten, man dürfe sich nicht an veraltete Strukturen festklammern, nur weil man sich fürchte, etwas zu verlieren. So könne man heute dank der Digitalisierung weitab von den grossen Zentren arbeiten. Noch vor Kurzem waren viele Geschäftsmodelle von Graubünden aus gar nicht umsetzbar. Diese Möglichkeiten könnten Jugendliche von der Abwanderung abhalten oder neue Firmen anziehen, so eine Hoffnung. Eine weitere: Selbstfahrende Autos werden dereinst Kinder von entlegenen Gebieten autonom in die Schule fahren.

Treiber ist die gesellschaftliche Entwicklung – technische Möglichkeiten sind ein Katalysator.

Standortvorteile verändern sich.

Hohe Selbstkompetenz erforderlich

Auch kritischere Überlegungen flossen in die Diskussion ein: So wurde erwähnt, dass ortsunabhängiges Arbeiten an Individuen gesteigerte Anforderungen an Selbstständigkeit und Selbstkompetenz stelle. Menschen müssten lernen, mit der ständigen Erreichbarkeit umzugehen, die zwar oft freiwillig geleistet, mitunter aber auch erwartet werde. Dies könne zu einem Vermischen von Arbeits- und Privatleben führen – was wiederum ein Vorteil sein kann, um Familie und Karriere besser unter einen Hut zu bringen und die freie Zeit flexibler zu gestalten.

Einig waren sich die Teilnehmenden auch, dass der Ruf nach mehr Regulierung keine sinnvolle Lösung darstellt, um mit neuen Herausforderungen oder Unsicherheiten umzugehen. Innovative Geschäftsideen könnten so vorzeitig abgewürgt, die Entwicklung von neuen Techniken verhindert werden, was niemandem diene. Der allgemeine Tenor in Chur war jedoch: In einer Gesamtabwägung überwiegen die positiven Aspekte der Digitalisierung die negativen bei Weitem.

Eigenverantwortung und gesunden Menschenverstand nicht abschalten – Leben wird spannender, aber nicht einfacher.

economiesuisse lädt ein und hört zu

Unter dem Titel «Wirtschaft im Dialog» lädt economiesuisse seit 2015 in allen Landesregionen Bürgerinnen und Bürger zum Mitreden und Diskutieren ein – in unkompliziertem, lockerem Ambiente. Die Veranstaltungen sind öffentlich.

Der Churer Anlass wurde – als Premiere – in Form eines World Cafés durchgeführt: Nach drei Inputreferaten wurden an Achtertischen drei vorgegebene Fragen diskutiert. Für jede Frage standen 20 Minuten zur Verfügung. Um die Gedanken und Statements festzuhalten, wurden sie direkt auf Tischtücher gekritzelt bzw. gezeichnet. Nach einer Runde wechselten die Teilnehmenden – in neuer Zusammensetzung – an andere Tische und diskutierten die nächste Frage. Am Schluss stellte jeder Tisch seine wichtigsten Erkenntnisse im Plenum vor. Diese Diskussionsergebnisse werden von economiesuisse ausgewertet und in der täglichen Arbeit berücksichtigt. Sie werden auch den Gremien vorgelegt.

Der Einladung in Chur folgten rund 90 Personen von nah und fern – darunter namhafte Unternehmerinnen und Unternehmer, Politikerinnen und Politiker, Professoren, selbstständig und unselbstständig Tätige, Studierende, Verbandsvertreter und auch Mitarbeitende von economiesuisse. Sie waren besonders interessiert zu erfahren, wie die Bevölkerung in Graubünden dem digitalen Wandel gegenübersteht, wie sie «tickt». Gefragt war nämlich die persönliche Meinung aller Teilnehmenden, jede und jeder wurde gehört. Wer wollte, konnte seine wichtigsten Erkenntnisse zu Videoprotokoll geben.

economiesuisse bedankt sich herzlich bei allen, die dabei waren und freut sich auf künftige Anlässe.